Lexikon der Biologie: Notostraca
Notostraca [von *not- , griech. ostrakon = Schale der Weichtiere], Rückenschaler, Kiefenfüße, Ordnung der Phyllopoda (Blattfußkrebse). Große (bis 10 cm), altertümliche Krebstiere, deren Körper fast vollständig von einem breiten, flachen, in der Mitte gekielten Carapax bedeckt ist, der vorn direkt in die Kopfduplikatur übergeht. Der fast wurmartig bewegliche Rumpf besteht aus bis zu 40 Segmenten, die dorsal nicht mit dem Carapax verwachsen sind. Antennen und Mundwerkzeuge liegen unterhalb der Kopfduplikatur im Bereich der großen Unterlippe; beide Antennenpaare sind winzig und bestehen nur aus wenigen Gliedern. Die ersten 11 Rumpfsegmente tragen je 1 Beinpaar (Extremitäten). Am 1. Thorakopodenpaar sitzen mehrere lange, geißelartige Endite, die als Fühler dienen. Alle folgenden sind Blattfüße (Blattbeine) mit verbreitertem Exopodit und 5 medianen Enditen. Die darauf folgenden 12 (Gattung Lepidurus) oder 17 (Gattung Triops) Segmente tragen bis zu 6 ähnliche Beinpaare pro Segment, die nach hinten langsam kleiner werden. Diese Polypodie entsteht durch eine unvollkommene Segmenttrennung während der Entwicklung. Insgesamt können so bis zu 70 Beinpaare auftreten. Die letzten Rumpfsegmente sind als Abdomen beinlos; der Körper endet mit einer Furca mit langen, fühlerartigen Furcalästen. – Auch in der inneren Anatomie sind die Tiere urtümlich. Das Herz ist lang und hat 11 Ostienpaare. Der Mitteldarm gibt im Kopf verzweigte Mitteldarmdrüsen ab. Exkretionsorgane sind Maxillardrüsen, deren Kanal mit einer Windung in die Carapaxfalte zieht (Schalendrüse). Das Nervensystem ist ein langgestrecktes Strickleitersystem; das Tritocerebrum ist noch nicht dem Oberschlundganglion angeschlossen. Wichtige Sinnesorgane sind Komplexaugen und Medianaugen. Dorsal auf dem Kopfschild erkennt man 4 dunkle Flecke. Die beiden seitlichen sind in Gruben versenkte, gestielte Komplexaugen, die nahe zusammengerückt sind. Median davor liegt das Naupliusauge, das noch aus 4 Ocellen besteht, und median dahinter ein aus 2 Ocellen bestehendes Frontalorgan. Primär sind die Notostraca getrenntgeschlechtlich. Häufig ist geographische Parthenogenese. Bei Triops cancriformis fehlen Männchen in Nordeuropa, in Mitteleuropa sind sie selten, in Südeuropa und Nordafrika gibt es normale zweigeschlechtliche Populationen. Darüber hinaus finden sich bei einigen Triops- und Lepidurus-Arten Populationen mit spermienproduzierenden Hodenabschnitten im Ovar, also Zwitter. Die Ovarien münden am 11. Thorakalsegment. Die Extremität dieses Segments ist modifiziert; Exopodit und Epipodit sind gleich groß und liegen übereinander wie eine flache Dose und ihr Deckel. In diesen Eibehältern werden die Eier nach der Eiablage bis zur nächsten Häutung getragen. Die Eier können und müssen austrocknen oder einfrieren, bei manchen arabischen und nordafrikanischen Arten jahre- oder jahrzehntelang. Die Notostraca bewohnen, ähnlich wie die Anostraca, ephemere Gewässer, Schmelztümpel und Teiche, die sich in regenreichen Sommern bilden. Am Boden wühlen sie mit ihren Beinen, über die ständig metachrone Bewegungswellen verlaufen, Sediment und kleine Organismen auf, die über die ventrale Nahrungsrinne nach vorn unter die Oberlippe gebracht werden. Darüber hinaus auch räuberische Lebensweise; mit den harten Enditen können sie kleinere Organismen wie Anostraca, Chironomiden-Larven und andere zerraspeln. Beim Schwimmen im freien Wasser wird meist der Rücken nach unten gekehrt. – Nur 1 Familie (Triopsidae) und 9 bis 12 Arten, die sich auf die beiden Gattungen Triops und Lepidurus verteilen. In Mitteleuropa ist Lepidurus apus (mit Furca bis 90 mm) eine Frühjahrsform (kommt Ende Januar bis Ende Mai vor), deren Nauplien bald nach der Schneeschmelze schlüpfen und sich innerhalb weniger Wochen und über fast 40 Häutungen zum geschlechtsreifen Tier entwickeln; erträgt nur Temperaturen bis ca. 15 °C. Triops cancriformis (mit Furca bis 100 mm; vgl. Abb. ), die Sommerart, bewohnt temporäre Tümpel und Brackwasser von Mai bis Oktober.
P.W.
Notostraca
1 Dorsalansicht von Triops cancriformis (5 cm lang); die gewundenen Maxillendrüsen sind durch den Carapax sichtbar; 2 das 6. Bein von Triops cancriformis
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