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Lexikon der Geographie: Fernerkundung

Fernerkundung, remote sensing (engl.), télédétection (franz.), berührungsfreies Messen, Messen über Distanzen, Sammelbegriff für die Technologie der Erdbeobachtung aus dem Weltraum bzw. aus der Luft sowie für die Methoden der Verarbeitung der dabei gewonnenen Daten (digitale Bildverarbeitung, Bildanalyse). Die geographische Fernerkundung bezieht sich auf die fachbezogene Nutzung von Fernerkundungsdaten, so wie es eine forstliche, geodätische, geologische etc. Anwendung der Fernerkundung gibt. Voraussetzung für die Erdbeobachtung (Monitoring) mittels Fernerkundung war die Entwicklung der Weltraumfahrt (Satelliten) einerseits und die Entwicklung von Messgeräten (Sensoren) zur Erfassung und Aufzeichnung der Daten über den Zustand der Erdoberfläche andererseits. Eine wichtige Rolle spielte auch die technologische Entwicklung auf dem Hardware- (leistungsstarker PC oder Workstation) und Softwaresektor (Programmpakete zur digitalen Bildverarbeitung). Erst dadurch wurde den Geographieinstituten eine fragestellungsgerechte Bearbeitung von Satellitenbilddaten ermöglicht. Ob dabei die Bildverbesserung oder eine Klassifizierung angewandt wird: das Ziel ist in der Regel eine bildhafte Darstellung eines Geländeausschnittes, digital oder analog (d.h. auf dem Monitor oder als ausgedrucktes Bild). Der Breite möglicher Fragestellungen entsprechend, sind die Anforderungen der Geographen an die Auflösung der Fernerkundungsdaten sehr heterogen.
Die Erdbeobachtung kann über photographische Aufnahmen erfolgen (Luftbildfernerkundung, photographische Aufnahmesysteme), dazu zählen aus dem Flugzeug durchgeführte Bildmessflüge aber auch die Weltraumphotographie aus den frühen Jahren der russischen Erdbeobachtung. Meist aber kommen multispektrale Scanner zum Einsatz. Ihre punktbezogenen Messwerte (Pixel) liefern Rasterdaten des aufgenommenen Geländes. Bei den Erdbeobachtungssatelliten entsprechen die pixelweisen Messwerte häufig der Verschiedenartigkeit der Landoberfläche: einzelne Landnutzungsklassen reflektieren die einfallende (Sonnen-)Strahlung in spezifischer Weise, sie haben bestimmte spektrale Signaturen. Die Daten des WettersatellitenAVHRR geben im kleinen Maßstab einen synoptisch-bildhaften Eindruck und sind zugleich Messwerte, z.B. der Temperatur an der Wolken-Obergrenze ( Abb. 1). Besonders günstig sind Fragestellungen in einem regionalen, mittleren Maßstab, weil dann die Satellitenbildszenen, etwa von Landsat TM oder von SPOT), dem Betrachter eine optimale Differenzierung des Terrains und der Landnutzung bieten. Nach einer Geocodierung der Daten, d.h. nach einer geometrischen Anpassung an ein Koordinatensystem ist der Einbau von Satellitendaten in GIS -Systeme möglich. Zu starke Vergrößerungen bzw. lokale Anwendungen enttäuschten wegen der zu geringen räumlichen Auflösung. Häufig wird an Fernerkundungsdaten die Anforderung gestellt, dass Einzelhäuser und vergleichbare Details der Siedlungsstruktur einwandfrei abgebildet werden. Das gelingt bei Landsat TM nicht (Pixelauflösung 30×30 m) und auch nicht bei SPOT (Pixelauflösung 20×20 m bzw. 10×10 m), zur einwandfreien Identifizierung z.B. eines Einzelhauses bedarf es einer Auflösung von etwa 5×5 m pro Bildpunkt. Aus diesem Grund wurden höchstauflösende Aufnahmesysteme entwickelt, die geradezu vom Flugzeug aufgenommene Luftbilder ersetzen können. Ein Beispiel dafür ist das System IKONOS, welches panchromatische Rasterdaten im Bereich der 1 m-Auflösung liefert ( Abb. 2). Die Flugzeug-Fernerkundung wird aber nach wie vor dort eingesetzt, wo die weitere Erfassung von Objektdetails gefordert wird. Das gilt für den Einsatz multispektraler Scanner mit Pixelgrößen z.B. um 2×2 m (von der Flughöhe abhängig) wie auch für die Verwendung der Farbinfrarot-Fernerkundung (z.B. bei der Waldschadenserhebung, Abb. 2).
Satellitenbildszenen liefern ganzheitlich ungeneralisierte und damit vielfältige Daten über ein vergleichsweise großes Gebiet. Für Landnutzungsstrukturen und zur Kennzeichnung von Lebensräumen eignen sie sich damit sowohl für die regionalgeographische Forschung als auch für den Erdkundeunterricht (Schulgeographie) ganz hervorragend. Sie stellen neben der topographischen Karte und dem Luftbild einen weiteren spezifischen Modelltyp des Abbildes der Erdoberfläche dar. Der geographisch geschulte Interpret entnimmt dem Satellitenbild gerade wegen der ungeneralisierten Wiedergabe des Realraumes eine Fülle von Sachverhalten. Landschaftsökologische Fragen ebenso wie Formen der Raumaneignung, z.B. geomorphologische Landschaftsgenese in Räumen mit geringer Vegetationsbedeckung, können so studiert werden.
Die Sensoren der Erdbeobachtungsscanner erfassen jeweils nur Ausschnitte (Spektralbereiche) aus der elektromagnetischen Strahlung mit ihren unterschiedlicher Wellenlängen. Dabei sind Spektralbereiche aus dem sichtbaren Licht und dem längerwelligen Nahen Infrarot sowie dem Mittleren Infrarot für die Erdbeobachtung besonders bedeutend. Für die visuelle Bildanalyse ordnet man die Grauwertbilder der einzelnen Kanäle den Farben Rot, Grün und Blau (RGB) zu. In Abb. 3 sind drei Bänder einer Landsat TM-Szene übereinander gelegt: R=Band 7, G=Band 5, B=Band 4. Bei einer Landnutzungsanalyse dieser multitemporalen Daten unterscheidet sich die Frühlingsaufnahme (März) sehr deutlich von der Sommeraufnahme (August). Grund hierfür ist, dass die Vegetation, die vor allem im Nahen Infrarot reflektiert (Band 7) entsprechend dem mediterranen Witterungsablauf im Laufe des Sommers verdorrt. Diese Veränderung lässt sich sowohl für eine Klassifizierung als auch für die visuelle Bildinterpretation nutzen: Bei den Flächen, die in beiden Bildern rot sind, handelt es sich um immergrüne Vegetation wie Waldflächen, Citrushaine oder Bewässerungsanbauflächen , Flächen, die nur im Frühjahr in Nahen Infrarot reflektieren, sind Weide- oder Getreideanbauflächen und Flächen, die weder im Frühling noch im Sommer im Nahen Infrarot reflektieren, sind Felsgelände, Siedlungsflächen oder Gewässer. Bei der multitemporalen Klassifizierung ( Abb. 4) wurden beide Bilder punktgenau übereinandergelegt (Bildüberlagerung), so konnte jeder Bildpunkt aufgrund der Messwerte in den einzelnen Kanälen aus beiden Satellitenbildszenen einer multivariaten Verrechnung unterzogen werden. Diese punktweise Zuordnung zu bestimmten Landoberflächen-Typen führt zu rechnerisch ermittelten thematischen Karten. Weitere Berechnungen (Flächenanteile, Nachbarschaften, Gestaltanalysen, change detection) sind ebenso möglich wie die Nutzung der Fernerkundungsdaten bei GIS-Applikationen.
Die Anwendungsbereiche der Fernerkundung liegen in unterschiedlichen Teilbereichen der Geowissenschaften: a) Kartographie: als Grundlage von topographischen Karten und Landnutzungskarten in wenig durchforschten Gebieten, mittlere bis kleine Maßstäbe. b) Stereophotogrammetrik: Erstellung von digitalen Höhenmodellen sowie, bei höchstauflösenden Daten (z.B.: System IKONOS), Erstellung von Stadtplänen. c) Geologie und Petrographie: visuelles Erkennen von Störungs- und Zerrüttungslinien, in semiariden/ariden Gebieten Differenzierung von verschiedenen Gesteinszonen. d) Geomorphologie: visuelles Erkennen des morphologischen Formenschatzes. e) Landwirtschaft: umfangreiche Programme zu Ertragsaussichten, Anbauarten-Differenzierung, Anbau-Kontrollen in Stichproben für die EU -Agrarförderung. f) Forstwirtschaft und Global-change-Forschung: Deforestation, Desertifikation, globaler saisonaler Vegetationswandel, Waldschadensforschung.

MS

Lit: [1] ALBERTZ, J. (1991): Grundfragen der Interpretation von Luft- und Satellitenbildern. – Darmstadt. [2] LÖFFLER, E. (1985): Geographie und Fernerkundung. – Stuttgart. [3] RICHARDS, J.A. (1993): Digital Image Analysis. An Introduction. – Heidelberg.


Fernerkundung 1: Wolkenverteilung in einem AVHRR-Bild aus dem sichtbaren und infraroten Spektralbereich (hellblau: dünne Eiswolken (Cirren); weiß: Quellwolken; gelb: tiefere Wolken; grün: wolkenfreies Land) (NOAA-14 12.4.1997, 13:01 UTC).

Fernerkundung 2: IKONOS-Aufnahme von Wien als Echtfarbenkomposite mit einer Pixelauflösung 4x4 Meter.

Fernerkundung 3: Landsat TM-Szenen von Peloponnes (Argolis und Arcadia), Griechenland, in RGB-Darstellung: R=Band 7, G=Band 5, B=Band 4 (a=Aufnahmezeitpunkt: 27. März, starke rotfärbung=hoher Anteil an Vegetation im Frühling, die stark im Nahen Infrarotbereich(Band 7) reflektiert; b= Aufnahmezeitpunkt: 7.August, geringe Rotfärbung=große Teile der Vegetation sind zu diesem Zeitpunkt verdorrt, deshalb niedrigere Reflexion im Nahen Infrarotbereich).

Fernerkundung 4: Landnutzung auf den Peloponnes, Griechenland, ermittelt durch eine multitemporale Bildklassifikation. Der Merkmalsraum pro Bildpunkt besteht aus den Daten der oben abgebildeten punktgenau überlagerten Landsat TM-Szenen.
  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Geogr. Christiane Martin (Leitung)
Dipl.-Geogr. Dorothee Bürkle
Dipl.-Geol. Manfred Eiblmaier

Fachkoordinatoren und Herausgeber:
Prof. Dr. Ernst Brunotte (Physische Geographie)
Prof. Dr. Hans Gebhardt (Humangeographie)
Prof. Dr. Manfred Meurer (Physische Geographie)
Prof. Dr. Peter Meusburger (Humangeographie)
Prof. Dr. Josef Nipper (Methodik)

Autorinnen und Autoren:
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Dr. Thomas Breitbach, Köln [TB]
Dr. Heinz Peter Brogiato, Leipzig [HPB]
Prof. Dr. Ernst Brunotte, Köln [EB]
Dr. Olaf Bubenzer, Köln [OB]
Dipl.-Geogr. Dorothee Bürkle, Köln [DBü]
Prof. Dr. Detlef Busche, Würzburg [DB]
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Dipl.-Geol. Manfred Eiblmaier, Köln [ME]
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Dr. Wolf-Dieter Erb, Gießen [WE]
Dr. Heinz-Hermann Essen, Hamburg [HHE]
Dr. Heinz-Hermann Essen, Hamburg [HHE]
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Dr. Joachim Vossen, Regensburg [JV]
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Prof. Dr. Bernd Jürgen Warneken, Tübingen [BJW]
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Grafik:
Mathias Niemeyer (Leitung)
Ulrike Lohoff-Erlenbach
Stephan Meyer

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