Lexikon der Biologie: Polarität
Polaritätw [von *polar- ; Adj. polar], allgemein Bezeichnung für eine Asymmetrie entlang einer Raum-Achse in der Konzentration von Stoffen und/oder in der Anordnung von Struktureigenschaften zwischen 2 verschiedenen Polen eines Systems. 1)Molekulare Polarität, z.B. Unterschiede in der Ladungsverteilung (amphipathisch, Dipol, elektrische Ladung) innerhalb eines Moleküls, z.B. bei Lipiden, Proteinen, Nucleinsäuren, Kohlenhydraten und dem Wassermolekül (Wasser). 2)Morphologische Polarität, eine grundlegende Eigenschaft der lebenden Systeme (Leben). Bei Pflanzen beruht sie im wesentlichen auf einer Polarität der einzelnen Zellen (Zellpolarität), während sie bei Tieren in der Regel auf „überzellige“ Gradienten zurückzuführen ist, wobei die Polarität der einzelnen Zellen weniger stark ausgeprägt ist (Organpolarität). Zellpolarität zeigt sich z.B. in der Festlegung der Teilungsebene, in der graduellen Stoffverteilung, in der Anordnung der Zell-Organellen und in einer regional unterschiedlichen Zusammensetzung und damit unterschiedlichen physiologischen Eigenschaften der Zell-Membran. Die Orientierung von Organen (proximaler und distaler oder apikaler und basaler Pol) und die Entstehung von vorderem und hinterem Körperpol sind typische Beispiele tierischer Organpolarität. Epithelzellen können, neben der für diese charakteristischen apiko-basalen (= innen-außen-)Polarität senkrecht zur Epithelebene als weitere Polaritätsachse eine „planare Polarität“ parallel zur Ebene des Epithels aufbauen. Ausdruck der planaren Polarität sind die parallel zur Epithelebene orientierten Haare oder Schuppen der Epidermis von Insekten und Wirbeltieren. Die Entstehung von Sproß- (Sproßachse) und Wurzelpol (Wurzel) der Pflanzen ist dagegen letztlich das Resultat von Polaritäten der sie aufbauenden Zellen und geht auf den polaren Transport des Pflanzenhormons Auxin zurück, der von polar angeordneten Efflux-Carriern (Efflux) getrieben wird und die Polarität der Regenerationsfähigkeit (Wurzeln werden immer am basalen Ende eines abgeschnittenen Sproßstücks gebildet) zur Folge hat. Zellpolarität ist auch eine wichtige Voraussetzung zur arbeitsteiligen Differenzierung (Diversifizierung) in Gewebe und Organe während der Ontogenese (Embryonalentwicklung) vielzelliger Organismen, da die Kernteilung (Mitose) bis auf wenige Ausnahmen äqual verläuft (äquale Teilung). Wenn aufgrund der Zellpolarität das Cytoplasma auf die Tochterzellen ungleich verteilt wird (inäquale Teilung), gelangen die genetisch gleichen Tochterkerne in verschiedene „Milieus“, so daß in den beiden Tochterzellen unterschiedliche Gene aktiviert und damit verschiedene Zellphänotypen ausgebildet werden können (formative Teilung). Die Ursachen der Polaritätserscheinungen (der Plural ist berechtigt, denn es kann kaum eine einzige Ursache hinter den im einzelnen ganz verschiedenen polarisierten Systemen stehen) sind meistens experimentell nicht leicht zu klären, da man immer wieder findet, daß ein polarisiertes System seine Polarität seinen Produkten aufprägt. Eizellen etwa sind vielfach deswegen polarisiert, weil sie im polar gebauten Embryosack bzw. Ovar liegen, und diese Strukturen wiederum, weil sie von polar gebauten Geweben umgeben werden usw. Nur in günstigen Ausnahmefällen sind Eizellen oder Zygoten zunächst unpolarisiert bzw. labil polarisiert, und Umweltfaktoren legen erst später eine Polaritätsachse fest. Als ausrichtende Faktoren wurden z.B. der Lichtgradient, die Schwerkraft (Gravitationsbiologie) bzw. durch die Schwerkraft verursachte Stoffgradienten, das Eindringen der Spermienzelle (Spermien) und anderes gefunden. apolar, bipolar, genetische Polarität, Segmentpolaritäts-Gene, Symmetrie.
H.L./P.N./K.N.
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