Lexikon der Biologie: Herzautomatismus
Herzautomatismusm, Herzautomatie, Herzautonomie, Herzautorhythmie, die Fähigkeit des Herzens, durch eigene Erregungsbildungszentren (Automatismen, Erregung) rhythmisch tätig zu werden. Die Erregung geht gewöhnlich von einem bestimmten Ort des Herzens aus, dem primären Erregungsbildungs- oder Automatiezentrum. Meist existieren noch weitere nachgeschaltete Zentren mit langsameren Arbeitsrhythmen, die nur zur Geltung kommen, wenn die schnelleren Zentren ausfallen. Die Automatiezentren können Ganglienzellen (neurogene Automatie) oder modifizierte Muskelzellen (myogene Automatie) sein (Herzmuskulatur). Neurogene Automatie: Bei den meisten Gliederfüßern wird der Herzschlag neurogen gesteuert. Auf der dorsalen Seite des Herzens liegt ein Ganglion, von dem Axone zwischen die Herzmuskelzellen ziehen. In diesem Ganglion liegen Schrittmacherneurone, die den Herzschlag meist über zwischengeschaltete motorische Neurone auslösen. (Die Lymphherzen [Lymphgefäßsystem] der Amphibien besitzen ebenfalls neurogene Automatie.) Myogene Automatie: Sie tritt bei den Herzen der Ringelwürmer, Insekten, Weichtiere, Manteltiere und Wirbeltiere auf. Die Erregung geht von den Automatiezentren aus und setzt sich von Zelle zu Zelle fort. Das primäre Automatiezentrum liegt bei den Amphibien und den Elasmobranchiern (Knorpelfische) im Sinus venosus (Sinusknoten), bei Fischen im sinutrialen Knoten, einer schmalen Region zwischen dem Sinus und dem Vorhof. An der Atrioventrikulargrenze liegt bei Fischen und Amphibien das sekundäre Zentrum, der Atrioventrikularknoten. Bei Elasmobranchiern kann der Conus arteriosus (Conus) als tertiäres Zentrum fungieren. Bei Vögeln und Säugetieren ( vgl. Abb. ) ist der Sinus venosus mit dem rechten Vorhof verschmolzen, das primäre Automatiezentrum, der Sinusknoten, liegt daher im rechten Vorhof an der Einmündungsstelle der großen Venen; es wird auch Keith-Flackscher Knoten genannt. Die Erregung greift auf die benachbarte Muskulatur über und breitet sich mit einer gewissen Verzögerung über den ganzen Vorhof aus. Die Erregung erreicht so den Atrioventrikularknoten (Aschoff-Tawara-Knoten) undläuft von hier aus über besondere, als Leitungsbahnen dienende Muskelfasern, die Hisschen Bündel, zur Herzspitze und schließlich weiter über die Purkinje-Fasern. Die Erregung überträgt sich auf die angrenzende Kammermuskulatur. Da die Leitung über die speziellen Bahnen sehr schnell erfolgt, kontrahieren sich die Muskelfasern fast gleichzeitig. Durch die verzögerte Erregungsübertragung auf den Atrioventrikularknoten setzt die Kammerkontraktion erst ein, wenn die Vorhofkontraktion abgeschlossen ist. Der Atrioventrikularknoten kann auch als sekundäres Automatiezentrum dienen, das Hissche Bündel als tertiäres. Für die durch die Automatiezentren ausgelöste Erregung sind schließlich spezielle – sowohl Liganden-gesteuerte als auch spannungsabhängige – Ionenknäle, wie sie auch in Spermienschwänzen vorkommen, verantwortlich (sog. Ih Kanäle). Sie sind insofern außergewöhnlich, als sie sich infolge einer Erhöhung, nicht einer Erniedrigung des Membranpotentials öffnen. Sie verhindern, daß sich in den Schrittmacherzellen ein stabiles Ruhepotential einstellen kann. Werden die Zellen also hyperpolarisiert (Hyperpolarisation), öffnen sich die Kanäle, und Na+-Ionen (Natrium) strömen in die Zelle, wodurch sich die negative Membranspannung allmählich verringert („Schrittmacher-Depolarisation“). Erreicht die Membranspannung etwa –50 mV (stabiles Ruhepotential –70 mV), öffnen sich spannungsabhängige Ca2+-Kanäle (Calciumkanäle) und lösen das Aktionspotential aus, was zur raschen weiteren Depolarisation und zum Verschluß der Ih-Kanäle führt. Das Aktionspotential wird durch Kaliumausstrom (Kalium) über spannungsabhängige K+- Kanäle (Kaliumkanäle) gestoppt. Durch eine erneute Hyperpolarisierung bei entsprechend negativer Membranspannung beginnt der Zyklus erneut. Substanzen, welche die Herzfrequenz steigern, wie z.B. Adrenalin, erhöhen die Konzentration von cAMP in der Zelle, welches seinerseits die Öffnung der Ih-Kanäle auslöst und damit die Aufeinanderfolge der Aktionspotentiale beschleunigt. Elektrokardiogramm, Erregung, Herznerven.
E.K./K.-G.C.
Herzautomatismus
Erregungsbildungszentren im Säugerherzen (Kammer und Vorhof geöffnet). Ak Atrioventrikularknoten (Aschoff-Tawara-Knoten), HB Hissches Bündel, Ks Kammerseptum, Lv Lungenvene, PF Purkinje-Fasern, oH obere Hohlvene, Sk Sinusknoten (Keith-Flack-Knoten), Tk Tricuspidalklappe (Segelklappe), uH untere Hohlvene
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