Lexikon der Geowissenschaften: Reaktionsmodelle
Reaktionsmodelle, mathematische Gleichungssysteme zur Simulation, Diagnose und Prognose der räumlichen und zeitlichen Verteilung von z.B. atmosphärischen Spurenstoffen. Die globale Verteilung eines Spurenstoffes hängt von seiner Produktion bzw. Zerstörung durch chemische Reaktionen sowie von den Transportprozessen infolge der atmosphärischen Zirkulation ab (z.B. die Ozonverteilung). Beide Aspekte sind in der realen Atmosphäre sehr variabel. Eine exakte detaillierte Simulation der physikalisch/ chemischen Bedingungen in der realen Atmosphäre mit chemischen Reaktionsmodellen ist deshalb auch bei Einsatz der größten vorhanden Rechnerleistung derzeit nicht möglich. Durch sinnvolle Mittelung und geeignete Vereinfachungen (Parametrisierung) der wichtigsten chemischen Reaktionen und dynamischen Transportprozesse können jedoch mit verschiedenen Modellversionen unterschiedliche Fragestellungen untersucht werden. a)Nulldimensionale Modelle (Box- oder Kastenmodelle) nehmen an, daß die Spurenstoffe in einem Luftvolumen homogen verteilt sind ( Abb.). Die Modelle simulieren die zeitliche Änderung der Konzentrationen durch die photochemischen Reaktionen in der Box sowie die Stoffflüsse durch die Wände der Box (z.B. durch Advektion, Emission, Deposition). Box-Modelle werden einerseits als Eulersche Modelle zur Simulation der Bedingungen an einem festen Ort (Meßstation), andererseits als Lagrangesche Modelle zur Untersuchung der chemischen Umsetzungen in einem Luftvolumen, das sich mit der Strömung bewegt, eingesetzt. Im letzten Fall bleibt der Einfluß der advektiven Flüsse durch die Wände der Box unberücksichtigt, der Effekt von Emissionen oder Deposition jedoch erhalten. b) Eindimensionale Modelle (1-D) werden verwendet, um die Auswirkung chemischer Prozesse auf die Vertikal- oder die Breitenverteilung von Spurenstoffen zu untersuchen. Transport erfolgt nur durch turbulente Diffusion (großskalige Turbulenz), die Advektion bleibt unberücksichtigt. Diese Vereinfachung der Transportprozesse erlaubt ebenfalls eine sehr detaillierte Behandlung der chemischen Prozesse. c) Zweidimensionale Modelle (2-D) werden zur Simulation der meridionalen Verteilung (Meridionalschnitt) von Spurenstoffen eingesetzt. Da die zonale Strömung in der Atmosphäre im allgemeinen stärker ist als die meridionale, kann der Transport durch das zonal gemittelte Windfeld parametrisiert werden. Dadurch wird allerdings der Einfluß von Emission und Deposition, die starke zonale Variationen aufweisen können, unterdrückt. Die Modelle werden deshalb vorwiegend zur Untersuchung der stratosphärischen Spurenstoffverteilung eingesetzt. Zur Reduzierung des numerischen Rechenaufwandes werden die Gleichungen für den Transport und die chemischen Reaktionen nicht für alle Spurenstoffe einzeln, sondern (z.B. im Fall der Radikale und Reservoirgase) für eine Spurengasfamilie formuliert. Die meridionale Verteilung der reaktiven Komponenten wird in Abhängigkeit von den photochemischen Bedingungen (ähnlich wie in einem Box-Modell, s.o.) im Wechsel mit den Transporteffekten in regelmäßigen Zeitschritten errechnet. d)Dreidimensionale Modelle (3-D) erfordern den größten Rechenaufwand aller chemischen Reaktionsmodelle. Zur vollständigen Beschreibung der atmosphärischen Spurenstoffverteilung müssen in einem Zirkulationsmodell zusätzlich mehr als 150 photochemische Reaktionen zwischen über 50 verschiedenen Spurengasen berücksichtigt werden. Entsprechende Modelle sind allerdings in Entwicklung und werden mit der kommenden Generation von Großrechnern auch operationell eingesetzt werden können. Als Kompromiß werden solche Modelle als sog. gekoppelte Modelle bisher mit den Daten der operationellen meteorologischen Zirkulationsmodelle initialisiert. [USch]
Reaktionsmodelle: Boxmodell der atmosphärischen Chemie. Reaktionsmodelle:
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