Lexikon der Biologie: Dachse
Dachse, Melinae, Unterfamilie der Marder mit weltweit 7 Gattungen ( vgl. Tab. ; mitgerechnet die ausgestorbene Gattung Trocharion aus dem Miozän) und 8 rezenten Arten; Körper im Vergleich zu anderen Mardern massig und kurzbeinig; Füße groß und (besonders die vorderen) mit langen, starken Krallen; Schnauze länglich; typisch ist die kontrastbetonte Gesichtszeichnung: weißer Mittel-, schwarze Augenstreifen. In Europa südlich des Polarkreises und in weiten Teilen Asiens (bis Japan) lebt der Eurasische oder Europäische Dachs ("Gräving", Meles meles; Kopfrumpflänge 60–80 cm, Gewicht 10–20 kg) in Wäldern, Busch- und Parklandschaften ( vgl. Abb. und Europa XIII ). Sein selbst gegrabener Erdbau kann eine Ausdehung von 30 m im Durchmesser und eine Tiefe von 5 m erreichen, Dutzende von Eingängen und Schlafkammern enthalten und über viele Jahrzehnte von mehreren Generationen bewohnt werden; nicht selten haust in demselben Bau – räumlich getrennt – gleichzeitig auch eine Fuchsfamilie. Radiotelemetrische Untersuchungen ergaben, daß innerhalb des Baues, in dem mitunter 5–6 erwachsene Dachse leben, die Tiere alle paar Tage ihren Ruheplatz wechseln, um den Befall mit Ektoparasiten (Flöhe, Läuse, Zecken) in Grenzen zu halten. Dachse sind hauptsächlich Dämmerungs- und Nachttiere, die sich sowohl von toten und lebenden Tieren (Würmer, Schnecken, Insekten, kleinere Wirbeltiere) als auch – mehr als die anderen Marderarten – von Pflanzenkost (Früchte, Samen, Wurzeln) ernähren. Die Winterruhe der Dachse ist klima- und witterungsabhängig; sie kann nur Tage oder Wochen (in Mitteleuropa), aber auch 7 Monate (z.B in Sibirien) dauern. Die Brunstzeit der in lebenslanger Partnerbindung lebenden Dachse ist im Hochsommer. Durch Verzögerung der Eifurchung (sog. "Eiruhe") und späte Einnistung des Eies in die Uterusschleimhaut wird sichergestellt, daß die 2–5 Jungen erst im Februar/März geboren werden. Sie öffnen nach 4–5 Wochen die Augen, werden 2–3 Monate lang gesäugt und sind schon mit 11/2 Jahren geschlechtsreif. Noch vor, spätestens aber gleich nach ihrer ersten Winterruhe trennen sich die Jungtiere von den Eltern. In der Vergangenheit führten Bekämpfungsmaßnahmen gegen Füchse (durch Begasung gemeinsam bewohnter Baue – eine heute kaum noch angewandte Methode zur Eindämmung der Fuchs-Tollwut) zu einem starken Rückgang des Dachses, von dem sich der Gesamtbestand inzwischen wieder erholt hat. Der Europäische Dachs gilt nur in den dichter besiedelten deutschen Bundesländern mangels Lebensraum als im Bestand gefährdet. In anderen Bundesländern, z. B. in Baden-Württemberg, schützt man den Bestand durch eine lange Jagd-Schonzeit (vom 1. November bis 30. Juli). Früher wurde Dachsfett zur medizinischen Salben- sowie zur Seifenherstellung verwendet. Zur Pelzverarbeitung nimmt man heute hauptsächlich Felle der japanischen Unterart Meles meles anakuma. Nach wie vor dienen Dachshaare zur Herstellung von Bürsten und (Rasier-)Pinseln (sowie für den traditionellen "Dachsbart" am Jägerhut!). Von der einstigen Volkstümlichkeit des Europäischen Dachses (des "Grimbart" in den Märchen) zeugen im deutschen Sprachraum noch viele Orts- und Flurnamen, z. B. Dachsenhausen, Dachsberg, Dachswangen. – In Südostasien lebt der Schweinsdachs (Arctonyx collaris), ebenfalls ein Allesfresser; seinen Namen verdankt er der (schweins-)rüsselartig verlängerten Schnauze. In den Gebirgswäldern von Borneo, Sumatra und Java kommt der Malaiische Stinkdachs, auch Java-Stinkdachs oder Teledu genannt, Mydaus javanensis, vor; sein Name rührt von einem Afterdrüsensekret, das er zur Abwehr dem Gegner gezielt entgegenspritzt; im übrigen ähnelt seine Lebensweise der des Europäischen Dachses. Der Philippinen-Stinkdachs (Suillotaxus marchei) gehört wiederum einer eigenen Gattung an. Der Amerikanische Dachs oder Silberdachs (Taxidea taxus) bewohnt vorwiegend trockenes und offenes Gelände ("Präriedachs") in Nordamerika, vom südwestlichen Kanada über die USA bis nach Mexiko; ähnlich in Lebensweise und Ernährung "vertritt" er gleichsam auf dem amerikan. Kontinent den Europäischen Dachs; seine Körperform ist noch gedrungener als die des Europäischen Dachses. Das Fell des Silberdachses ist für die Pelzverarbeitung von Bedeutung; Versuche, ihn in Farmen zu züchten, waren dennoch nicht lohnend. Schlank und daher marderähnlicher als die zuvor erwähnten Dachse wirken die südostasiatischen Sonnendachse (Gattung Melogale mit 3 Arten), die vorwiegend Fleischfresser sind. Das Fell des China-Sonnendachses (Melogale moschata) kommt unter der Bezeichnung "Pahmi-Pelz" in den Handel. – Zu einer eigenen Unterfamilie Mellivorinae gehört der Honigdachs, Mellivora capensis. Augentarnung, Tierbauten.
H.Kör.
Lit.:Neal, E.: The Natural History of Badgers. London & Sydney 1986.
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