Lexikon der Biologie: Wassertransport
Wassertransport, Bezeichnung für die Weiterleitung des in großen Mengen von den jungen Wurzelteilen, insbesondere von den Wurzelhaaren aufgenommenen Wassers bis zu den Parenchymzellen der Blätter (Blatt), wo das Wasser von den gequollenen Zellwänden in den Luftraum der Interzellularen verdampft und durch Diffusion hauptsächlich über die Spaltöffnungen (Blatt [Tab.]) an die nur selten mit Wasserdampf gesättigte Atmosphäre abgegeben wird. Man unterscheidet einen extravaskulären Wassertransport, der von der Rhizodermis (Absorptionsgewebe) bis zu den Xylemsträngen im Zentralzylinder der Wurzel erfolgt, von einem vaskulären Wassertransport, der in den toten Tracheiden und Tracheen des Xylems von Wurzel, Sproßachse und Blättern stattfindet (Leitbündel, Leitungsgewebe). In der Wurzel kann das Wasser auf 2 Wegen bis zur Endodermis gelangen: zum einen diffundiert es über die Kapillarräume der Zellwände (Intermicellar- und Interfibrillärräume) bis zur Diffusionsbarriere des Casparyschen Streifens (Apoplast [Abb.]) der Endodermiszellen (apoplastischer Wassertransport), zum anderen wird es über die Rindenzellen entlang einem osmotischen Gradienten bis zu den Endodermiszellen geleitet. So zeigen die Zellen der einzelnen Zellschichten der Wurzelrinde in Richtung Endodermis eine zunehmende Konzentration an Nicht-Wasser-Teilchen in ihren Vakuolen, also ein fallendes Wasserpotential. Nach der Endodermis, durch deren Protoplasten alles aufgenommene Wasser unter selektiver Kontrolle der mittransportierten Nährsalze passiert, gelangt das Wasser bei Vorherrschen des Wurzeldrucks (s.u.) aktiv, bei Vorherrschen des Transpirationssogs (Transpiration) passiv durch Osmose in die Leitbahnen des Xylems, in denen es als kontinuierliche Wasserfäden von der Wurzel bis zu den Blättern strömt – teilweise über 10 m bis ca. 120 m (Höhe der höchsten Bäume; Sequoiadendron) hoch. Dabei stellt sich sofort die Frage nach den Antriebskräften, die das Wasser entgegen den Reibungswiderständen und entgegen dem Schwerefeld (Schwerkraft, Gravitationsbiologie) der Erde bis in solche Höhen verfrachten. Da ist einmal der Wurzeldruck zu nennen, der aber nur bei krautigen Pflanzen mit Standorten hoher Wasserdampfsättigung der Atmosphäre und im späten Frühjahr vor Austrieb des Laubs eine Rolle spielt. Man kann nämlich nach Abschneiden des Sproßteils ein Bluten der Wundfläche beobachten, bei dem Drücke von 1–2 bar entstehen. Wie diese Drücke durch aktive Transportvorgänge zwischen Endodermis und Xylemelementen des Wurzelleitbündels entstehen, ist noch weitgehend ungeklärt. Durch Vergiftung der Zell-Atmung in den Wurzeln kann man nur zeigen, daß die Wurzel dazu Energie aufwendet, daß es ein aktiver Vorgang ist. Auch reichen die beobachteten Werte des Wurzeldrucks nicht aus für einen Wassertransport über 20 m Höhe hinaus. Als entscheidende Triebkraft für den Wassertransport stellte sich eine von den transpirierenden Blättern ausgehende Saugwirkung (Transpirationssog) heraus, die physikalisch zwangsläufig durch die Wasserdampfabgabe der „wasserreichen“ Blätter an die zumeist nicht mit Wasserdampf gesättigte, „wasserärmere“ Atmosphäre zustandekommt. So hat bei 20 °C eine noch 95%ig an Wasserdampf gesättigte Luft (Feuchtigkeit [Tab.]) gegenüber einer 100%ig gesättigten Luft oder gegenüber freiem Wasser eine Dampfdruckdifferenz (Wasserpotentialdifferenz) von rund 100 bar, eine 63%ig gesättigte Luft eine solche von 600 bar und eine 50%ig gesättigte Luft eine solche von 900 bar. Schon der kleinste der genannten Potentialunterschiede ist mehr als ausreichend für einen Wassertransport bis zu 120 m Höhe einschließlich der zu überwindenden Reibungskräfte (pro bar Druckdifferenz 10 m Höhendifferenz und 0,1–0,2 bar zur Überwindung des Reibungswiderstands von 1 m Leitungsbahn). Ein Modellversuch zeigt, daß das Wasser tatsächlich über Barometerhöhe (= 10,33 m Wassersäule
760 mm Quecksilbersäule) in Kapillaren (Kapillarität) hochgesaugt werden kann ( vgl. Abb. ). Andere Versuche zeigen, daß die Zerreißfestigkeit von kapillaren Wasserfäden einen Druckunterschied von weit über 25 bar aushält, sofern eine Gasblasenbildung verhindert wird. Es wird vermutet, daß dies durch spezielle Oberflächenstrukturen im Innern der Xylemstränge recht wirksam geschieht. Dabei scheinen ähnliche Prinzipien zu wirken, die bei schnell schwimmenden Meerestieren (Haie, Delphine) die Bildung von großen Turbulenzen verhindern (Bionik). Auch sind die pflanzlichen Gefäße gegen ein Kollabieren durch Verholzung und Ausbildung von Versteifungsstrukturen stabilisiert; sie geben höchstens etwas dem Unterdruck elastisch nach. Dies kann man durch empfindliche Dendrometer messen. So verkleinert sich der Durchmesser von Zweigen, Ästen und Stamm mit zunehmender Transpiration der Pflanze, und zwar zunächst in den jüngeren Zweigen, später folgend in den Ästen und im Stamm. Die Rückgewinnung des alten Durchmessers erfolgt dagegen in der nächtlichen Transpirationspause in umgekehrter Richtung. Da die Pflanze über ihre Leitbahnen den im Vergleich zur Atmosphäre hohen Wassergehalt des Bodens (Bodenwasser) in den Luftraum mit nur geringer Erniedrigung der Wasserpotentialdifferenz durch Diffusions-, Reibungs- und stomatären Widerstand hebt, verbraucht sie selber für den Ferntransport des Wassers keine eigene Energie, sondern nutzt die letztendlich durch die Sonneneinstrahlung (Strahlungsbilanz) sich aufbauende Wasserpotentialdifferenz zwischen Boden und Luftraum dazu aus. Die Geschwindigkeiten des Wassertransports sind recht unterschiedlich ( vgl. Tab. ). Aquaporine, Assimilattransport, CHIP-Proteine, MIP-Proteine, PIP-Proteine, TIP-Proteine, Wasserkreislauf; Wasserhaushalt (der Pflanze) .
H.L./P.N.
Wassertransport
Die Kohäsionstheorie der Wasserleitung ist eine seit über 100 Jahren kontrovers diskutierte, inzwischen jedoch allgemein akzeptierte Theorie, welche die Wasserleitung von den Wurzeln zur Blattoberfläche erklären kann. Der dafür erforderliche Transpirationssog (Transpiration) ist möglich, weil die Wassermoleküle durch Kohäsion starken Zugspannungen im Xylem standhalten können. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich die Druckdifferenz verdeutlicht, die für den Wassertransport bei bis zu 110 m hohen Mammutbäumen (Sequoia sempervirens) benötigt wird und ca. 2 MPa (MPa = Megapascal = 106 Pascal; Druck) beträgt. Sie entsteht, weil in der Baumkrone ein starker Sog bzw. starker negativer hydrostatischer Druck ausgebildet wird (Kohäsionsspannung), der sich aufgrund der mechanischen Festigkeit dieser Wasserleitbahnen auf die Wassersäulen im Xylem überträgt.
Die Abb. zeigt einen Modellversuch zur Demonstration der Anhebung einer Quecksilbersäule durch Transpirationssog: Verbindet man einen verdunstenden Zweig (oder auch einen Wasser verdunstenden, porösen Tonzylinder) über eine mit Wasser gefüllte Glaskapillare mit Quecksilber, so steigt letzteres bis über 1 m hoch, also weit höher, als dies unter Vakuumbedingungen der Fall ist (= 760 mm).
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