Lexikon der Geowissenschaften: Wasserkreislauf
Wasserkreislauf, hydrologischerKreislauf, Wasserzirkulation, vereinfacht der Weg des Wassers, den es vom Meer über die Verdunstung, den atmosphärischen Wasserdampftransport und den Niederschlag zum Land sowie über die Flüsse zum Meer nimmt ( Abb. 1). Durch diesen Wasserkreislauf wird jedoch nicht die Hauptmasse des Wasserumsatzes erfaßt. Dieser geht vielmehr über dem Meer selbst vor sich, wobei der größte Teil des verdunstenden Wassers als Niederschlag auf das Meer zurückkehrt. Nur ein verhältnismäßig geringer Teil des Wassers wird zwischen Meer und Landflächen ausgetauscht. Der Umsatz über den Landflächen ist etwas größer, aber erreicht bei weitem nicht denjenigen über dem Meer. Für den Menschen ist der Wasserumsatz über dem Land besonders wichtig, weshalb er meist für sich betrachtet wird. Der Wasserkreislauf über den Landflächen ist komplizierter. Er teilt sich in ungezählte Einzelkreisläufe auf, die sowohl zeitlich als auch räumlich verschiedene Werte annehmen. Der Wasserkreislauf selbst besteht aus vielen Teilprozessen ( Abb. 2).
In der Atmosphäre ist Wasser in gasförmiger Phase als Wasserdampf vorhanden. Dieser wird ständig durch neu in die Atmosphäre eintretenden Wasserdampf durch den Verdunstungsprozeß vermehrt. Nach Erreichen oder Überschreiten eines von der Temperatur abhängigen Sättigungswertes kommt es beim Vorhandensein von Kondensationskernen zur Bildung von Wasserdampf in der Atmosphäre. Es bilden sich Wassertröpfchen oder Eiskristalle, die sich bis zu einer gewissen Größe schwebend in Form von Wolken oder Nebel in der Atmosphäre halten (Niederschlagsbildung). Durch Wind kann das in der Atmosphäre entweder in gasförmiger, flüssiger oder fester Phase befindliche Wasser über größere Strecken transportiert werden, wobei die mittlere Verweilzeit des Wassermoleküls in der Atmosphäre etwa neun Tage beträgt. Nach Erreichen einer gewissen Tropfen- oder Kristallgröße gelangt das Wasser aus der Atmosphäre in Form von festen oder flüssigen Niederschlägen auf die Landflächen zurück. Das Niederschlagswasser trifft zunächst, wenn keine Überbauung, nackter Erdboden oder Felsflächen vorliegen, auf die Vegetationsdecke, wo ein Teil des Niederschlages zurückgehalten wird (Interzeption) und von dort entweder direkt wieder verdunstet (Interzeptionsverdunstung) oder zum Teil verzögert auf den Erdboden gelangt (Stammabfluß, abtropfender Niederschlag, Abflußbildung).
Nach Erreichen des Erdbodens versucht das Niederschlagswasser nach Durchfeuchtung der Bodenoberfläche in den Boden einzudringen (Infiltration). Dieser Prozeß hängt im wesentlichen von dem Wasseraufnahmevermögen und der Durchlässigkeit der Böden sowie der Vegetation ab. Ist die Niederschlagsintensität größer als die Infiltration, kommt es, wenn es die örtlichen Gefälleverhältnisse erlauben, zum Fließen über dem Boden (Oberflächenabfluß). Dieses oberflächlich abfließende Wasser erreicht meist, dem Weg des größten Gefälles folgend, den nächsten Bachlauf oder Fluß (Vorfluter) mit geringer Zeitverzögerung. Der Oberflächenabfluß ist um so größer, je höher die Niederschlagsintensität, je länger die Niederschlagsdauer, je größer die örtlichen Gefälleverhältnisse und je geringer das Infiltrationsvermögen des Bodens ist. Meist treten hohe Niederschlagsintensitäten bei sommerlichen Starkregen nur lokal auf. Dabei kann es in bergigen oder gebirgigen Gegenden örtlich kurzzeitig zu einer großen Ansammlung von Wasser im Flußlauf kommen (Abflußprozeß). Das Infiltrationsvermögen des Bodens wird durch Gefrieren des Bodens sehr stark herabgesetzt. Daher kann es nach kalten Winterperioden in Verbindung mit Schneeschmelze und Regen zu großem Oberflächenabfluß kommen, was an den Flüssen oft zu Hochwässern katastrophalen Ausmaßes führt. An der Oberfläche kann das Niederschlagswasser an Pflanzenoberflächen (Interzeption) oder in flachen Gebieten in kleineren Mulden oder Senken kurzzeitig gespeichert werden. Hier wirken dann die klimatologischen, die Verdunstung bestimmenden Elemente wie Strahlung, Lufttemperatur, Bodentemperatur (Erdbodentemperatur), Sättigungsdefizit der Luft und Windgeschwindigkeit auf das Wasser ein. Je größer diese sind, desto größer ist der Verdunstungsverlust, den das Wasser an der Oberfläche erfährt. Auch spielt die Vegetationsart eine Rolle. Wälder vermögen z.B. ein wesentlich größeres Niederschlagsvolumen zu speichern als Grasländer.
Größere Wassermassen können über längere Zeitabschnitte auf der Erdoberfläche in Form von Schnee und Eis gespeichert werden, wenn die Lufttemperatur unter dem Gefrierpunkt liegt. Bei etwas darüber liegenden Lufttemperaturen vermag eine Schneedecke auch Niederschläge in Form von Regen zu speichern. Wasserverluste von Schnee- und Eisflächen durch den Verdunstungsprozeß sind zwar vorhanden, jedoch in den mittleren Breiten meist nur von geringer Bedeutung, da die Verdunstung in den Wintermonaten wegen der geringen Einstrahlung und der daraus folgenden niedrigen Lufttemperatur gering ist. Schnee- und Gletscherschmelze hängen im wesentlichen von der Lufttemperatur ab. Ferner können größere Wassermassen an der Oberfläche in natürlichen und künstlichen Seen gespeichert werden. Hier treten hohe Verluste durch Verdunstung besonders in den Sommermonaten auf.
Nach der Infiltration in den Erdboden füllt das Niederschlagswasser zunächst die Bodenwasservorräte wieder auf. Überschüssiges Wasser wird in tiefere Bereiche abgeleitet. An der Bodenoberfläche erleidet das Wasser wieder Verluste durch den Verdunstungsprozeß (Bodenverdunstung). Dabei können die hier entstehenden Wasserverluste teilweise durch kapillar aufsteigendes Wasser ausgeglichen werden. Die Höhe dieser Verluste hängt von der Größe der aufgrund klimatologischer Bedingungen möglichen maximalen Verdunstung (potentielle Verdunstung), den im Boden vorhandenen Wasservorräten, der Wasserleitfähigkeit (Wasserdurchlässigkeit) der Böden und der Tiefe des Grundwasserspiegels ab. Ferner vermögen die im Erdboden vorhandenen Pflanzenwurzeln Wasser aus dem Boden aufzunehmen (Wurzelabsorption) und durch das Pflanzensystem an die Blattoberfläche zu transportieren, wo es verdunstet (Transpiration). Die Höhe des Wasserverlustes hängt neben der potentiellen Verdunstung und dem im Boden verfügbaren Wasservolumen auch von der Pflanzenart ab. Beim weiteren Eindringen des Wassers in den Boden gelangt das Wasser entweder in das Grundwasser (Grundwasserneubildung) oder an weniger durchlässige Schichten. An letzteren wird es zunächst gestaut und bewegt sich unter dem Einfluß der Schwerkraft und dem Potentialgradient parallel zu der weniger durchlässigen Schicht dem Weg des größten Gefälles folgend (Zwischenabfluß). Dabei fließt es oft hangparallel und tritt entweder zeitlich verzögert an der Oberfläche oder in einem Vorfluter wieder aus oder es erreicht das Grundwasser (Abflußprozeß, Abflußkonzentration).
Hat das Wasser entweder direkt oder teilweise über den Zwischenabfluß den Grundwasserspeicher erreicht, bewegt es sich dem größten Gefälle des Grundwasserspiegels folgend, als Grundwasserabfluß dem Vorfluter zu und trägt zur Bildung des Durchflusses im Vorfluter bei. Die zeitliche Verzögerung hängt dabei weitgehend von dem geologischen Aufbau des Gebietes, den damit zusammenhängenden unterirdischen Gefälleverhältnissen und den Durchlässigkeiten der Böden und Schichten im Untergrund ab.
Nach Ein- bzw. Austritt des Wassers in den Vorfluter folgt es dem größten Gefälle und es kommt zur Bildung des Abflusses im offenen Gerinne. Hier bewegt es sich, dem Gefälle folgend, dem Meer oder einem See zu. Auf dem Weg dorthin trifft neues Wasser hauptsächlich aus Nebenflüssen einmündend hinzu. Das sich im Gerinne bewegende Wasser steht mit dem unmittelbaren an dem Wasserlauf angrenzenden Untergrund in Wechselbeziehung, wobei sowohl zeitlich befristet als auch ständig ein Wasserzustrom zum Vorfluter aus dem benachbarten Grundwasserspeicher vorhanden sein kann. Umgekehrt finden auch Abgaben von Flußwasser an das Grundwasser statt. Häufig tritt ein solcher Verlust während des Wasseranstiegs bei Hochwasserwellen ein (Uferspeicherung). Beim Fallen des Hochwasserdurchflusses fließt das kurzfristig gespeicherte Wasser wieder in den Vorfluter zurück. Ferner ist es möglich, daß das am Kreislauf teilnehmende Wasser, wenn auch nur in geringen Maßen, in tiefere Schichten gelangt und dort über längere, z.T. geologische Zeiträume gespeichert und somit dem Wasserkreislauf entzogen wird (Tiefenversickerung). Das in geologischen Zeiten gespeicherte Wasser kann durch geologische Prozesse oder anthropogene Eingriffe (z.B. Bergbau) reaktiviert werden, um wieder an dem Wasserkreislauf teilzunehmen. Nicht alles einem Einzugsgebiet entstammende Wasser verläßt das Gebiet oberirdisch als Abfluß. Im Untergrund können unbekannte Wassermassen einem Gebiet zu- (Grundwasserzufluß) oder abfließen (Grundwasserabfluß).
Im Kernprojekt „Biospheric Aspects of the Hydrological Cycle” (BAHC) des Internationalen Geosphären-Biosphären Programmes (IGBP) werden die Wechselwirkungen zwischen Biosphäre einerseits und regionalem und globalem Klima sowie dem Wasserkreislauf und den Wasservorräten andererseits unter dem Einfluß von Landnutzungsänderungen und Änderung der Zusammensetzung der Atmosphäre untersucht. anthropogener Wasserkreislauf. [HJL]
Wasserkreislauf 1: schematische Darstellung des Wasserkreislaufes der Erde. Wasserkreislauf 1:
Wasserkreislauf 2: Kreislauf des Wassers über den Landflächen. Wasserkreislauf 2:
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