Lexikon der Kartographie und Geomatik: Mondkarte
Mondkarte, E map of the moon, moon chart, maßstäbliche Darstellung des Reliefs und der Beschaffenheit der Oberfläche des Erdmonds auf einer Kartennetzgrundlage. Über die mit bloßen Augen ohne Hilfsmittel erkennbaren Strukturen hinaus wurden bei Fernrohrbeobachtungen Objekte der Mondtopographie erkannt, die durch Freihandzeichnungen zu Kartenbildern meist in der gewohnten Sehweise als Parallelprojektion führte. In dieser perspektiven Abbildung ist die Fläche bei 3476 km mit 9,84 Mio. km2 nur halb so groß wie eine flächentreue Verebnung einer Halbkugel (18,97 Mio. km2). Die gesamte Mondoberfläche beträgt mithin 37,94 Mio. km2, was in 1 : 1 Mio. knapp 38 m2 (gegenüber 510 m2 einer entsprechenden Erdkarte) und bei 1 : 10 Mio. 38 dm2 entspricht.
Bereits G. Galilei fügte seiner "Nuncius Sidereus" (Venedig 1610) fünf Mondkarten und Teleskopbeobachtungen bei; in Deutschland folgte eine Mondkarte von Chr. Scheiner 1614 (beide Holzschnitte). Bedeutung erlangten dann die Beiträge zur Selenographie von M.F. van Langren mit Mondkarte "Lumina Austriaca Philippica" von 34,4 cm (Brüssel 1645). Die von F.M. Grimaldi auf seiner Mondkarte (Bologna 1651) von 28 cm benutzte Nomenklatur wird großenteils bis heute benutzt. Die wesentlich größere Mondkarte von J.D. Cassini, am Fernrohr gezeichnet 1671-79, gestochen von C. Mellau 1780 in Paris, ist wesentlich genauer und zeigt große Mondformationen in genähert richtiger Kraterdarstellung. J.T. Mayer schuf um 1750 erstmals zwei Mondkarten mit einem Koordinatennetz in orthographischer Projektion (publiziert 1775); er wurde damit zum Begründer der deutschen Schule der Selenographie. J.H. Schröter arbeitete ab 1780 an einer Mondkarte von 116 cm , die unvollendet als "Selenotopographische Fragmente ... sammt den dazu gehörigen Specialcharten und Zeichnungen" 1791 und 1802 im Druck erschien. W.G. Lohrmann teilte seine Mondkarte in XXV Sektionen. Die erste Lieferung erschien als "Topographie der sichtbaren Mondoberfläche" (Dresden und Leipzig 1824). Die große "Mondcharte von W.G. Lohrmann" (97,5 cm = 3 Par. Fuß) wurde erst 1878 von J.F.J. Schmidt vollendet. Gleiche Größen besitzen die etwa zeitgleich entstandenen beiden Mondkarten von J.H. Mädler und W. Beer. Bei allen diesen Karten konnten Gestalt, Größe und Lage der erkannten Objekte nur genähert lagerichtig zu Papier gebracht werden, die relativen Höhen grob nach den Schatten abgeschätzt zeichnerisch modelliert wiedergegeben werden. Für einzelne Erhebungen wurden die Höhenunterschiede auch schon exakter bestimmt. Auffällig bei den älteren Mondkarten ist die zeitliche Versetzung von Beobachtung mit Kartierung und Veröffentlichung der Karte.
Nach frühen Versuchen entstanden Ende des 19. Jhs. mehrere große Mondatlanten
Aus einer Kombination von visueller Beobachtung und Photos entstand die "Lunar Astronautical Chart (LAC)" 1 : 1 Mio. in 144 Blättern in mehrfarbiger Darstellung in Höhenlinien und Reliefschummerung, eingetragen in ein kombiniertes Kartennetz (Mercatorentwurf von 16° N bis 16° S, winkeltreuer Kegelentwurf für 16° bis 80° und stereographische Abbildung der Polkappen), womit die verkürzte Darstellung der Randbereiche wegfiel.
Zu dieser Zeit liefen bereits die ersten sowjetrussischen und die US-amerikanischen Programme mit Raumsonden. Lunik 3 umflog 1959 den Mond und lieferte erstmals Bilder von seiner Rückseite. Das amerikanische Rangerprogramm bereitete seit 1961 die bemannte Mondlandung vor. Bei den harten Aufschlägen von Ranger 7 bis 9 wurden über 17 000 Aufnahmen der Mondoberfläche zur Erde gefunkt. Daraus entstanden 17 Karten der "Ranger-Lunar-Chart-Serie". 1966 bis 1969 photographierten Luna 9, 12 und 13 der UdSSR wie auch die fünf Lunarorbiter (USA) aus Mondumlaufbahnen 99% der Mondoberfläche, teilweise aus weniger als 50 km Höhe und mit dementsprechend hoher Auflösung.
Die US-amerikanischen Surveyer-Missionen von 1966-68 ermöglichten farbige Bildübertragung und Bodenanalysen. Daraus entstanden Gesamtkarten 1 : 10 Mio. und 1 : 5 Mio. (1970) sowie weitere großmaßstäbige topographische Darstellungen, aber auch geologische Kartierungen. Im Rahmen des Apolloprogramms erfolgten 1969-72 sechs Mondlandungen sowie drei sowjetrussische (Luna 16, 20, 24). Über die Kartierungen hinaus förderte dies eine breite wissenschaftliche Erforschung des Erdmonds. Das Relief der Mondoberfläche ist inzwischen weitgehend nach sich überdeckenden Aufnahmen aus Mondumlaufbahnen photogrammmetrisch vermessen; die zahlreichen daraus abgeleiteten Mondkarten besitzen Höhenlinien. Graphisch eindrucksvoll ist die Orthophotokarte 1 : 250 000.
Auf dieser Grundlage gaben kartographische Verlage in vielen Ländern neue Mondkarten mit Vorder- und Rückseitendarstellung heraus. Sie verzeichnen meist auch die bis 1972 erfolgten 36 Mondlandungen und machten die spektakuläre Entschleierung der Mondrückseite zusammen mit jetzt vollständigen Mondgloben weithin bekannt.
WSS
Literatur: [1] KOPAL, Z. & CARDER, R.W. (1974): Mapping of the Moon – Past and Present, Dordrecht. [2] NEUGEBAUER, G. & NEUKUM, G. (1989): Planetare Fernerkundungskartographie. In: Fernerkundungskartographie mit Satellitenaufnahmen, Wien.
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