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Lexikon der Biologie: Wasser

Wasser, chemische Formel H2O, eine in dicker Schicht bläuliche, sonst farb-, geruch- und geschmacklose Flüssigkeit, die unterhalb von 0 °C in die feste Form (Eis), oberhalb von 100 °C in den gasförmigen Zustand (Wasserdampf) übergeht (Wasserkreislauf). Wasser bildet sich chemisch bei der Oxidation von Wasserstoff und wasserstoffhaltigen Verbindungen mit Sauerstoff (oder anderen sauerstoffhaltigen Oxidationsmitteln), ferner bei der Neutralisation von Säuren und Basen sowie bei zahlreichen wasserabspaltenden chemischen Reaktionen, wie z.B. bei der Bildung von Estern, Amiden, Glykosiden und Säure-Anhydriden. Im Altertum hielt man das Wasser für ein chemisches Element. Erst H. Cavendish stellte 1781 fest, daß es durch Verbrennung von Wasserstoff mit Sauerstoff entsteht. A.L. de Lavoisier lieferte dann 1783 den strengen Beweis seiner Zusammensetzung aus Wasserstoff und Sauerstoff im Volumenverhältnis 2:1 (H2O). – Aufgrund des starken Dipolmoments (Dipol) des Wassermoleküls ( vgl. Abb. ) besitzt Wasser eine hohe Dielektrizitätskonstante und zeigt für polar (Polarität) aufgebaute (hydrophile) Stoffe (darunter zahlreiche biologische Molekülklassen [Biomoleküle], wie Aminosäuren, Nucleotide, Zucker [Kohlenhydrate], Peptide, Sphäroproteine, Nucleinsäuren) ein gutes Lösungs- und Dissoziationsvermögen (Lösung, Dissoziation). Apolar aufgebaute (hydrophobe) Verbindungen (z.B. Fette) zeigen dagegen nur geringe Wasser-Löslichkeit. – Durch seine besonders hohe spezifische Schmelzwärme (333,8 J/g bei 0 °C) und Verdampfungswärme (2256,7 J/g bei 100 °C) ist Wasser für den Wärmehaushalt der Natur ein guter Wärmespeicher, der starke Schwankungen der Temperatur ausgleicht. Wasser spielt bei homoiothermen Organismen (Homoiothermie) außerdem eine wichtige Rolle bei der Temperaturregulation (Kühlung durch Verdunstung von Wasser). Da Wasser von 4 °C dichter (Dichte) ist als Eis ( vgl. Tab. 1 ), schwimmt Eis an der Wasseroberfläche (Meereis [Abb.]). Gewässer gefrieren daher von oben nach unten, was für die Erhaltung von Lebewesen in Gewässern von Bedeutung ist (Stagnation, See [Abb]). In Form von Meerwasser (Meer), Süßwasser und Eis bedeckt Wasser ca. 71% der Erdoberfläche (Erde) und ist damit die häufigste chemische Verbindung auf der Erdoberfläche ( vgl. Tab. 2 ). Ferner ist es am Aufbau der Pflanzen-, Pilz- und Tierwelt ( vgl. Infobox ) maßgeblich beteiligt. Eine normale lebende Zelle enthält etwa 80% Wasser, Pflanzen können bis zu 95%, Quallen 98%, Höhere Tiere 60–75% Wasser enthalten. Der menschliche Körper besteht zu 60–70% aus Wasser ( vgl. Tab. 3 ). Etwa 4 Volumenprozent kann die Atmosphäre aufnehmen (Feuchtigkeit) und gibt es in flüssiger (z.B. Regen) oder fester Form (z.B. Schnee) wieder ab (Niederschlag, Gletscher). Chemisch gebunden findet sich Wasser in zahlreichen Mineralien (z.B. als Kristallwasser) – Aufgrund seiner physikalischen und chemischen Eigenschaften und seines reichen Vorkommens ist Wasser das wichtigste intra- und extrazelluläre Lösungs- und Transportmittel (Körperflüssigkeiten) für die biologischen Systeme. Für die Entstehung von Leben auf der Erde war Wasser sowohl während der chemischen Evolution als auch während der biologischen Evolution essentiell (Miller-Experiment [Abb.], ä chemische und präbiologische Evolution ). Durch Wasserstoffbrücken gebunden, bildet Wasser die Hydrathülle (Hydratation, Hydratationswasser) gelöster Moleküle, besonders der biologischen Makromoleküle (Biopolymere) DNA (Desoxyribonucleinsäuren), RNA (Ribonucleinsäuren), Proteine und Polysaccharide. Wasser ist (neben Kohlendioxid) das Endprodukt der biologischen Oxidation (Atmungskette) sowie das Ausgangsprodukt der Photosynthese. Darüber hinaus bildet es sich bei zahlreiche Einzelreaktionen des Stoffwechsels (z.B. bei der Umwandlung von Apfelsäure zu Fumarsäure, bei der Bildung von Estern, Amiden und energiereichen Phosphaten [energiereiche Verbindungen]). Unter der katalytischen Wirkung von Hydrolasen ist Wasser an vielen Spaltreaktionen (Hydrolyse) des Stoffwechsels (u.a. Spaltung von Nucleinsäuren, Peptiden, Polysacchariden) beteiligt. – In der biochemischen Forschung hat neben dem natürlichen (leichten) Wasser das isotop substituierte schwere Wasser (Deuteriumoxid) Bedeutung. Hierbei ist der Wasserstoff H durch das Wasserstoffisotop D (Deuterium) ausgetauscht. Schweres Wasser (D2O) verursacht zahlreiche Veränderungen, die zur Abnahme der Stoffwechselaktivität, zu cytologischen und morphologischen Modifizierungen und teilweise sogar zum Absterben von Organismen führen können. Man nutzt die Wirkungen dieser Isotopieeffekte beim Studium der Rolle des Wassers in biologischen Systemen. Abwasser, Anaximander, Aquaporine, Bodentemperatur, Bodenwasser, Boyle (R.), Davy (H.), Gay-Lussac (J.L.), Gewässer, Grundwasser, Hydratur, Lewis (G.N.), Miller (S.L.), Wasserabgabe, Wasseraufbereitung, Wasseraufnahme, Wasserbilanz, Wasserhärte, Wasserhaushalt, Wasserpotential, Wasserstoffbrücke (Abb.), Wassertransport, Wasserverschmutzung; Dissimilation I
Dissimilation II
, Wasserhaushalt (der Pflanze) .

H.K.

Lit.: Obst, U.: Biochemische Bewertung von Wasser. Stuttgart 2001.



Wasser

1 räumliches Modell (Kalottenmodell) des Wassermoleküls, 2 Bindungsgefüge: Winkel, Abstände, Radien in nm, 3 Strukturformel; 4 Tetrahydrolstruktur des Wassers, 5 zweidimensionale Darstellung der Wechselwirkungen im flüssigen Wasser.
Über die Struktur des Wassers existieren mehrere Theorien. Bindungspolarität und gewinkelter Bau sind die Ursachen des Dipolcharakters des Wassermoleküls. Die Dipoleigenschaften (Dipol) bedingen eine gegenseitige Anziehung von Wassermolekülen. Es entstehen über eine Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen Molekülaggregate (Tetrahydrolstruktur; Abb. 4, Abb. 5). Die meisten Clusterhypothesen postulieren eine Mischung von Netzwerken 4fach verknüpfter Wassermoleküle mit monomeren Molekülen, die den Raum zwischen den Clustern ausfüllen. Die mittlere Lebensdauer eines solchen Clusters beträgt nur 10–11 s.
Der Dipolcharakters des Wassermoleküls verschafft Wasser die außergewöhnlichen Eigenschaften: hohe Schmelz- und Verdampfungswärme, hohe Wärmekapazität, Volumenausdehnung beim Erstarren (Frostsprengung), hohe Oberflächenspannung (Kapillarität), hohe Dielektrizitätskonstante und die Fähigkeit, polare, insbesondere ionische Verbindungen zu lösen (Lösung). Dieser Effekt wird verstärkt durch das ebenfalls aus der Dipolnatur resultierende Solvatationsvermögen (Solvate) des Wassers, das sowohl über Donor- als auch Akzeptoreigenschaften verfügt. Somit vermag Wasser sowohl Anionen als auch Kationen zu solvatisieren, diese zu hydratisieren (Hydratation). Damit im Zusammenhang steht die ausgesprochene Tendenz vieler Verbindungen, in wäßriger Lösung in Ionen zu dissoziieren (Dissoziation).

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