Lexikon der Biologie: Regenwürmer
Regenwürmer, erdbewohnende Oligochaeta („Wenigborster“) aus den Familien Glossoscolecidae, Lumbricidae undMegascolecidae. Die 2–60 cm langen, gelb, grün, braun, violett oder meist rot gefärbten europäischen Arten gehören vor allem den Gattungen Lumbricus (Ringelwürmer II) undAllolobophora sowie Eisenia, Eiseniella, Dendrobaena undOctoclasium an. Der größte Regenwurm und damit auch der größte Vertreter der Gürtelwürmer ist der bis 3 m lang werdende australische Megascolides australis (Megascolecidae [Abb.]). – Als feuchthäutige Landtiere leben die Regenwürmer tagsüber eingegraben im Boden und kommen erst nachts an die Oberfläche. An heißen Tagen und bei Trockenheit ziehen sie sich in tiefere, ausreichend feuchte Erdschichten zurück. Doch gehen Lumbricus terrestris und Allolobophora longa nicht über 2–3 m Tiefe hinaus, während die Gänge der im südlichen Ural beheimateten Allolobophora mariupolensis 8 m Tiefe erreichen. Längere Hitze- und Trockenperioden im Sommer und winterliche Kälteperioden verbringen die Regenwürmer zusammengerollt ( ü vgl. Abb. ) in mit Kot und Schleim ausgekleideten Erweiterungen ihrer Wohnröhre in der Tiefe (Kälte-, Hitze-, Trockenheitsstarre). Ihren Namen verdanken die Regenwürmer der Tatsache, daß man sie vor allem bei stärkeren Regenfällen (Niederschlag) an der Bodenoberfläche findet, weil sie infolge des in ihren Gängen entstehenden Sauerstoffmangels (Bodenluft) diese verlassen, dabei aber Gefahr laufen, aufgrund ihrer UV-Empfindlichkeit (Ultraviolett) innerhalb kurzer Zeit den Lichttod zu erleiden. Natürliche Feinde im Boden sind Maulwurf, Blindschleiche und Kröten, aber auch Larven von Laufkäfern sowie einige Hundertfüßer, über dem Boden viele Vogelarten. – Alle Regenwürmer sind Substratfresser (Ernährung) und ernähren sich von im Boden verrottenden organischen Stoffen, von Bakterien, Grünalgen, Pilzsporen und Protozoen. Vielfach ergreifen sie auch Fallaub und ziehen es in ihre Wohnröhre, wo es erst weicher, „gar“ werden muß, bevor sie es fressen können. Erdbrocken und organisches Material werden mit dem Pharynx aufgenommen, im Muskelmagen zerrieben und im Mitteldarm, dessen Oberfläche durch eine Längseinfaltung (Typhlosolis) beachtlich vergrößert ist, verdaut und resorbiert. Das Unverdaute wird durch den After ausgeschieden und auf der Bodenoberfläche zu den häufig turmartigen Kothäufchen geformt. Neben anorganischen Bestandteilen enthält der Kot viele im Regenwurmdarm verdaute, aber nicht resorbierte und so für andere Verbraucher aufgeschlossene Stoffe. – Die Bedeutung der zahlreichen in den oberen Erdschichten lebenden Regenwürmer (Bodenorganismen [Abb., Tab.]) für die Bodenumsetzung und Humusbildung (Humus) und folglich für den Pflanzenanbau ist beachtlich ( ü vgl. Infobox ). Auf der Suche nach Nahrung wird der Boden ständig durchwühlt, das Erdreich dabei gelockert, umgeschichtet und belüftet (Bioturbation, Bodenatmung). Jeder Wurm braucht in 24 Stunden eine Nahrungsmenge, die seinem Körpergewicht entspricht. Beim Durchgang durch den Darm werden die Bodenteilchen zerkleinert, Humusstoffe (Huminstoffe) und Tonminerale zu Ton-Humus-Komplexen verbunden (Bodenkolloide), die im Boden Krümelstruktur (Bodenentwicklung, Gefügeformen) und Wasserhaushalt begünstigen. Pro Hektar finden sich etwa 1250 kg Regenwürmer, die im Jahr zwischen 20 und 50 t Kot an die Oberfläche befördern und bis zu 25 t Mist und anderes Pflanzenmaterial in eine Tiefe von 1–1,5 m ziehen. Hinzu kommt, daß sich die Bakterien im Darm stark vermehren, so daß nicht selten der Kot wesentlich bakterienreicher ist als die Nahrung und dadurch der weitere Abbau des organischen Materials bis in seine mineralischen Bestandteile sehr gefördert wird (Humifizierung, Mineralisation). Nach Heymons (1923) enthält 1 g trockener Kleeackerboden 11.000000 Bakterien, 1 g trockener Regenwurmdarminhalt 10.000000 Bakterien und 1 g trockener Regenwurmkot 52.000000 Bakterien. Biomechanik, Exkretion, Gehirn (Abb.), Geophagie, Gürtelwürmer (Abb.), Oligochaeta (Abb.), Ringelwürmer (Abb., Farbtafel); Nervensystem I , Nervenzelle II .
D.Z.
Lit.:Peters, W., Walldorf, V.: Der Regenwurm – Lumbricus terrestris L. Eine Praktikumsanleitung. Heidelberg, Wiesbaden 1986.
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