Lexikon der Biologie: Spulwurm
Spulwurm, Ascaris, Gattung der Fadenwürmer, namengebend für die Familie Ascarididae und Überfamilie Ascaridoidea innerhalb der Ordnung Ascaridida. Der Spulwurm des Menschen (Ascaris lumbricoides) ist 15–25 cm (Männchen, Durchmesser 3 mm) bzw. 20–40 cm (Weibchen, Durchmesser 5 mm) groß ( vgl. Abb. 1 ). Wohl dieselbe Art kommt auch bei anderen Primaten vor (hinsichtlich Speziation anders als beim Madenwurm). Für die Spulwürmer im Schwein (Ascaris suum = Ascaris lumbricoides suum), Schaf (Ascaris ovis) und Biber (Ascaris castoris) ist noch nicht eindeutig geklärt, ob es eigene Arten oder nur „Rassen“ sind. – Die erwachsenen Tiere leben im Dünndarm. Die Eier haben eine mehrschichtige Hülle ( vgl. Abb. 1 ); sie gelangen mit dem Kot nach draußen. Dort wirkt der Luft-Sauerstoff als Stimulus für die Entwicklung ( vgl. Abb. 2 ), die innerhalb der Eischale bis zur L2 (Larve 2, umhüllt von L1-Hülle) führt; erst dann ist das Ei infektiös. Wird es mit verunreinigter Nahrung aufgenommen, so schlüpft im Darm die L2, bohrt sich durch die Darmwand hindurch und erreicht über die Mesenterialvenen die Leber (dort Häutung zur L3) und später über das rechte Herz die Lungen (dort Häutung zur L4). Schließlich wird wieder der Darm erreicht (Herz-Lungen-Passage), wo die letzte (4.) Häutung stattfindet und die Würmer geschlechtsreif werden (Spulwurmkrankheit); Geschlechtsreife 11/2 bis 2 Monate nach der Infektion (Präpatenz – Erscheinen der ersten Eier im Kot). – Der Schweinespulwurm (vgl. oben) und der Pferdespulwurm („Ascaris megalocephala“ = Parascaris equorum) waren etwa 1870 bis 1920 wichtige Standardobjekte der biologischen Forschung, z.B. von O.W.A. Hertwig (Chromosomendiminution, Entwicklungsbiologie [Geschichte der], Sammelchromosomen). – Weitere ca. 40 Gattungen der Überfamilie Ascaridoidea kommen in verschiedenen Wirbeltierklassen vor ( vgl. Tab. ). Meist läuft die Entwicklung über 1 oder 2 Zwischenwirte; beim menschlichen Spulwurm ist die Herz-Lungen-Passage ein Ersatz für die Entwicklung in einem früher in der Stammesgeschichte wohl vorhandenen Zwischenwirt. Der Mensch ist für manche Spulwurm-Verwandte Fehlwirt, z.B. nach Essen von ungekochtem Fisch: so können im „grünen Hering“ Larven von Anisakis (Heringswurmkrankheit, Anisakiasis) 1 Woche in Salzlake überleben! Toxocara. – In dieselbe Ordnung gestellt wird der Hühnerspulwurm, Ascaridia galli (Heterakis). Abwasser, Anaerobier, Darmparasiten.
Spulwurm
Abb. 1:
a Männchen, b Weibchen und c Ei. Af After, Ei Ei (optischer Schnitt), ca. 60 μm lang, mit artspezifischer Runzelung der äußeren Hülle, Ex Exkretionsporus (ventral), Mu Mund, umgeben von 3 Kopflappen („Lippen“: 1 dorsal, 2 subventral = schräg nach unten), Se Seitenlinie (durchscheinende laterale Hypodermisleiste), Sp die aus der Kloake herausragenden Spiculae am eingekrümmten Schwanz des Männchens, Vu Vulva
Spulwurm
Abb. 2: Entwicklungszyklus von Ascaris lumbricoides. Der innere Kreis zeigt die Wirte, der äußere die jeweiligen Parasitenstadien. –
Der Spulwurm ist nicht der gefährlichste (Schistosomiasis), aber der größte und zugleich häufigste Wurmparasit des Menschen (weltweit sind ca. 700 Millionen befallen; in Teilen der Mittelmeerländer 90%). Die Weibchen geben täglich 200.000 Eier ab (ca. 70 Millionen bei 1 Jahr Lebensdauer). Die Eier müssen sich im Freien entwickeln (10–50 Tage, je nach Temperatur), deshalb ist eine sofortige „Ansteckung“ oder Selbstinfektion nicht möglich (Gegensatz: Madenwurm; Enterobiasis). Die Eier bleiben jahrelang infektiös und sind resistent gegen Austrocknung, Temperaturschwankungen und sogar verschiedene Desinfektionsmittel. – Der Spulwurm frißt im Gegensatz zum Hakenwurm keine Darmzotten. Trotzdem schädigt er den Menschen, vor allem durch seine Stoffwechselprodukte, bei starkem Befall durch Darmverschluß, seltener auch durch Eindringen in Gallengänge und Blinddarm. Die Larven verursachen während ihrer Herz-Lungen-Passage nur geringere Beschwerden (Bronchitis). Gefährlich sind aber „Irrläufer“, die in verschiedenste Organe, sogar bis ins Auge, einwandern können.
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