Lexikon der Biologie: Gensynthese
Gensynthesew, die außerhalb von lebenden Zellen mit Methoden der organischen Chemie und Biochemie durchgeführte Synthese von Genen oder Genbruchstücken ( vgl. Abb. ). Nach der enzymatischen in-vitro-Replikation infektiöser Phagen-RNA (Spiegelman 1966) und Phagen-DNA (Goulian, A. Kornberg und Sinsheimer 1967), die als Vorläufer der Gensynthese aufzufassen ist, gelang 1970 mit Hilfe einer Kombination aus organisch-chemischen und enzymatischen Methoden die erste Totalsynthese eines Gens (des für eine tRNAAla aus Hefe codierenden tRNA-Gens; Alanin-tRNA) durch die Arbeitsgruppe von H.G. Khorana. 1976 wurde von derselben Arbeitsgruppe das für eine Suppressor-tRNA aus Escherichia coli codierende Gen zusammen mit den für die Expression in der Zelle erforderlichen Signalstrukturen synthetisiert (über 200 Basenpaare) und in Escherichia coli-Zellen eingeschleust, wo es die erwartete Suppressor-Aktivität (Einbau der Aminosäure Tyrosin, codiert durch das sonst als Terminator-Codon wirkende Triplett UAG) zeigte und damit als erstes synthetisches Gen in einer lebenden Zelle aktiv war. – Heute ist die Gensynthese eine etablierte Methode innerhalb der Gentechnologie – vor allem, weil sie beliebige Änderungen, d.h. gezielte Mutationen (in-vitro-Mutagenese, Oligonucleotid-Mutagenese), der Nucleotidsequenzen der betreffenden Gene und ihrer Signalstrukturen erlaubt. Im Gegensatz zur Peptidsynthese können die Produkte der Gensynthese gezielt selektioniert und durch Klonierung angereichert werden. Für die Synthese von längeren DNA-Abschnitten mit mehreren hundert Basenpaaren, etwa von Strukturgenen, reichen allerdings rein organisch-chemische Syntheseverfahren nicht aus. Die damit dargestellten Oligo- und Polynucleotide (Oligonucleotidsynthese) müssen durch die Einbeziehung verschiedener Enzyme zusammengefügt werden, wobei sich prinzipiell 2 unterschiedliche Synthesestrategien abzeichnen: Beim DNA-Ligase-Verfahren werden relativ kurze, organisch-chemisch dargestellte Oligonucleotide (10–15 Nucleotide lang) zu doppelsträngigen DNA-Segmenten mit Hilfe der T4-DNA-Ligase (DNA-Ligase) verknüpft. Diese Strategie wurde bereits 1970 von Khorana für die Synthese des Alanin-tRNA-Gens angewandt (s.o). Weitere Beispiele für diese Strategie sind die Synthesen der Gene für Somatostatin, Angiotensin, der beiden Insulinketten (Insulin) sowie von Interferon. Mit der zunehmenden Effektivität der organisch-chemischen Synthesetechniken an polymeren Trägern (DNA-Synthesizer, Festphasensynthese) gewinnt das DNA-Polymerase-Verfahren zunehmend an Bedeutung. Dabei werden Oligo- und Polynucleotide mit 30–40 Nucleotiden (unter besten Bedingungen bis etwa 200 Nucleotide) durch komplementäre Basenpaarung so aneinandergelegt, daß sich DNA-Duplexe ausbilden, die von der DNA-Polymerase I (DNA-Polymerasen) bzw. dem Klenow-Fragment als Substrat akzeptiert werden. In Anwesenheit von dATP, dGTP, dCTP und dTTP (2'-Desoxyribonucleosid-5'-triphosphate) werden durch die DNA-Polymerase I entsprechend der im synthetischen Matrizenstrang enthaltenen Information Lücken aufgefüllt. Die für die Ligation mehrerer DNA-Fragmente benötigten Enden werden nach der Polymerisation durch Spaltung mit entsprechenden Restriktionsenzymen erzeugt. Biochemie (Geschichte der).
H.K./M.B.
Gensynthese
Zur Synthese von Genen ist die Kenntnis ihrer Nucleotidsequenzen Voraussetzung. Entsprechend der jeweiligen Sequenz (im Schema nicht aufgeführt) werden zunächst Desoxyoligonucleotide der Kettenlängen 10–30 mit Hilfe organisch-chemischer Methoden aus Mononucleotiden synthetisiert (a), wobei die einzelnen Synthesen so programmiert werden, daß Nachbarfragmente (z.B. 1 bis 5 bzw. 1' bis 5' im Schema) beider Stränge entstehen, welche die Überlappung der jeweiligen Lücken des Gegenstrangs (Prinzip der versetzten Lücken) aufgrund der Basenpaarungs-Spezifität ermöglichen. Nach Hybridisierung dieser Fragmente zu einer Doppelstrangstruktur (b) mit versetzten Einzelstrangbrüchen werden letztere unter der katalytischen Wirkung von DNA-Ligasen unter ATP- oder NAD-Spaltung verschlossen, wodurch ein durchgehender DNA-Doppelstrang (c) entsteht. Die Synthese erfolgt durch Auswahl entsprechender Sequenzen so, daß die Enden des Produkts (c) einzelsträngig bleiben und gleichzeitig die für ein bestimmtes Restriktionsenzym spezifischen Sequenzen enthalten, wodurch die Klonierung in die entsprechende Restriktionsstelle eines Klonierungsvektors ermöglicht wird. Da Gene heute meist in klonierter Form, d.h. letztlich aus der DNA der betreffenden Organismen isoliert, zugänglich sind, werden häufig nicht die vollständigen Gene, sondern nur diejenigen Bereiche, die gezielt abgewandelt werden sollen (z.B. durch Koppelung an andere Signalstrukturen), neu synthetisiert.
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