Lexikon der Biologie: Kernporenkomplex
Kernporenkomplex, nuclear pore complex, Abk. NPC, ein Kanalkomplex, der zwischen einem cytoplasmatischen und einem nukleären Ring in der Kernhülle (Zellkern) liegt. Er weist eine 8fache Rotationssymmetrie auf, der Außendurchmesser beträgt 120 nm, die Höhe 70 nm. Der NPC hat eine relative Molekülmasse von 125.000000 und besteht aus mindestens 50 verschiedenen Proteinen, den Nucleoporinen (Abk. NUP für nuclear pore proteins, auch NPC-Proteine). Die Poren sind sowohl cytoplasmatisch als auch karyoplasmatisch von einem Ringwulst aus jeweis 8 globulären Untereinheiten (Annulus) besetzt ( vgl. Abb. 1 und vgl. Abb. 2 ). Auf der cytoplasmatischen Seite ziehen Filamente zum NPC, die möglicherweise der Anlieferung von Transportgut dienen. Auf der nukleären Seite bilden vom Kanal ausgehende Filamente, die durch einen terminalen Ring verbunden sind, einen nukleären Korb mit unbekannter Funktion. Zwischen dem plasmaseitigen und kernseitigen Ringwulst ragen 8 Speichen – möglicherweise ausgehend von einer weiteren annulären Untereinheit – gegen das Zentrum des Porenkomplexes vor, zwischen denen sich 8 Kanäle befinden. In der Mitte aktiver Porenkomplexe befindet sich das Zentralgranulum, das wegen seiner Rolle beim Transport von Makromolekülen als „Transporter" bezeichnet wird. An den Rändern der Porenkomplexe gehen innere und äußere Kernmembran ineinander über; eine luminale Untereinheit, gebildet von einem Glykoprotein, könnte die Verankerung des Kernporenkomplexes in der Kernmembran unterstützen. Die Zahl der Porenkomplexe pro μm2, die sog. Porenfrequenz ( vgl. Tab. ), steigt mit Aktivität und Größe der Kerne an, was dem gesteigerten Bedarf des Stoffaustausches zwischen Karyoplasma (Kernplasma) und Cytoplasma entspricht. Reicht die zur Verfügung stehende Oberfläche für den Einbau der benötigten Kernporenkomplexe nicht aus, so sind Abweichungen von der sonst üblichen Kugelform des Kerns möglich (z.B. Einbuchtungen in der Oberfläche von Oocytenkernen). Die Kernporenkomplexe sind nicht gleichmäßig über die Kernhülle verteilt. Wo größere Organellen der Kernhülle anliegen, die den Stofftransport verhindern, ist die Zahl der Kernporenkomplexe verringert. Umgekehrt fehlen peripheres Heterochromatin und die Kernlamina, die den Stofftransport erschweren könnten, dort, wo sich viele Poren befinden. – Der NPC dient dem Stoffaustausch zwischen Nucleus (Zellkern) und Cytoplasma in eukaryotischen Interphasezellen (Interphase). Der Transport von Substraten erfolgt durch die zentrale Pore und durch die 8 um die zentrale Pore herum liegenden kleinen Kanäle. Kleine Ionen und Moleküle (mit relativen Molekülmassen unter 5000) gelangen wahrscheinlich durch passive Diffusion durch die kleinen, wassergefüllten Kanäle mit 9 nm Durchmesser. Der Transport z.B. von Ribonucleoproteinen erfolgt durch einen „regulierten" („gegateten") Kanal mit ca. 26 nm Durchmesser. Der Import cytosolischer Proteine erfolgt nach Bindung ihrer Kernlokalisierungssignalsequenz (Kernlokalisationssignal, Kerntransport von Proteinen) an cytosolische Rezeptoren (shuttling carrier) und Andocken an den äußeren Ring. Aktive Translokation findet durch den gegateten Kanal statt; der Rezeptor recycliert. ATP wird eventuell für die Zulieferung zum Kanal (Gating/Translokation) benötigt. Ähnlich wie der Proteinimport ist auch der Export von RNA ein Signal-abhängiger, Rezeptor-vermittelter und ATP-verbrauchender Prozeß, aber die Targeting-Mechanismen sind verschieden. Der RNA-Export hängt von der Assoziation mit Signalsequenz-haltigen Proteinen ab. – Eine Reihe von Kernporenkomplexen befindet sich in besonderen cytoplasmatischen Strukturen, den annulate lamellae, die möglicherweise der Speicherung von RNA dienen.
S.Ma./S.Kl.
Kernporenkomplex
Abb. 1: Feinbau der Kernporenkomplexe
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