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Objekt des Monats: Das zweite Schmuckkästchen am Südhimmel

Ein berühmtes Beispiel für einen sehr kompakten und besonders schönen offenen Sternhaufen ist das »Schmuckkästchen« NGC 4755 im südlichen Sternbild Kreuz des Südens. Der Haufen NGC 3293, den wir Ihnen hier vorstellen möchten, befindet sich ebenfalls am Südhimmel und ist ähnlich beeindruckend, jedoch weit weniger bekannt. Er lässt sich schon von den Kanaren aus sichten.
Komposition aus drei Bildern, die den offenen Sternhaufen Trumpler 14, den Kugelsternhaufen Messier 15 und die Galaxie NGC 2276 zeigt.
Jeden Monat stellen wir ein kosmisches Objekt vor, das sich mit Amateurmitteln beobachten lässt. Das kann ein Sternhaufen oder Planetarischer Nebel in unserem Milchstraßensystem oder eine weit entfernte Welteninsel sein. Diesen Monat steht der offene Sternhaufen NGC 3293 im Mittelpunkt.

Offene Sternhaufen sind Ansammlungen von bis zu einigen tausend Sternen, die aus derselben Molekülwolke entstanden sind. Sie bevölkern die Arme von Spiralgalaxien wie unserem Milchstraßensystem und stellen oft lohnende Beobachtungsobjekte dar. Das individuelle Aussehen eines offenen Sternhaufens in unserer Galaxis hängt vor allem von seinem Alter und seiner Entfernung zur Erde ab. Auch die im Haufen vorhandene Gesamtmasse spielt eine große Rolle. Meist liegt sie im Bereich von mehreren hundert bis zu einigen tausend Sonnenmassen.

Ältere offene Sternhaufen, die dem Sonnensystem nahe stehen, wirken am Himmel verstreut und haben keine sehr hellen Sterne mehr, weil die massereichen und leuchtkräftigen Haufenmitglieder ihren Brennstoff bereits verbraucht haben. Ein Beispiel dafür ist Praesepe (Messier 44) im Sternbild Krebs. Dagegen sind junge und ferne Sternhaufen noch sehr kompakt und verfügen weiterhin über ihre leuchtkräftigsten Sterne. So funkeln sie trotz der größeren Entfernung hell im Okular – sofern ihr Licht nicht vom interstellaren Staub absorbiert wird. Für eines der schönsten Exemplare machen wir dieses Mal einen Ausflug an den Südhimmel: in das Sternbild Schiffskiel (lateinisch: Carina).

Ein Haufen Edelsteine

Von allen Sternhaufen am Firmament ähnelt keiner dem bekannten »Schmuckkästchen« so stark wie NGC 3293, den Sie bei den Koordinaten 𝛼 = 10h 35,8m, 𝛿 = –58° 14′ finden können. Der australische Astronom Henry Chamberlain Russell (1836 – 1907) taufte ihn passend »Edelsteinhaufen« (englisch: gem cluster). Auf die ähnliche Gestalt der beiden begeisternden Sternhaufen weisen ebenso folgende Beinamen von NGC 3293 hin: »kleines Schmuckkästchen« und »das andere Schmuckkästchen«.

Ausgehend vom unübersehbaren Eta-Carinae-Nebel mit seinen eingebetteten Sternen finden Sie NGC 3293 nur gut zwei Grad weiter nordwestlich (siehe »Unweit von Eta Carinae«). Der extrem kompakte Sternhaufen wurde von Beobachtern des Südhimmels vor der Erfindung des Teleskops sicher als ein sternförmiges Objekt der 4. Größe angesehen. Erst Nicolas-Louis de Lacaille (1713 – 1762) hat ihn irgendwann in den Jahren 1751/1752 als Sternhaufen erkannt. Spätere Beschreibungen durch James Dunlop (1793 – 1848) und John Herschel (1792 – 1871) klingen nüchtern: »Ein schöner, heller, reicher, nicht sehr großer Haufen.« Ähnlich wirkt der Vermerk von Philibert Jacques Melotte (1880 – 1961): »Einige wenige helle Sterne bilden einen kleinen Haufen.« Keiner dieser Beobachter erwähnt den 7,2 mag hellen orangefarbenen Stern am südwestlichen Rand (CD–57 3346), und keine dieser historischen Schilderungen wird der Schönheit des Edelsteinhaufens gerecht.

Foto der Region um den rötlich erscheinenden Eta-Carinae-Nebel, in dessen Umgebung einige dichte Ansammlungen von Sternen erkennbar sind.
Unweit von Eta Carinae | Vom unübersehbaren Nebelkomplex NGC 3372 um den sehr massereichen Doppelstern Eta Carinae in der südlichen Milchstraße (Mitte) sind es nur zwei Grad zum nordwestlich gelegenen Sternhaufen NGC 3293. Dieser bildet mit drei Sternen – r, P und s Carinae – ein im Fernglas auffälliges Viereck (oben rechts). P Carinae ist der zentrale Stern des offenen Haufens IC 2581. Klaus-Peter Schröder erstellte die Aufnahme im Norden Chiles in den Voranden aus vier Belichtungen von je einer Minute mit einem 50-Millimeter-Objektiv (f/2,8) und einer Canon EOS 600D bei ISO 1600.

Nachbarschaftliche Verbundenheit

NGC 3293 befindet sich mit einer Distanz von rund 8000 Lichtjahren in beachtlicher Entfernung und ist erst etwa 10 Millionen Jahre alt. Das ist kaum länger als die Lebensdauer der ursprünglichen Molekülwolke, die sich unter dem Strahlungsdruck der jungen, heißen Haufensterne zunehmend verflüchtigt. Zur Nachbarschaft von NGC 3293 gehören unter anderem der große Eta-Carinae-Nebel (NGC 3372) und der offene Sternhaufen IC 2581. Zusammen mit diesen und weiteren Objekten ist NGC 3293 Teil der ausgedehnten Sternassoziation Carina OB1.

Wenige Beobachter dürften den mit NGC 3293 assoziierten Nebel Gum 30 visuell gesehen haben. Dieser besitzt sowohl Emissions- als auch Reflexionsanteile und wurde zuerst von Colin Stanley Gum (1924 – 1960) in seiner im Jahr 1955 veröffentlichten Liste südlicher Emissionsnebel katalogisiert. Michael Fritz konnte von Namibia aus einen schwachen, in Ost-West ausgerichteten und zirka 0,5 Grad langen Nebelhauch unmittelbar nördlich von NGC 3293 ausmachen. Dieser erkennbare Teil ist nur der hellste Bereich von Gum 30. Die Flächenhelligkeit ist vergleichbar mit den schwachen südwestlichen Ausläufern des benachbarten Eta-Carinae-Nebels. Auf lang belichteten Aufnahmen erscheint Gum 30 mit diesem Nebelkomplex im Südosten sogar verbunden zu sein.

Anblick im Amateurteleskop

NGC 3293 ist mit 4,7 mag so hell und mit einem Durchmesser von rund acht Bogenminuten derart kompakt, dass Michael Fritz ihn in einer dunstfreien Nacht von der Kanareninsel La Palma aus schon mit bloßem Auge ausmachen kann – und dies bei einer Kulminationshöhe von nur 3,5 Grad über dem Südhorizont. Im 7 × 50-Feldstecher erscheint NGC 3293 immer noch als Lichtknoten, der sich nicht in einzelne Sterne auflösen lässt. Erfahrene Beobachter können jedoch bereits erahnen, dass das nebelige Erscheinungsbild von Sternen stammt und es sich beispielsweise nicht um eine leuchtende Gaswolke oder eine entfernte Galaxie handelt. Der offene Sternhaufen markiert den südöstlichen Eckpunkt eines im Fernglas auffälligen, ungleichen Vierecks mit Sternen von etwa 4. Größe.

Wenn NGC 3293 höher am Himmel steht, bietet er bei 20-facher Vergrößerung in einem 130-Millimeter-Refraktor einen wirklich eindrucksvollen Anblick (siehe »Edelsteine im Süden«). Michael Fritz stuft ihn im Vergleich zu NGC 4755, also dem originären Schmuckkästchen, als durchaus ebenbürtig ein. Zusammen mit NGC 6231 im Sternbild Skorpion sind dies die drei am dichtesten gepackten Sternhaufen – wahre Leuchtfeuer –, die man an unserem Himmel finden kann. Bei NGC 3293 sind insgesamt nur ungefähr 40 Sterne der 7. bis 12. Größe sichtbar, aber ihre Kompaktheit und interessante Anordnung begeistern. Der Haufen verträgt selbst hohe Vergrößerungen sehr gut, sie machen ihn sogar noch prächtiger.

Die drei nebeneinanderstehenden Bilder zeigen verschiedene Ansichten des offenen Sternhaufens NGC 3293. Links ist ein Foto, auf dem man einen rötlich leuchtenden Nebel und die unterschiedlichen Farben der Sterne erkennen kann. Die meisten erscheinen weiß, ein paar eher orange. In der Mitte ist eine Schwarz-Weiß-Zeichnung des Sternhaufens, die den Eindruck eines Beobachters am Teleskop wiedergibt. Die rechte Karte, in der einige Sterne gekennzeichnet sind,  dient als Aufsuchhilfe.
Edelsteine im Süden | Von Chile aus lässt sich NGC 3293 in voller Pracht fotografieren, und auch die helleren Bereiche des Nebels Gum 30 sind als rote Schleier erkennbar (links). Alexander Voigt belichtete insgesamt 1,4 Stunden mit einer CCD-Kamera FLI ProLine PL16803 an einem Ritchey-Chrétien-Teleskop TEC 500 RC mit einer Öffnung von 50 Zentimetern (f/9,0). Die Nachbearbeitung erfolgte mit PixInsight und Photoshop. Auch im visuellen Eindruck, den Michael Fritz mit seiner Zeichnung festgehalten hat, sind viele Sterne erkennbar (Mitte). Dabei beobachtete er an seinem 13-Zentimeter-Refraktor bei Vergrößerungen von 20- bis 150-fach. Norden ist oben. Das Feld durchmisst 26 Bogenminuten. Auf der Karte (rechts) sind die hellsten Sterne markiert, die sich in Helligkeit und Farbe gut voneinander unterscheiden lassen.

Bei 150-facher Vergrößerung hat der dichte Zentralbereich einen eckigen Umriss und misst sechs Bogenminuten, wobei sich Ausläufer bis auf ein Areal von zehn Bogenminuten erstrecken, hauptsächlich in östlicher Richtung. Michael Fritz zählt nun 70 Sterne, allerdings wurden mit großen Teleskopen bis zu doppelt so viele gesichtet. Je länger man NGC 3293 betrachtet, umso stärker wird die morphologische Ähnlichkeit zu dem »echten« Schmuckkästchen.

Mit 6,5 beziehungsweise 6,7 mag sind HIP 51866 und HIP 51857 die beiden hellsten Sterne des Haufens. Sie erscheinen weiß mit einem grünlichen Hauch, der ihre hohe Temperatur verrät. Der bereits erwähnte orangefarbene CD–57 3346 ist ein Roter Überriese und der am weitesten entwickelte und somit ursprünglich wohl massereichste Stern von NGC 3293. Zwischen HIP 51866 und CD–57 3346 befindet sich der weite Doppelstern CD–57 3348, dessen 7,6 und 9,1 mag hellen Komponenten einen Abstand von 14 Bogensekunden im Positionswinkel von 109 Grad voneinander haben. Er ist auch unter der Bezeichnung »Dawson 52« bekannt. Beobachter unter einem dunklen Südhimmel kommen in diesem spannenden Milchstraßenfeld jedenfalls voll auf ihre (Reise-)Kosten.

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