Lexikon der Biologie: Abwasser
Abwasser, das abfließende Brunnenwasser oder Leitungswasser (Wasser), das nach häuslichem, gewerblichem oder industriellem Gebrauch verändert, insbesondere verunreinigt ist und somit nicht mehr den natürlichen, vom Menschen unbeeinflußten Verhältnissen entspricht (Schmutzwasser). Zum Abwasser wird auch das Niederschlagswasser (Niederschlag) gerechnet, das in die Kanalisation gelangt und gelöste sowie ungelöste Verunreinigungen von Dächern, Straßen und befestigtem Gelände enthalten kann. Als Mischwasser bezeichnet man eine Mischung von Schmutz- und Niederschlagswasser. Das häusliche Abwasser besteht hauptsächlich aus Wasch-, Reinigungs- und Spülwasser (Detergentien, Tenside, Waschmittel) sowie den Abflüssen sanitärer Anlagen. Die tägliche Abwassermenge pro Einwohner beträgt in Deutschland ca. 130 l (50–400 l), in denen etwa 100 g gelöste Stoffe, 60 g Sinkstoffe und 30 g Schwebstoffe enthalten sind. Der Anteil an Harn und Kot im häuslichen Abwasser beträgt ca. 50%. Ein Maß für die Schmutzmenge ist der Einwohnergleichwert. Das gewerbliche Abwasser und industrielle Abwasser, insbesondere der in Produktionsprozessen anfallende Anteil, haben eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung und sind stark von den Rohprodukten und den Verarbeitungsverfahren abhängig. Abwasser kann mit ungelösten, gelösten oder kolloidalen Substanzen anorganischer oder organischer Natur belastet sein: abbaubare, sauerstoffzehrende Abfälle (Abfall) pflanzlicher und tierischer Herkunft; Krankheitskeime ( vgl. Tab. ); organische Verbindungen, die toxisch oder schwer abbaubar (Abbau) sind; anorganische Chemikalien, besonders aus dem Bergbau und industriellen Prozessen; Metallsalze und Säuren; Sedimente (Sand, Erde, Mineralien) und radioaktive Substanzen aus natürlichen Quellen, Industrie, Medizin und Forschung. Große Mengen an Salzen, Säuren und Basen sowie toxische Substanzen (Gifte) können die biologische Klärung des Abwassers verhindern. So ist in vielen Fällen eine Vorbehandlung des Abwassers notwendig, ehe es in die Kanalisation eingeleitet werden kann. Die Belastung des Abwassers mit organischen Schmutzstoffen wird indirekt durch den biochemischen Sauerstoffbedarf und den chemischen Sauerstoffbedarf bestimmt. Zur Prüfung der Verunreinigung mit Fäkalien werden im IMViC-Test die coliformen Bakterien (Escherichia coli) nachgewiesen; weitere Testorganismen sind fäkale Streptokokken(Streptococcus) und Clostridium perfringens (Clostridien). Die Abwasserbeseitigung, d. h. die Zurückführung des Abwassers in den natürlichen Wasserkreislauf, ist nur in Ausnahmefällen durch ein direktes Einleiten in einen Vorfluter (oberirdische Gewässer: Bach, Fluß, See) möglich, wenn der Gehalt an organischen Stoffen gering und ausreichend Sauerstoff zum aeroben Abbau vorhanden ist. Die Belastung mit organischen Substanzen und Nährstoffen ist normalerweise so hoch, daß eine natürliche Selbstreinigung der Gewässer nicht möglich ist. Der vollständige Abbau der organischen Schmutzstoffe wird durch Sauerstoffmangel verhindert, so daß Fäulnis entsteht (Eutrophierung). Auch anorganische Stoffe, insbesondere Schwermetalle, können zu schwersten Umweltverschmutzungen und zu ernsten Erkrankungen des Menschen führen; es sei an die Verseuchung durch Cadmium (Itai-Itai-Krankheit) und Quecksilber (Minamata-Krankheit) in Japan erinnert. – Die Abwasserreinigung wird meist in mehreren Stufen ausgeführt, im wesentlichen durch mechanische, physikalische, biologische und chemische Verfahren in der Kläranlage. Veraltete natürliche biologische Verfahren sind die Abwasserverrieselung (Rieselfelder) und Abwasserverregnung. Abwasserbehandlung, Abwasserbiologie, Abwassertoxikologie, Abwasserteiche, Demoll (R.), Dränung, Kläranlage, Saprobiensystem, Wasseraufbereitung, Wasserverschmutzung, Wurzelraumverfahren.
G.S.
Lit.:Habeck-Tropfke, L. und H.-H.: Abwasserbiologie. Düsseldorf 21992. Hartmann, L.: Biologische Abwasserreinigung. Berlin 1983. Imhoff, K. und K.R.: Taschenbuch der Stadtentwässerung. München 271990. Lemmer et al.: Ökologie der Abwasserorganismen. Berlin 1996. Mudrack, K., Kunst, S.: Biologie der Abwasserreinigung. Stuttgart 31991. Biotechnology, Band 11a: Environmental Proces- ses – Wastewater and Waste Treatment; eds. Rehm, H.J. et al., Weinheim 21998. Voigtländer, G. (Hrsg.): Abwassertechnik. Leipzig 1995.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.