Lexikon der Biologie: TCDD
TCDD, Abk. für 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-para-dioxin (2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-1,4-dioxin), Trivialname Dioxin (eigentlich Sammelbezeichnung für eine Gruppe von 75 verschiedenen polychlorierten Dioxinen, zu denen auch TCDD gehört), umgangssprachlich auch „Seveso-Gift“ genannt ( vgl. Abb. ). Dioxine zählen zu den halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoffen (Halogenkohlenwasserstoffe, Fluorchlorkohlenwasserstoffe, Chlorkohlenwasserstoffe) und sind sehr toxisch. TCDD ist das giftigste Dioxin und die giftigste Substanz, die bisher synthetisiert wurde (bereits 1 μg/kg Körpergewicht kann ein Meerschweinchen töten). Das inzwischen weit verbreitete TCDD fällt an als Nebenprodukt bei der Herstellung von Trichlorphenol und seinen Derivaten 2,4,5-T (Unkrautvernichtungsmittel) und von Hexachlorophen (Desinfektionsmittel), bei der Herstellung von Pentachlorphenol (Holzschutzmittel), polychlorierten Biphenylen (PCB) und polychlorierten Naphthalinen sowie bei der Synthese von chlorierten Benzolen und Phenolen. Überdies entsteht TCDD bei verschiedenen Verbrennungsvorgängen in Anwesenheit von Chlor (bzw. Chlorid; Chlorchemie). Das chemisch äußerst stabile TCDD hält sich besonders lang im Boden (Persistenz). Bei Lichteinwirkung wird es relativ schnell durch Abspaltung von Cl-Atomen zerstört. Im Boden wird es sehr langsam (mit Hilfe des Pilzes Phanerochaete chrysosporium) abgebaut. TCDD, das mit der Atemluft, durch die Haut und besonders mit der Nahrung aufgenommen wird, hat sich im Tierversuch als cancerogen erwiesen; doch ist bei Einhaltung des MAK-Werts und BAT-Werts kein nennenswerter Beitrag zum Krebsrisiko für den Menschen zu erwarten (Stand: 2003). Es fördert Mißbildungen (Teratogene), beeinträchtigt (bei Tieren) die Fortpflanzung und kann zu Fehlgeburten führen. Außerdem kann es akut u.a. Chlorakne, Verdauungsstörungen, Störungen von Enzym- und Nervenfunktionen, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie psychische Störungen verursachen. Über Langzeitwirkungen sehr geringer TCDD-Mengen auf den Organismus ist noch relativ wenig bekannt. Die Untersuchungen zur molekularen Wirkungsweise des TCDD führten zur Entdeckung des sog. Ah-Rezeptors (Ah-R, Abk. für Aryl-hydrocarbon-Rezeptor). Der Ah-Rezeptor ist ein lösliches, cytosolisches Protein mit einer relativen Molekülmasse von ca. 90.000, welches TCDD und andere planare, hydrophobe, halogenierte und nichthalogenierte polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (z.B. polychlorierte Biphenyle) mit hoher Affinität binden kann. Nach Bindung eines Liganden wandert der Ah-Rezeptor, wahrscheinlich unter Vermittlung eines Hilfsproteins, in den Zellkern und kann dort an spezifische regulatorische Sequenzen, die DREs (Abk. für Dioxin-responsive elements) in der Kontrollregion von Genen, z.B. Gene des Cytochrom-P-450-Systems, binden und Änderungen in der Aktivität dieser Gene bewirken. Aufgrund dieser Eigenschaften gleicht er den als Transkriptionsfaktoren wirkenden Glucocorticoid-Rezeptoren. Die negativen Auswirkungen einer TCDD-Exposition bis hin zur Erzeugung von Krebs können daher als Folge abnormaler Änderungen von Genaktivitäten unter Einfluß des mit Liganden beladenen Ah-Rezeptors interpretiert werden. Entlaubungsmittel.
TCDD
Strukturformel von 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-para-dioxin („Dioxin“). –
Am 10. Juli 1976 ereignete sich in der Chlorphenolfabrik der Chemiefirma ICMESA (Seveso, nördlich von Mailand) ein schweres Unglück. Dadurch wurden ca. 1800 ha Land mit Dioxin verseucht; mehr als 400 Kinder erkrankten an zum Teil schwerer Chlorakne, ca. 75.000 Tiere wurden vergiftet und starben bzw. mußten getötet werden. Verheerende Schäden wurden auch in Vietnam verursacht, wo von 1961 bis 1971 durch die U.S. Army TCDD als Verunreinigung des Entlaubungsmittels agent orange großflächig verteilt und die Vegetation anschließend mit Napalm in Brand gesetzt wurde. TCDD reichert sich beim Menschen im Fettgewebe an und besitzt eine Halbwertszeit von 7–10 Jahren.
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