Lexikon der Biologie: Fichte
Fichte, Picea, Gattungder Pinaceae (Kieferngewächse, Unterfamilie Abietoideae) mit ca. 50 Arten. Die immergrünen, meist ausgeprägt monopodial wachsenden Bäume (monopodiales Wachstum; vgl. Abb. ) besitzen in Scheinquirlen stehende Äste und schraubig angeordnete Nadeln ( Blatt III ). Diese sitzen auf kantigen, an den Zweigen herablaufenden „Nadelkissen“, die nach dem Nadelfall erhalten bleiben und eine rauhe Oberfläche erzeugen. Die ♂ Zapfenblüten (Blüte, Zapfen) stehen einzeln in den Blattachseln vorjähriger Zweige; die nur rudimentäre, von außen nicht sichtbare Deckschuppen aufweisenden, windbestäubten ♀ Zapfen entwickeln sich dagegen endständig an ebenfalls vorjährigen Trieben, hängen nach der Blütezeit mehr oder weniger nach unten und fallen als Ganzes ab (vgl. die entsprechenden Merkmale bei der Tanne); die geflügelten Samen werden durch den Wind ausgebreitet (Anemochorie). Das Areal der Fichte ist holarktisch mit Bevorzugung der gemäßigten Zonen, das Mannigfaltigkeitszentrum (Genzentrum) liegt in Ostasien (Asien). Fossil kennt man die Gattung seit dem Tertiär. – In Mitteleuropa kommt als einzige heimische Art nur die Gemeine Fichte oder „Rottanne“ (Picea abies, Syn. Picea excelsa;vgl. Abb. und Europa IV ) vor. Sie erreicht bei einem Alter von 200–400 Jahren Wuchshöhen von 30–40 m (maximal 65 m; Baum, Abb., Tab.), besitzt einen flachen Wurzelteller (Flachwurzler) und ist daher windbruchgefährdet (nur in späteren Lebensphasen kann sie Senker ausbilden). Ihre Stämme besitzen eine meist hellbraune, später rötlichgraue, schuppig abblätternde Borke; die vierkantigen Nadeln (Nadelhölzer) sind – im Gegensatz zur Tanne – nicht zweizeilig angeordnet sondern allseitig abstehend. Im Habitus fallen die spitz-kegelförmige Krone (besonders in Kammlagen) und die am Ende oft nach oben gebogenen Äste auf. Das Areal der Gemeinen Fichte reicht von Nordeuropa (Europa), dem östlichen Süd- und Mitteleuropa (Westgrenze: etwa Rhône- und Rheintal; in den spanischen Pyrenäen ist sie eingebürgert) bis ans Ochotskische und Japanische Meer. In der borealen Zone kommt sie in der planaren Stufe, in der temperaten Zone in der montan-subalpinen Stufe vor. In Waldgrenzstandorten ist gelegentlich eine vegetative Vermehrung durch die Bewurzelung von Legtrieben zu beobachten. Die Gemeine Fichte bildet natürliche Reinbestände (Piceenion) oder ist Bestandteil von Mischwäldern, sie bevorzugt kühl-feuchte Standorte auf sauren und humosen Böden. Da sie als Halbschattholzart große Konkurrenzkraft sowie gute Wuchsleistung und Holzqualität (Holz) aufweist, wird sie bei einer Umtriebszeit (Umtrieb) von 70–120 Jahren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts intensiv forstlich kultiviert (Forstgesellschaften). In der Bundesrepublik Deutschland entfallen, zusammen mit Tanne und Douglasie, knapp 35% der Waldfläche (Wald) auf die Gemeine Fichte, und zwar auch außerhalb des natürlichen Vorkommens. Diese standortsfremden Fichtenforste sind u.a. durch Sommerdürre gefährdet und zeigen eine besondere Anfälligkeit gegen Immissionen (neuartige Waldschäden, Farbtafel). Besonders auf Kalkböden, ehemaligem Ackerland und bei Vernässung treten Krankheiten und Schädlinge auf: verbreitet sind die Rotfäule (durch Hallimasch und Rotfäulepilz [Rotfäule]) sowie Schadinsekten wie Fichtenborkenkäfer (Buchdrucker) und Nonne. Langfristig leiden die Bestände auch unter einer Bodenverschlechterung: Fichten-Nadeln sind nur sehr schwer zersetzbar, bilden Moder oder Rohhumus (Bodenentwicklung) und tragen zur Bodenversauerung (Bodenreaktion) bei. Dadurch und bedingt durch die starke Beschattung ist der Unterwuchs der Fichtenforste sehr artenarm. Das Holz der Gemeinen Fichte ist gelblich-weiß bis bräunlich, mittelhart (Dichte: 0,35–0,6 g/cm3) und vielseitig verwendbar, z.B. als Bauholz, für Kisten, Holzwolle und Papier; das vor allem in Berglagen von der Varietät alpestris gebildete sehr engringige Holz findet für Resonanzböden von Musikinstrumenten (z.B. Klaviere, Orgeln) Verwendung. Darüber hinaus gehört die Gemeine Fichte zu den wichtigen, in zahlreichen Sorten kultivierten Zierbäumen. – Neben Picea abies ist in Europa noch die Serbische Fichte (Omorika-Fichte, Picea omorica; Nadelhölzer II) heimisch. Diese oft als Parkbaum gepflanzte, durch abgeflachte Nadeln gekennzeichnete Art kommt natürlich nur in einem kleinen Reliktareal in Bosnien und Serbien vor, war aber (zumindest mit sehr ähnlichen Formen) im jüngsten Tertiär bis ins letzte Interglazial in Europa weit verbreitet. Als Gartenpflanze beliebt ist eine blaunadelige Varietät der Stech-Fichte, die Blau-Fichte (Picea pungens var. glauca; Nadelhölzer II), die gelegentlich fälschlicherweise auch „Blautanne“ genannt wird. – Kultivierte fremdländische Arten: vgl. Infobox . Abieti-Fagetum, alpine Baumgrenze, Forstpflanzen, Frostresistenz, Mastjahre, Mitteleuropäische Grundsukzession, Mykorrhiza, Pollenanalyse (Abb.), Schatthölzer, Wildverbiß; Nordamerika I–II.
V.M./A.Se.
Fichte
Wuchsform und ♀ Zapfen der Gemeinen Fichte (Picea abies), daneben junger ♀ Blütenstand (oben) und ♂ Blütenstand (unten)
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