Lexikon der Geowissenschaften: Arthropoda
Arthropoda, Gliederfüßler, der Name Arthropoda leitet sich von den gegliederten Extremitäten ab, die ein konstantes Merkmal dieser Tiergruppe darstellen. Sie dienen der Fortbewegung und Nahrungsaufnahme. Ein weiteres auffälliges Merkmal ist ihr Panzer oder Exoskelett, durch das sie auch im Fossilbereich eine gute Überlieferungsmöglichkeit haben. Die Arthropoden gehören zu den ältesten und erfolgreichsten Invertebratengruppen und weisen eine außerordentlich hohe Diversität auf. Zu ihnen zählen u.a. die Insecta, Crustacea und Chelicerata sowie die bereits ausgestorbenen Trilobita ( Abb. 1 ). Arthropoden sind im Zusammenhang mit der Ediacara-Fauna bereits aus dem Jungpräkambrium beschrieben. Viele besondere Baupläne sind gerade in den letzten Jahren aus der unterkambrischen Chenjiang-Fauna Südchinas bekannt geworden.
Heute stellen die Arthropoden 75-80% aller Arten. Man findet sie vom arktischen Bereich bis zum Äquator, in großen Höhen wie im Meer, auf dem Land und in der Luft. Arthropoden sind segmentierte coelomate, d.h. mit einer Leibeshöhle versehene Metazoa und stammen vermutlich von dem gleichen Vorfahren wie die Anneliden (Ringelwürmer) ab. Im Gegensatz zu letzteren inserieren die Muskeln der Arthropoden an dem chitinigen Exoskelett, was ihnen eine rasche Fortbewegung ermöglicht. Darüber hinaus verfügen viele Arthropoden über harte Kieferstrukturen (Mandibeln), die zum Zerreiben, Zerkleinern oder Beißen geeignet sind. Durch ihre vielfältigen Möglichkeiten hinsichtlich Fortbewegung und Nahrungsaufnahme errangen die Arthropoden einen erheblichen Selektionsvorteil gegenüber den Anneliden und konnten Nischen besetzen, die den Anneliden verschlossen blieben. Die gepanzerte Cuticula ist wahrscheinlich einer der Hauptgründe für den Erfolg der Arthropoden. Sie stellt sowohl für den Körper, als auch für die Extremitäten eine schützende Umhüllung dar. Sie fungiert einerseits als physische wie chemische Barriere zwischen Organismus und dem umgebenden Milieu, erlaubt andererseits aber gleichzeitig Atmung und Temperatursteuerung. Außerdem bietet sie einen hervorragenden Schutz gegen Räuber. Die harte Panzerung erfordert andererseits aber auch die Bildung von Gelenken zwischen den einzelnen Segmenten und den Extremitäten. Die Verbindung bildet eine dünne oder weiche Cuticula. Der Körper oder das Soma besteht aus ringförmigen Segmenten bzw. Somiten, die jeweils von der schützenden Chitinpanzerung umgeben sind. Der dorsale Teil eines solchen Körperrings wird als Tergit bezeichnet, der ventrale Teil als Sternit, die seitlichen Partien heißen Pleuren. Ursprünglich trug jedes Körpersegment ein Paar ähnlich entwickelter Extremitäten, mit Ausnahme der zu den Kopfgliedmaßen gehörenden Antennae. Bei den höher entwickelten Gruppen kam es jedoch zu einer Reduktion und einer damit verbundenen starken Spezialisierung der Extremitäten für unterschiedliche Zwecke (Nahrungsaufnahme, Bewegung, Schwimmen und Atmung). Das für die Arthropoden schwierigste physiologische Problem ist das Wachstum, da das starre Exoskelett eine körperliche Ausdehnung nicht erlaubt. Daher müssen Arthropoden ihren Panzer von Zeit zu Zeit abwerfen, um ein größeres Exoskelett zu bilden. Den Häutungsvorgang bezeichnet man als Ecdysis. Dieser Prozeß ist nicht ungefährlich, da 80-90% der Sterblichkeit bei Arthropoden auf Häutungsvorgänge zurückzuführen sind. Die unter dem alten Panzer gebildete größere Cuticula wird nach dem Abstreifen des alten Panzers durch Wasseraufnahme des Tieres prall ausgefüllt und verhärtet anschließend. Während des Häutungsvorgangs ist das Tier sehr gefährdet – durch Räuber aber auch durch Zerreißen des Körpers bei der Häutung. In der Fossilüberlieferung sind jedoch gerade die abgeworfenen Panzer (Exuvien) wichtige Dokumente, da sie einen Einblick in die Ontogenie auch bereits ausgestorbener Formen ermöglichen.
Der Arthropodenkörper gliedert sich meist in die drei spezialisierten Regionen Kopf, Rumpf und Schwanz, die in den einzelnen Gruppen mit unterschiedlichen Termini belegt sind. Bei den Trilobita bezeichnet man sie z.B. als Cephalon, Thorax und Abdomen, bei den Insecta sind es Caput, Thorax und Abdomen, und die Chelicerata gliedern sich in Prosoma (Kopf), Prä- und Postabdomen, wobei die beiden letzteren zu einem sog. Opisthosoma verschmolzen sein können. Der Kopf der Arthropoden ist aus der Verschmelzung einer variablen Segmentanzahl hervorgegangen, wobei nur die Ventralseite, d.h. die dem Boden zugewandte Seite, segmentiert ist. Die Dorsalseite bildet das nicht-segmentierte sog. Acron. Jede der größeren Gruppen innerhalb der Arthropoda zeigt eine andere Kopfstruktur. Die Unterschiede liegen in der präoralen Segmentzahl, Anzahl und Ausbildung der präoralen Extremitäten, dem Vorhandensein oder Fehlen mandibularer Extremitäten hinter dem Mund sowie der Anzahl postoraler Gliedmaßen, die der Nahrungsaufnahme dienen. Für die Systematik spielen die Extremitäten eine besondere Rolle. Ihre Anzahl, Anordnung und spezielle Ausbildung zu unterschiedlichen Zwecken sind von großer Bedeutung für die Taxonomie. Bei den Arthropoden kennt man zwei Grundtypen von Gliedmaßen: den ein- und zweiästigen Typus ( Abb. 2 ). Das zweiästige Spaltbein wird als ursprüngliche Arthropodengliedmaße angesehen und ist hauptsächlich bei aquatischen Formen vertreten. Er besteht aus einem Außenast (Exopodit) und einem Innenast (Endopodit). Der Exopodit dient zur Atmung und zum Schwimmen. Der Endopodit unterstützt die Fortbewegung. Der proximale Gliedmaßenteil besteht entweder aus dem ungegliederten Protopoditen oder dem sich aus Präcoxa, Coxa und Basis zusammensetzendem Sympoditen. Von hier können Epipodite abzweigen, die ebenfalls respiratorische Funktion haben. Der einästige Gliedmaßentypus ist v.a. bei terrestrischen Formen verbreitet.
Die Arthropoda gliedert man in vier Großgruppen, die Uniramia, Crustacea, Chelicerata sowie die im Jungpaläozoikum ausgestorbenen Trilobita. Die Uniramia (Einästler) haben lediglich einästige Extremitäten. Zu ihnen gehören die seit dem Kambrium vorkommenden Onychophora (Stummelfüßer). Bei ihnen ist der Körper zwar segmentiert, aber nicht gepanzert. Die Gliedmaßen sind mit terminalen Klauen versehen. Präoral ist nur ein Segment mit den Antennae ausgebildet. Die Gruppe umfaßt marine und terrestrische Vertreter. Die Myriapoda (Tausendfüßler) sind seit dem Karbon bekannt. Es handelt sich um ausschließlich terrestrische Formen. Bei ihnen sind drei präorale Segmente mit nur einem Extremitätenpaar, den Antennae, ausgebildet. Der größte Tausendfüßler mit 2 m Länge stammt aus Thüringen. Die Insecta sind seit dem Devon nachgewiesen. Sie haben die größte Diversität und Artenzahl aller terrestrischen Lebewesen hervorgebracht. Anzahl der präoralen Segmente und Extremitätenpaare entsprechen denen der Myriapoda. Die zweite große Arthropodengruppe, die Crustacea, tritt seit dem Kambrium auf. Innerhalb der Arthropoden sind sie die erfolgreichste Gruppe sowohl im marinen wie im Süßwasserbereich ( Abb. 3 ). Typisches Crustaceenmerkmal sind der aus sechs Somiten bestehende Kopf. Abgesehen von dem sog. präantennularen Segment ist jedes Segment durch ein Extremitätenpaar charakterisiert. An den Segmenten zwei und drei inserieren das erste und zweite Antennenpaar, die präoral liegen. Die folgenden drei Somite tragen Extremitätenpaare, die zur Nahrungsaufnahme spezialisiert sind (Mandibeln, erste und zweite Maxillen). An den Kopf schließen sich Thorax und Abdomen an. Letzteres bezeichnet man auch als Pleon. Das letzte Abdominalsegment ist das Telson. Es endet vielfach gegabelt als sog. caudale Furca. Thorax und Abdomen sind durch die Anzahl und Funktion der jeweiligen Extremitätenpaare charakterisiert. Der Thorax kann jedoch auch mit dem Kopf zu einem sog. Cephalothorax verschmelzen oder sich in unterschiedlichem Ausmaß nach hinten fortsetzen. Die Crustaceengliedmaße geht prinzipiell auf den zweiästigen Spaltfuß zurück ( Abb. 2 ). Bis auf einige primitive Formen sind die Extremitäten aber hoch spezialisiert, was zu fundamentalen Unterschieden zwischen den einzelnen Crustaceenklassen geführt hat. Die drei postantennalen Gliedmaßenpaare werden jedoch weitgehend bis ausschließlich zur Nahrungsaufnahme benutzt. Die Mandibeln haben sog. Gnathobasen, d.h. Verbreiterungen nach innen zu, so daß sie bei den Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen der Extremitäten die dazwischenliegenden Nahrungspartikel zerkleinern können. Die Reduktion der Extremitätenanzahl, verbunden mit ihrer Spezialisierung, hat dazu geführt, daß die gleichen Gliedmaßen in Abhängigkeit vom Lebensstil sehr unterschiedlich aussehen können. Umgekehrt können sich dagegen unterschiedliche Gliedmaßen auf Grund ihrer Funktion außerordentlich ähneln. Als Sondererwerb der Crustaceen ist der Carapax zu nennen, eine Hautduplikatur, die einen Panzer ausbildet, und die sich vom Kopf über den Rücken und die Seiten des jeweiligen Tieres erstreckt. Der gepanzerte Carapax kann schildförmig ausgebildet sein, wie z.B. bei vielen Branchiopoden, oder als zweiklappiges Gehäuse wie bei den Ostracoda und den zu den Branchiopoda (Blattfußkrebse) gehörenden Conchostraca. Von den Unterklassen ( Abb. 3 ) sind die folgenden Gruppen fossil von Bedeutung: Die sog. Rankenfüßer (Cirripedia) repräsentieren sessile Crustaceen. Sie sind mit dem Kopfende festgewachsen, und ihr Körper ist rundum mit Kalkplatten bedeckt. Vom Obersilur an sind die Thoracica bekannt, zu denen die Seepocken und Entenmuscheln gehören. Balanus ist einer der bekanntesten Vertreter dieser Gruppe. Er besitzt ein Gehäuse aus sechs fest verbundenen Kalkplatten auf einer kalkigen Basis. Er kommt seit dem Oligozän vor. Die am höchsten differenzierten Crustaceen vereinigen sich in der Gruppe Malacostraca. Zu ihnen gehören auch die großwüchsigsten Formen wie Hummer und Krabben. Obwohl das äußere Erscheinungsbild sehr heterogen ist, zeigen alle Malacostraca eine konstante Segmentzahl ihres Körpers. Unter Einschluß von Acron und Telson beträgt sie 21 ( Abb. 4 ). Als weiteres konstantes Merkmal umhüllt der Carapax meist auch den Thorax, es sind zweiästige erste Antennen sowie bewegliche Stielaugen ausgebildet. Die erste Radiation erfolgte im Karbon. Die seit dieser Zeit bekannten Syncarida sind Süßwasserbewohner und haben einen ziemlich gleichförmig segmentierten Körper, allerdings ohne einen gepanzerten Carapax. Decapoden (Zehnfußkrebse) sind seit dem Devon belegt, werden aber erst im Mesozoikum häufiger. Sie entwickeln sich von schwimmenden zu kriechenden Formen, wobei der Körper eine Tendenz zur Verkürzung zeigt. Zu den Decapoden gehören auch die seit Jura bekannten Kurzschwanzkrebse (Brachyura), die heute mehr als die Hälfte der Decapoden-Arten stellen. Die Anomuren mit ventralwärts gekrümmtem Abdomen sind noch stärker abgeleitete Malcostraca. Zu ihnen gehören u.a. die Thalassinoidea (z.B. Callianassa). Sie wühlen umfangreiche horizontale Tunnelsysteme, die als Spurenfossilien überliefert sein können, und leisten damit einen erheblichen Beitrag zur Bioturbation. Phyllocariden ( Abb. 4 ) zeichnen sich durch eine bewegliche Rostralplatte am Kopf aus. Diese Gruppe ist eine rein rezente Malacostrakengruppe. Die fossil als Archaeostraca bekannten Phyllocariden-ähnlichen Formen, die vom Kambrium bis in die Trias nachgewiesen sind, gehören auf Grund spezifischer Weichkörpermerkmale vermutlich nicht in die gleiche Gruppe wie die rezenten Phyllocariden. Die Chelicerata sind seit dem Kambrium bekannt. Innerhalb dieser Gruppe unterscheidet man die aquatischen Merostomata und die vorwiegend terrestrischen Arachnida (Spinnentiere und Skorpione). Die Merostomata gehören zum Flachwasserbenthos und sind gegenüber Salinitäts- und Temperaturschwankungen außerordentlich resistent. Die Kopfregion ist halbkreisförmig und besteht aus sechs Segmenten. Dorsal ist ein einheitliches Panzerstück ausgebildet. Die Cheliceren (Scheren) sind das erste der sechs Gliedmaßenpaare. Von den folgenden fünf Extremitätenpaaren sind die Beine am Prosoma (Vorderende) stabförmig, am Vorderteil des Opisthosomas blattförmig ausgebildet. Das letzte Beinpaar ist oft ein verbreitertes Paddel, kann aber auch einen Fächer aus Schiebeblättern bilden. Die seit dem Kambrium bekannten Xiphosura, zu denen auch die rezente Gattung Limulus ( Abb. 5 ) zählt, hatten nur schwach verkalkte Panzer und sind dadurch selten erhalten. Auch Extremitätenfunde sind nur vereinzelt bekannt. Vom Ordovizium bis Perm lebten sowohl im Süßwasser wie im marinen Bereich große Wasserskorpione, die Eurypterida. Morphologisch ähneln sie den terrestrischen Skorpionen, sie sind mit ihnen aber nicht sehr nahe verwandt. Der Eurypteridenpanzer war anscheinend wesentlich stärker mineralisiert als derjenige der Xiphosuren. Eurypteriden sind meist auch mit Gliedmaßenresten erhalten. Im Jungpaläozoikum sind die Eurypteriden schwerpunktmäßig im brackisch-limnischen Bereich vertreten. Die Spinnentiere und Skorpione (Arachnida) sind seit dem Silur bekannt. Sie sind grundsätzlich durch acht Laufbeine charakterisiert. Das erste Gliedmaßenpaar sind die sog. Cheliceren, das zweite Paar (Pedipalpen) bildet Taster. Unter den Arachniden gibt es nur wenige marine Formen, die ganz überwiegende Anzahl ist terrestrisch. Fossil überlieferte Spinnen trifft man vereinzelt bereits im Devon (Rhynie Cherts, Schottland) an, womit auch die Lungenatmung von diesen Zeitpunkt an belegt ist. Viele Fossildokumente kennt man dagegen aus dem tertiären Bernstein. [IHS]
Literatur: [1] CLARKSON, E.N.K. (1993): Invertebrate Palaeontology and Evolution. [2] FORTEY, R.A. & THOMAS, R.H. (1998): Arthopod Relationships. [3] HOU XIANGUANG & BERGSTRÖM, J. (1997): Arthropods of the Lower Cambrian Chenjiang fauna, southwest China. – Fossils & Strata 45. [4] LEHMANN, U. & HILLMER, G. (1997): Wirbellose Tiere der Vorzeit.
Arthropoda 1: Großgruppen der Arthropoden. Arthropoda 1:
Arthropoda 2: Arthropodengliedmaße: a) zweiästiges Spaltbein mit Exopodit und Endopodit, b) einästige Extremität (1 = Coxa, 2 = Trochanter, 3 = Femur, 4 = Tibia, 5 = Tarsus, 6 = Prätarsus). Arthropoda 2:
Arthropoda 3: Die Unterklassen der Krebse und ihre vermutlichen verwandtschaftlichen Beziehungen. Arthropoda 3:
Arthropoda 4: Körpergliederung bei malacostraken Crustaceen am Beispiel eines rezenten Phyllocariden. Arthropoda 4:
Arthropoda 5: Limulus, rezent. a) Ventralansicht, b) Dorsalansicht. Arthropoda 5:
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.