Lexikon der Biologie: Elektronenmikroskop
Elektronenmikroskops,Transmissions-Elektronenmikroskop (Abk. TEM), Durchstrahlungs-Elektronenmikroskop, Mikroskop höchsten Auflösungsvermögens, in dem vergrößerte Abbildungen durchstrahlter Objekte nicht durch Lichtwellen (Licht) wie im Licht-Mikroskop, sondern durch hochbeschleunigte Elektronen (Kathodenstrahlen) erzeugt werden, und das bei einer Auflösung von maximal ca. 0,2 nm (s.u.) eine bis 2000000fache Endvergrößerung erlaubt ( vgl. Abb. ). Elektronenstrahlen von nahezu Lichtgeschwindigkeit (elektromagnetisches Feld), wie sie in einem Hochspannungsfeld von 40–100 kV (Kilovolt) zwischen einer Elektronen aussendenden Glüh-Kathode und einer ihr gegenüber positiven Anode im Vakuum entstehen, verhalten sich in vielfacher Hinsicht wie Lichtwellen: Sie werden an Objektstrukturen, abhängig von deren Massendichte (Dichte × Dicke), gebeugt (Beugung) und können durch elektrische oder magnetische Felder (wie Licht durch optische Linsen) abgelenkt bzw. durch rotationssymmetrische Felder (Elektronenlinsen) in einem Brennpunkt vereinigt werden. Dabei läßt sich deren Brennweite durch Veränderung der Feldstärke variieren („Gummilinse“, Zoomlinse). Diese Bedingungen gelten allerdings nur im Hochvakuum (Gas-Druck unter ca. 1/100 Pascal), wo bremsende Zusammenstöße mit Gasmolekülen vermieden werden, so daß ein „monochromatischer“ Strahl gleichförmig beschleunigter Elektronen entsteht, deren Energieinhalt (Energie) bzw. „Wellenlänge“ (λ) von der angelegten Hochspannung abhängt (Spannungskonstanz 0,01%). Die Wellenlänge ergibt sich aus der de Broglieschen Beziehung λ = h/(m · v) (h = Plancksches Wirkungsquantum = 6,626 · 10–34J · s, m = Elektronenmasse, v = Elektronengeschwindigkeit) und steht zur angelegten Beschleunigungsspannung (U) im Verhältnis λ = 1,23/√U (wenn λ in nm und U in V angegeben werden). Bei 40–100 kV entspräche das Wellenlängen von ca. 0,01–0,003 nm, die also 5 Zehnerpotenzen unter den in der Lichtmikroskopie verwendeten Wellenlängen (360–780 nm) liegen. Vergleichbare elektromagnetische Strahlung (Röntgenstrahlen; elektromagnetisches Spektrum) könnte kaum zur Bilderzeugung benutzt werden, da diese sich nicht ausreichend durch Linsen beeinflussen läßt. (Für Röntgenstrahlen ist dies aber in den letzten Jahren mit dünnen Aluminiumlinsen gelungen; Röntgenmikroskopie.) 40–100 kV-Elektronenstrahlen vermögen allerdings nur dünne Schichten (z.B. Aluminiumfolien von 40 nm Dicke oder organisches Material von 70–100 nm Dicke) ohne allzugroßen Energieverlust zu durchdringen. In den verschiedenen Objektpartien werden sie je nach deren Dichte in unterschiedlichem Maße gestreut. Fängt man die gebeugten Elektronen durch eine Blende ab, so entwirft der Rest-Strahl ein Schattenbild der lokal unterschiedlichen Elektronendichten im betreffenden Objekt, das nun entsprechend dem Strahlengang im Lichtmikroskop durch eingeschaltete Elektronenlinsen in mehreren Stufen vergrößert und auf einem Fluoreszenzschirm oder einer Photoplatte aufgefangen werden kann. Die Vergrößerung läßt sich durch Änderung der Linsenströme und, von ihnen abhängig, der elektrischen oder magnetischen Linsen-Feldstärken variieren. Aus der Wellenlänge von 100 kV-Elektronen errechnet sich theoretisch ein Auflösungsvermögen von 0,004 nm. Linsenfehler (Aberration) sind bei den bis jetzt gebräuchlichen Elektronenmikroskopen jedoch einstweilen noch nicht (chromatische Fehler) oder nur sehr unvollkommen (sphärische Fehler) korrigierbar. Darum liefern nur achsennahe Strahlen brauchbare Abbildungen; achsenfernere Strahlen werden durch eine enge Aperturblende ausgeblendet. Folglich ist der das Auflösungsvermögen bestimmende Öffnungswinkel (Apertur) der Elektronenlinsen äußerst gering (etwa 1o gegenüber maximal 137o im Lichtmikroskop), was einen Verlust an Auflösungsvermögen um 2 Zehnerpotenzen gegenüber den theoretischen Werten bedeutet. In jüngster Zeit (1999) ist es allerdings 3 deutschen Forschergruppen gelungen, eine besser fehlerkorrigierte Elektronenoptik zu bauen, mit der sich die Apertur der Elektronenlinsen verdoppeln, das Auflösungsvermögen des Elektronenmikroskops also von bisher 0,24 nm auf 0,13 nm steigern läßt. Auf diese Weise können sogar einzelne Atome sichtbar gemacht werden. Diese Korrektur des Öffnungsfehlers und Aperturerweiterung wurden erreicht, indem man den sphärischen Elektronenlinsen 2 aufeinanderfolgende asphärische Magnetfelder nachschaltete. Ein erstes sechspoliges Magnetfeld dient dazu, den Linsen-Korrekturfehler deutlich zu verringern. Dieses Magnetfeld verformt aber gleichzeitig den Elektronenstrahl und verursacht Bildverzerrungen; diese werden durch ein zweites gleiches Feld wieder aufgehoben. Die notwendige präzise Justierung der beiden Magnetfelder aufeinander erfolgt computergesteuert. – Im Unterschied zum Lichtmikroskop kann die Auswertung elektronenmikroskopischer Bilder wegen der verhältnismäßig groben Körnung des bildauffangenden Fluoreszenzschirms nicht unmittelbar am Mikroskop erfolgen. Die Grenzauflösung von 0,24 nm bzw in Zukunft 0,13 nm erreicht man erst in photographischen Aufnahmen, die wegen des feinen Korns photographischer Emulsionen erst bei 5–10facher Nachvergrößerung dem Betrachter alle Details des elektronenmikroskopischen Primärbildes preisgeben. Zudem werden biologische Präparate durch die starke Strahlenexposition bei zu langer Betrachtung beschädigt und erleiden Veränderungen. So tritt in der Elektronenmikroskopie die photographische Aufnahme an die Stelle des Dauerpräparats in der Lichtmikroskopie. Die monochromatische („einfarbige“) Strahlung im Elektronenmikroskop erlaubt naturgemäß nur einfarbige Hell-Dunkel-Abbildungen. Eine Beobachtung von Lebensvorgängen ist aus verschiedenen Gründen im Elektronenmikroskop nicht möglich: Einerseits stehen dem die begrenzte Objektdicke (geringer als der Durchmesser einer Bakterienzelle) und das Einbringen des Präparats in ein Vakuum entgegen, andererseits werden die Präparate im Elektronenstrahl so stark erhitzt, daß alle leichtflüchtigen Elemente aus organischem Material (z.B. H, O, N) ionisiert werden und abdampfen. Zurück bleibt nur ein Grundgerüst des Präparats aus Kohlenstoff und anderen nichtflüchtigen Elementen (z.B. Fe, P, Mg). Es wird also nur ein lebensnahes „Modell“ der ursprünglichen Struktur abgebildet. Darüber hinaus sind die meisten Bausteine organischer Substanz (C, O, H, N, S, P) gleich wenig „elektronendicht“, also elektronenoptisch „durchsichtig“, und die Objekte müssen zur Erzeugung des notwendigen Bildkontrasts durch Anlagerung von Schwermetallen (Mo, Os, Pb, U) an spezifische Objektstrukturen, etwa DNA oder Membranen, gefärbt (kontrastiert) werden, was ebenfalls die meisten enzymatischen Prozesse blockiert. Durch Erhöhung der Strahlspannung auf bis zu 3 MV (1 Megavolt = 1000000 V) kann man zwar die Auflösung weiter steigern und dickere Objekte durchstrahlen, kann diese Objekte, etwa Bakterienzellen, auch in dünnen, membranbegrenzten Normaldruckkammern in den Strahl einbringen und durch Kühlung mit flüssiger Luft deren Hitzeschädigung verzögern. Aber unter solchen Bedingungen wird die Kontrasterzeugung in biologischen Objekten zum unlösbaren Problem. Zudem kommt es wegen der hohen Schärfentiefe der elektronenmikroskopischen Abbildung bei Durchstrahlung dicker Schichten zur Überlagerung von Strukturen der verschiedenen Objektebenen. Deshalb finden solche Höchstleistungs-Elektronenmikroskope (Punkt-Auflösungsvermögen bis ca. 0,1 nm) nur in der technischen Mikroskopie (Metallurgie) Verwendung. Vom Durchstrahlungs-Elektronenmikroskop in Darstellungsweise sowie Bilderzeugung grundverschieden sind das Rasterelektronenmikroskop (Auflichtelektronenmikroskop; Rastermikroskop) und Raster-Tunnelelektronenmikroskop. Das erste Elektronenmikoskop mit magnetischen Linsen, wie sie heute allgemein gebräuchlich sind, wurde in den frühen 1930er Jahren von E. Ruska und M. Knoll an der Technischen Hochschule Berlin entwickelt und unter der Leitung von Ruska und B. von Borries bei der Firma Siemens-Halske 1933 in Berlin gebaut. In der Folgezeit entwarf H. Mahl in den Forschungslaboratorien der Firma AEG (Berlin) ein Elektronenmikroskop mit elektrostatischen Linsen (1938), das dem ersteren aber wegen der schwierigeren Korrektur von Linsenfehlern unterlegen ist. analytische Elektronenmikroskopie, Arbeitsabstand, Binnig (G.), Busch (H.), ESEM, Klug (A.), Laser-Scan-Mikroskopie, mikroskopische Präparationstechniken, Raster-Kraftmikroskop, Rohrer (H.), Röntgenmikroanalyse, Ruska (H.), Transmissions-Elektronenmikroskopie. Elektronenmikroskop .
P.E.
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