Lexikon der Biologie: Adenoviren
Adenoviren [von *adeno -], Adenoviridae, veraltete Bezeichnung APC-Viren, Familie von DNA-Viren mit den Gattungen Mastadenovirus (Adenoviren von Säugetieren) und Aviadenovirus (Adenoviren von Vögeln). Adenoviren wurden erstmals 1953 aus Tonsillen und adenoidem Gewebe von Kindern isoliert. Inzwischen sind von den humanen Adenoviren 47 Serotypen (Arten) bekannt ( vgl. Tab. ). Die aus verschiedenen Säugetierarten isolierten Adenoviren wurden in 10 Gruppen eingeteilt, jene von Vögeln in 5 Gruppen ( vgl. Tab. ). Adenoviren verursachen akute Infektionen der Atemwege, der Augen und des Magen-Darm-Trakts; die meisten Infektionen verlaufen jedoch subklinisch. Die Viren persistieren in Tonsillen und wahrscheinlich in Lymphocyten. Ihr natürlicher Wirtsbereich ist meist auf nur eine Wirtsart beschränkt. Viele Adenovirusarten induzieren Tumoren in Versuchstieren, die nicht dem natürlichen Wirt entsprechen, oder können Zellen in vitro transformieren (Tumorviren, Zelltransformation). Ein Zusammenhang zwischen Adenovirusinfektion und Tumorentstehung beim Menschen konnte bislang nicht festgestellt werden. Wegen ihrer onkogenen Eigenschaften, und da sie sich unter Laborbedingungen in Zellkulturen leicht und effizient vermehren lassen, wurden Adenoviren zu einem der am intensivsten untersuchten Experimentalsysteme in der Molekularbiologie. So wurde z. B. das RNA-Spleißen (spleißen) durch Untersuchung von Adenoviren entdeckt. Die genauen Kenntnisse über Adenoviren haben wiederum dazu geführt, daß sie heutzutage als Vektoren für die Gentherapie genutzt werden. – Das Virion (Durchmesser 80–110 nm) ist nicht von einer Hülle umgeben, besitzt Ikosaedersymmetrie und ist aus einem inneren Nucleoprotein-Core und einem äußeren Capsid mit 252 Capsomeren aufgebaut, davon 240 Hexone und 12 Pentonbasen mit filamentösen Fortsätzen (Fibern; vgl. Abb. ). Die Hexonkomponenten beinhalten die gruppenspezifischen Antigene, die Fibern die typspezifischen Antigene. Das Adenovirus-Genom ist eine doppelsträngige, lineare DNA (relative Molekülmasse 20–30 · 106, entsprechend 30–45 Kilobasenpaaren) mit invertierten, terminalen Repetitionen von 50–200 Basenpaaren. An den 5´-Enden der DNA ist ein Protein kovalent gebunden, das bei der viralen DNA-Replikation als primer dient; der DNA-Protein-Komplex ist infektiös. Die Replikation der viralen DNA beginnt an den Enden der Moleküle, die den Replikationsursprung (origin of replication) enthalten, und verläuft unter Verdrängung des anderen DNA-Strangs (strand displacement). Das Adenovirus-Genom codiert für eine viruseigene DNA-Polymerase. Die Transkription unterteilt sich in eine frühe Phase vor Beginn der DNA-Replikation und eine späte Phase, in der hauptsächlich die Capsid-Strukturproteine synthetisiert werden. Beide DNA-Stränge codieren für Proteine, und durch vielfältiges RNA-Spleißen kann eine Fülle von Virusproteinen produziert werden. Die frühen Gene sind in 5 Transkriptionseinheiten angeordnet (E1A, E1B, E2, E3 und E4). Die E1A-Einheit wird als erste exprimiert, und die Translation der alternativ gespleißten mRNAs erzeugt 2 E1A-Proteine unterschiedlicher Länge (285 Aminosäuren und 243 Aminosäuren bei HAdV-5). Die E1A-Proteine sind essentielle Aktivatoren für die viralen Promotoren. Die späten mRNAs (späte Gene) lassen sich in 5 Familien (L1 bis L5) einteilen. Sie werden hauptsächlich von einem einzigen Promotor aus transkribiert und besitzen eine dreiteilige "Leader"-Sequenz, an die die unterschiedlichen mRNA-Körper durch Spleißen angefügt werden. Zusätzlich zu den proteincodierenden Genen enthält das Adenovirusgenom die Information für die Virus-assoziierten RNAs VA-I und VA-II, die nicht für Proteine codieren, ca. 160 Nucleotide lang sind und von RNA-Polymerase III synthetisiert werden. Die VA-RNAs haben regulatorische Funktionen. Die Zusammensetzung der Viruspartikel erfolgt im Zellkern. Die Infektion mit Adenoviren führt in der Wirtszelle zur Abschaltung der zellulären DNA-, RNA- und Proteinsynthese. In Zellkulturen kommt es zu einem charakteristischen cytopathogenen Effekt. Im Genom der humanen Adenoviren liegt die transformierende Region im linken, terminalen Bereich, der für die Proteine E1A und E1B codiert. E1A bindet an das zelluläre Tumorsuppressorprotein pRB (Tumorsuppressorgene) und setzt dessen regulatorische Funktion als Inhibitor der Zellteilung außer Kraft. E1B bindet an das zelluläre Tumorsuppressorprotein p53 (p53-Protein) und verhindert dessen Kontrollaufgaben. Adenovirus-SV40-Hybride, Helferviren, Onkogene, Roberts (R.J.), Viren, Virusinfektion, Viruskrankheiten.
E.S.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.