Lexikon der Biologie: Temperatur
Temperaturw [von *temper- ], Basisgröße der Wärmelehre (Thermodynamik), eine den Wärmezustand (Wärme) von Körpern charakterisierende Zustandsgröße. Da die Temperatur sich in der Geschwindigkeit der Molekülbewegung ausdrückt (Brownsche Molekularbewegung), ist sie bestimmend für sämtliche chemische Reaktionen (Reaktionsgeschwindigkeit, Reaktionskinetik), mithin von zentraler Bedeutung für den organismischen Stoffwechsel (Stoffwechselintensität) und damit für alle Lebenserscheinungen (Leben). Die Temperatur ist einer der wesentlichen abiotischen Faktoren, der entscheidend die Lebensprozesse der Organismen beeinflußt, ihre Verteilung bedingt und zu speziellen Anpassungs- und Regulationsmechanismen geführt hat. Die Temperaturunterschiede an und in der Erdoberfläche (Erde, Klima) haben verschiedene Ursachen, u.a. die Lage des Biotops (Extrembiotope) je nach geographischer Breite und Höhe über dem Meer, die Auswirkungen der Kontinentalität, jahres- und tageszeitlicher Wechsel (Chronobiologie, Jahreszyklen), mikroklimatische Effekte (Mikroklima) oder die Tiefe im Wasser (z.B. in einem See [Abb.]) oder im Boden (Bodentemperatur). Das Wachstum und die Entwicklung der Organismen sind innerhalb einer unterschiedlichen Schwankungsbreite stark temperaturabhängig. Während eurytherme Organismen innerhalb eines weiten Temperaturbereichs leben und große Temperaturdifferenzen ertragen können, ist das Überleben stenothermer Organismen nur innerhalb eines engen Temperaturbereichs möglich. Die Verbreitung der meisten Arten hängt jedoch viel stärker von den gelegentlich auftretenden Extremwerten der Temperatur ab als von den mittleren Minimal- oder Maximalwerten (ökologische Potenz [Abb.]). Für die Mehrzahl der Organismen liegt der Bereich der Körpertemperatur, bei der ein aktives Leben möglich ist, zwischen 0 °C und 50 °C. Während oberhalb dieser Temperatur ohne besondere Anpassungen(Hitzeresistenz) die Proteine des Körpers koagulieren (Denaturierung), kommt es bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt zur Eisbildung (Eis) des zellulären und extrazellulären Körperwassers (Frostresistenz, Kälteresistenz). Im allgemeinen liegt zwischen dem artspezifischen minimalen und dem maximalen tolerierbaren Temperaturbereich das Temperaturoptimum, bei dem die Lebensvorgänge am effektivsten ablaufen (Präferendum). Bei homoiothermen Tieren (Homoiothermie) nennt man dieses Optimum auch thermoneutrale Zone, innerhalb derer keine Stoffwechselenergie zur Temperaturregulation aufgewendet werden muß. – Da das Wasser ab einer bestimmten Tiefe nur geringe Temperaturschwankungen aufweist, die auch nur langsam und stetig erfolgen, müssen die Organismen dieses Lebensraums nur wenige Anpassungen an unterschiedliche Temperaturen entwickeln. Im Gegensatz dazu sind die Temperaturschwankungen terrestrischer Lebensräume wesentlich abrupter und weniger vorhersehbar, so daß die Anpassungsmechanismen weitaus vielfältiger sein müssen. – Außer auf die physiologischen Prozesse hat die Temperatur auch Einfluß auf andere abiotische Faktoren, z.B. die Verfügbarkeit von Wasser und dem darin enthaltenen Sauerstoff, da die Löslichkeit des Sauerstoffs im Wasser mit höheren Temperaturen abnimmt. Auch die relative Luft-Feuchtigkeit ist ein wichtiger, von der Temperatur abhängiger Faktor im Leben terrestrischer Organismen, da sie mitentscheidend für den Wasserverlust des Organismus ist (schwitzen, Transpiration, Wasserdampf). Dies gilt in besonderem Maße für Tiere, die sich in Bezug auf ihren Wasserhaushalt „aquatisch“ verhalten, wie z.B. Amphibien, terrestrische Asseln, Regenwürmer oder Weichtiere. – Die Temperatur wirkt im Zusammenhang mit anderen abiotischen Faktoren auch als Stimulus auf die Entwicklung von Organismen. So benötigen manche Pflanzen z.B. eine bestimmte Kälteperiode, damit in der anschließenden Phase der Temperaturerhöhung der Wachstums- und Entwicklungszyklus beginnen kann (Vernalisation), oder es ist dazu ein Zusammenwirken zwischen Temperaturschwankungen und Photoperiode (Photoperiodismus) notwendig. Enthalpie, Entropie, extremophile Bakterien, Gefrierschutzproteine, Gradient (Abb.), heat-shock-response, Hooke (R.), Isothermen, Kälteadaptation, Kälteakklimation, Kryobiologie, Kryobiose, Réaumur (R.-A.F. de), RGT-Regel, Streß, Temperaturanpassung, Temperaturfaktor, Temperaturregulation, Temperatursinn, Thermoperiodismus, thermophile Bakterien. Temperatur , Vegetationszonen.
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