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Lexikon der Biologie: Escherichia coli

Escherichia coliw [von Escherichia und latein. colum = Dickdarm], Kurzbezeichnung E. coli oder Coli, die wichtigste Art der Bakterien-Gattung Escherichia aus der Familie Enterobacteriaceae, der molekularbiologisch-genetisch am besten untersuchte Organismus (Modellorganismen). E. coli wird in viele Typen (Stämme) unterteilt und kommt normalerweise im Darm (unterer Teil des Ileums [Dünndarm], Dickdarm; Verdauung) von Warmblütern vor (Darmflora). Außerhalb des Darms kann E. coli Eiterungen (Eiter) und Entzündungen bei Mensch (Harnweg- und Niereninfektionen) und Tieren verursachen; bestimmte Stämme sind Erreger schwerer Durchfallerkrankungen (Enteritiden, s.u.). E. coli läßt sich auch im Boden und Wasser nachweisen und dient als Indikatorkeim für Verunreinigungen mit Fäkalien(Colititer). E. coli-Bakterien sind gerade Stäbchen, 1,1–1,5 × 2,0–6,0 μm (lebend) oder 0,4–0,7 × 1,0–3,0 μm (getrocknet und gefärbt), einzeln oder in Paaren zusammenhängend, unbeweglich oder beweglich mit peritricher Begeißelung ( vgl. Abb. ). Das Genom (Chromosom) ist ringförmig (Bakterienchromosom, Desoxyribonucleinsäuren (Tab.), Basenzusammensetzung [Tab.]). Bis 1997 wurde das Genom des Bakteriums komplett sequenziert; es besteht aus etwa 4,6 Millionen Basenpaaren (ca. 4300 Gene). Außerdem kann die Zelle noch eine Reihe von Plasmiden enthalten. Wichtig sind die toxischen Colicine (Bakteriocine) und Escherichia coli-Phagen (Bakteriophagen, Bakteriophagen I ). – Ein gutes Wachstum von E. coli erfolgt bereits mit einem organischen Substrat (als Kohlenstoff- und Energiequelle) und mit Ammoniumsalzen. Unter optimalen Bedingungen (komplexes Medium, 37 °C) erfolgt alle 20 min eine Verdopplung der Bakterienzahl. Der Stoffwechsel ist aerob (Sauerstoffatmung) oder fakultativ anaerob (Nitratatmung, Gärung). Wachstum erfolgt mit vielen Kohlenhydraten und Pepton, mit Acetat, meist auch Lactose, aber normalerweise nicht mit Citrat (bis auf wenige Ausnahmen) als einziger Kohlenstoffquelle. Glucose und andere Zucker werden in gemischter Säuregärung abgebaut. Die gramnegative Zellwand (Bakterienzellwand) ist bei vielen Stämmen verdickt (Mikrokapsel) oder noch von einer Kapsel aus Polysacchariden umhüllt. Viele Typen enthalten Fimbrien und/oder (Sex-)Pili (F-Pili). Die Unterteilung der Biotypen (Stämme) erfolgt aufgrund der Gäreigenschaften (IMViC-Test) und mit anderen biochemischen Tests, der Phagen-, Antibiotika- und Colicin-Empfindlichkeit (bzw. Resistenz). Besonders wichtig ist die serologische Unterscheidung nach den O-Antigenen (= Zellwand-Polysaccharide), K-Antigenen (= Kapsel, Fimbrien, Pili) und den H-Antigenen (= Geißel), da dadurch die verschiedenen Erregertypen erkannt werden können. Es sind bereits ca. 1600 O-, 80 K- und 50 H-Antigene bestimmt. Neuerdings werden auch Gensonden zur Identifizierung wichtiger Stämme eingesetzt. E. coli ist zur Zeit wichtigste Empfängerzelle für gentechnologische Forschungen und Produktionen (Gentechnologie). In der Biotechnologie wird sie, auch in immobilisierter Form, zur Herstellung von organischen Säuren und Aminosäuren, Vorstufen von Nucleotiden (5'-GMP), von Penicillin-Acylase (Penicillin-Amidase) genutzt; auch Somatostatin, Insulin und Interferon werden mittels gentechnisch veränderter Stämme industriell produziert. Außerdem konnten N2-fixierende Stämme mit Genen aus Klebsiella pneumoniae hergestellt werden. Früher wurden die unbeweglichen Formen, die kein Gas bilden und Lactose nicht oder nur schlecht verwerten können, als Alkaleszens-Dispar-Gruppe bezeichnet. Die frühere Art Escherichia freundii wurde in der Gattung Citrobacter und Escherichia aurescens als Stamm bei E. coli eingeordnet. – Pathogene Stämme von E. coli können schwere bis tödliche Darmerkrankungen (Enteritis) verursachen: a) enteropathogene E. coli-Stämme (EPEC) rufen Durchfall (Diarrhoe) und Erbrechen bei Säuglingen hervor; b) enterotoxische E. coli-Stämme (ETEC) verursachen Durchfall, der Cholera-ähnlich verläuft; die Erreger werden hauptsächlich fäkal-oral übertragen. In einigen Entwicklungsländern ist ETEC häufigste Todesursache von Säuglingen und kleinen Kindern. Diese Stämme sind auch häufige Erreger von Reise-Diarrhoe („Turista“) in unterentwickelten, insbesondere tropischen Ländern; c) enteroinvasive E. coli-Stämme (EIEC) rufen Durchfall mit Dysenterie-(Ruhr-)ähnlichen Symptomen hervor. d) Besonders gefährlich ist die Infektion mit enterohämorrhagischen Verotoxin bildenden E. coli-Stämmen, EHEC. e) Ein neuerer Virulenz-Typ, die enteroaggregativen E.coli-Stämme (EaggEC), verursacht eine persistierende Diarrhoe bei Kindern; ähnlich ETEC produzieren sie ein ST-Toxin und ein Hämolysin-ähnliches Toxin. Erkrankungen außerhalb des Darms sind z.B. Harnblasenentzündungen, Nierenbeckenentzündungen, Hirnhautentzündungen bei Kleinkindern. Die wichtigsten, eine Diarrhoe auslösenden Toxine von E. coli sind: das hitzelabile Enterotoxin (LT), das nahe mit dem Choleratoxin verwandt ist; es enthält 2 Untereinheiten, seine relative Molekülmasse beträgt 73000. Das hitzestabile Enterotoxin (ST) ist ein niedermolekulares Peptid, das weniger gut bekannt ist. Beide Toxine werden genetisch von Plasmiden kontrolliert. Diese enterotoxinhaltigen Stämme lassen sich auf Blutagar nachweisen, da das Toxin-Plasmid auch Gene für die Bildung von Hämolysin enthält. Die Gene für das 3. Enterotoxin, ein Shiga-ähnliches Toxin (SLT, EHEC), sind auf einem temperenten Bakteriophagen lokalisiert. Die Enterotoxinbildung ist wahrscheinlich nur dann für den Menschen gefährlich, wenn die Bakterienzelle sich mit Fimbrien (Adhäsin) an die Darmschleimhäute anheften kann. Altman (S.), Bakterien (Abb.), Bakterienchromosom (Abb.), Eijkman (C.), Galactose-Operon, Genregulation; Promotor, Replikation der DNA I, Transkription – Translation.

G.S.

Lit.: Enterohemorrhagic Escherichia coli. München 1997. Piechocki, R.: Das berühmteste Bakterium. 100 Jahre Escherichia-coli-Forschung. Köln 1989.



Escherichia coli

Escherichia-coli-Zellen in einer rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme



Escherichia coli

EM-Aufnahme von Escherichia coli, kurz vor der Teilung; deutlich sichtbar die peritriche (über die gesamte Zelloberfläche verteilte) Begeißelung. Die kurzen Anhängsel (Pili) dienen dem Zellkontakt bei der Konjugation der Bakterien.

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