Lexikon der Biologie: Braunwurzgewächse
Braunwurzgewächse, Scrophulariaceae, frühere Bezeichnung Rachenblütler, Familie der Braunwurzartigen mit ca. 220 Gattungen ( ä vgl. Tab. ) und rund 3000 Arten. Fast über die gesamte Erde verbreitete, insbesondere aber in der nördlichen gemäßigten Zone beheimatete, ein- oder zweijährige Kräuter, Stauden oder, seltener, Sträucher; Pflanzen mit meist ungeteilten, bisweilen aber auch fiederlappigen oder tief eingeschnittenen Blättern und entweder in endständigen Ähren, Trauben oder Rispen oder in den Achseln von Laubblättern stehenden, meist 5zähligen Blüten. Letztere sind monoklin sowie meist mehr oder minder zygomorph und weisen eine Vielzahl besonderer, an Insektenbestäubung angepaßter Mechanismen auf. Neben einer Reduktion der Zahl der Blütenorgane sind vor allem vielfältige Veränderungen der Gestalt der Blütenkrone zu beobachten. Häufigster Blütenbau: 5zipfliger Kelch sowie 5zählige Krone mit infolge Verwachsens der Kronblätter häufig krug- bis röhrenförmig geformter Röhre und 2lippigem Saum aus einer 2lappigen Ober- und 3lappigen Unterlippe; 2 ungleich lange Staubblattpaare. Der oberständige Fruchtknoten besteht im allgemeinen aus 2 verwachsenen Fruchtblättern und enthält zahlreiche zentralwinkelständige Samenanlagen. Die Frucht ist meist eine trockene Kapsel, selten eine trockene oder fleischige Schließfrucht. Unter den Braunwurzgewächsen kann man alle Übergänge zwischen völlig autotrophen Pflanzen über grüne Halbschmarotzer (z. B. Augentrost, Klappertopf, Läusekraut und Wachtelweizen) bis zu weiß- oder rosafarbenen Vollparasiten (z. B. Schuppenwurz) beobachten. Striga hermonthica ("witch weed" = "Hexenkraut", nicht zu verwechseln mit Circaea) ist ein tropischer Xylemparasit, der in Afrika und Teilen Südostasiens im Gemüse- und Getreideanbau (besonders bei Hirse und Mais) Ernteausfälle bis zu 40% verursacht. Außer durch Ethylen wird die Keimung der Samen auch durch Sorgholacton induziert, das von den Wurzeln der Getreidepflanzen abgegeben wird. In den ca. 80 cm hohen Blütenständen können sich bis zu 100 000 winzige, gut ausbreitungsfähige und ca. 20 Jahre keimfähige Samen entwickeln. Mit ihnen infizierte Anbauflächen müssen stillgelegt werden. Bei der Bekämpfung wird an der Züchtung Sorgholacton-armer Sorten (u. a. durch die Übertragung eines Sorgholacton unterdrückenden Gens) und der Hemmung des Haustorienwachstums gearbeitet. Viele Gattungen der Braunwurzgewächse enthalten beliebte Gartenzierpflanzen (z. B. Ehrenpreis, Fingerhut, Gauklerblume, Löwenmaul, Königskerze, Strauchveronika und Penstemon). Die ca. 250 Arten umfassende, überwiegend im Westen Nordamerikas heimische Gattung Penstemon (Bartfaden, Fünffaden) enthält einjährige Kräuter, Stauden oder (Halb-)Sträucher; neben Arten wie Penstemon barbatus oder Penstemon hartwegii werden vor allem die bis zu 90 cm hohen, weiß, rosa, rot oder purpurn blühenden Penstemon-Hybriden (Penstemon × hybridus) kultiviert, deren große, in langen Rispen stehende, trichter- oder röhrenförmige Blüten meist einen weißen Rachen aufweisen. Mit Penstemon eng verwandt ist die Gattung Chelone (Schlangenkopf), deren Arten ebenfalls gezüchtet werden. Auch einige Arten der in Nordamerika und Mexiko beheimateten Gattung Collinsia sind in Gärten zu finden; die creme- und lilafarbigen Blüten von Collinsia heterophylla (Collinsia bicolor) ähneln Schmetterlingsblüten. Von der mit etwa 500 Arten vor allem in Südamerika heimischen Gattung Calceolaria (Pantoffelblume; Südamerika VII), deren blasig aufgetriebene Unterlippe eine Kesselfalle (Gleitfallenblumen) für Insekten bildet, stammen zahlreiche Hybride mit gelben, orangefarbenen, rotvioletten oder getigerten Blüten ab, die unter der Bezeichnung Calceolaria × herbeohybrida (× fructicohybrida) als Zimmerpflanzen kultiviert werden. Einjährig gezogene Sorten der halbstrauchigen Art Calceolaria integrifolia sind auch beliebte Balkon- und Beetpflanzen. Aus der chilenischen Calceolaria andina wurde eine Substanz isoliert, die gegen Blattläuse, Milben und weiße Fliegen wirkt. Der Stoff zählt zur Gruppe der Naphthochinone und könnte eine Ausgangsbasis für die Entwicklung wirksamerer Insektizide darstellen. Von der 6 baumförmige Arten umfassenden Gattung Paulownia (Blauglöckchenbaum oder Blauglockenbaum; bisher zu den Bignoniaceae gestellt) wird in wärmeren Gebieten Europas Paulownia tomentosa mit hell- bis purpurblauen Blüten, die in bis zu 30 cm großen Blütenrispen stehen, kultiviert. Eine an einen besonders extremen Standort angepaßte Art der Braunwurzgewächse ist Chamaegigas intrepidus. Die in Südwestafrika heimische, poikilohydre Pflanze vermag in trockenem Sand und völlig ausgetrocknetem Zustand (mit 2–3 mm langen, pyramidenähnlichen Speicherblättern) Temperaturen von über 50 °C zu überstehen. Nach einem der am Standort seltenen Regenfälle vergrößert sie sich durch rasche Wasseraufnahme auf ein Vielfaches, assimiliert und treibt nach wenigen Tagen einen neuen Sproß mit Blüte. Sind die Niederschläge verdunstet, schrumpft die Pflanze wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück. ä Braunwurzgewächse I , ä Braunwurzgewächse II , rudimentäre Organe.
N.D./A.Se.
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