Lexikon der Mathematik: Riemannsche Fläche
eine komplexe Mannigfaltigkeit \( {\mathcal R} \) der komplexen Dimension 1.
\( {\mathcal R} \) ist also ein Hausdorffscher topologischer Raum, für den eine Überdeckung durch offene Mengen \({\mathcal{U}}\subset X\) und eine Familie von Homöomorphimen \({\varphi }_{{\mathcal{U}}}:{\mathcal{U}}\to {\mathcal{D}}\subset {\mathbb{C}}\) auf die offene Kreisscheibe \({\mathcal{D}}=\{z\in {\mathbb{C}};|z|\lt 1\}\) von \({\mathbb{C}}\) gegeben ist. Die Paare \(({\mathcal{U}},{\varphi }_{{\mathcal{U}}})\) heißen Karten und die Gesamtheit aller Karten heißt Atlas. Die Kartenhomöomorphismen \({\varphi }_{{\mathcal{U}}}\) werden auch lokale komplexe Parameter genannt.
Die wesentliche Forderung besteht darin, daß für je zwei Karten \(({\mathcal{U}},{\varphi }_{{\mathcal{U}}})\) und \(({\mathcal{V}},{\psi }_{{\mathcal{V}}})\) mit nichtleerem Durchschnitt \({\mathcal{U}}\cap {\mathcal{V}}\subset X\) die Übergangsfunktion
Als Beispiel Riemannscher Flächen dient neben den offenen Teilmengen \({\mathcal{U}}\subset {\mathbb{C}}\) die Riemannsche Sphäre (Riemannsche Zahlenkugel) \(\overline{{\mathbb{C}}}={\mathbb{C}}\cup \{\infty \}\), die toplogisch als einpunktige Kompaktifizierung von ℂ, bzw. analytisch als projektive komplexe Gerade
Daneben betrachtet man berandete Riemannsche Flächen, die sich dadurch von den oben genannten unterscheiden, daß auch Karten \(({\mathcal{U}},{\varphi }_{{\mathcal{U}}})\) zugelassen sind, bei denen \({\varphi }_{{\mathcal{U}}}\) ein Homöomorphismus zwischen \({\mathcal{U}}\) und der halben – berandeten – Kreisscheibe
Zwei Riemannsche Flächen \({ {\mathcal R} }_{1}\) und \({ {\mathcal R} }_{2}\) heißen konform äquivalent, wenn ein Diffeomorphismus \(\Phi :{ {\mathcal R} }_{1}\to { {\mathcal R} }_{2}\) existiert, d. h., eine bijektive holomorphe Abbildung, deren Umkehrabbildung \({\Phi }^{-1}:{ {\mathcal R} }_{2}\to { {\mathcal R} }_{1}\) ebenfalls holomorph ist.
Von besonderem Interesse sind Riemannsche Flächen \( {\mathcal R} \), die sich in ℂ2 als Graphen von holomorphen Funktionen von z oder, allgemeiner, Lösungsmengen algebraischer Gleichungen der Gestalt
Die mehrdeutigen Funktionen w = f(z), die sich als Lösungen der Gleichung F(z, w) = 0 ergeben, können durch eine eindeutige holomorphe Funktion g(z, w) auf \( {\mathcal R} \) angegeben werden. Dazu betrachtet man die Einschrankungen \({\tilde{p}}_{1}={p}_{1}{|}_{ {\mathcal R} }\) und \({\tilde{p}}_{2}={p}_{2}{|}_{ {\mathcal R} }\) der beiden Projektionen \({p}_{1}:(z, w)\in {{\mathbb{C}}}^{2}\to z\in {\mathbb{C}}\) und \({p}_{2}:(z, w)\in {{\mathbb{C}}}^{2}\to w\in {\mathbb{C}}\) aufs die Untermannigfaltigkeit \( {\mathcal R} \) ⊂ ℂ. Diese definieren zwei holomorphe Funktionen auf \( {\mathcal R} \), von denen g = \({\tilde{p}}_{2}\) : \( {\mathcal R} \) → ℂ die genannte eindeutige Auflösung der Gleichung F(z, w) = 0 ist.
Die zweite Abbildung \({\tilde{p}}_{1}\) : \( {\mathcal R} \) → ℂ ist eine glatte surjektive Abbildung, deren Differential nirgendwo verschwindet. Für jedes z0 ∈ ℂ enthalten die Urbildmengen \({\tilde{p}}^{-1}\) (z0) endlich viele Punkte (z0, w1),…,(z0,wk) k ≤ n, und die Zahlen w1,…,wk sind die k verschiedenen Nullstellen des Polynoms F(z0, w). Man nennt
Nach dem Satz über implizite Funktionen existieren für jeden Punkt (z0, w0) ∈ \( {\mathcal R} \) eine Umgebung U ⊂ ℂ von z0 und ein holomorpher Schnitt \({f}_{{w}_{0}}^{-1}:u\to R\) mit \({f}_{{w}_{0}}^{-1}({z}_{0})=({z}_{0},{p}_{0}).\) Das bedeutet, daß die Verknüpfung \({\tilde{p}}_{1}\circ {f}_{{w}_{0}}^{-1}\) die identische Abbildung von \( {\mathcal U} \) ist.
Die zweite Verknüpfung
Die Funktionen \({f}_{{w}_{0}}^{-1}\) definieren einen komplexen Atlas von \( {\mathcal R} \). Sie heißen lokale Uniformisierungen von \( {\mathcal R} \).
Ist z. B. F(z, w) = w2 — z, so ist
Ist z0 ≠ 0, so enthält die Faser
Man kann die Funktion F(z, w) = w2 – z auf die Riemannsche Sphäre \(\overline{{\mathbb{C}}}\) ausdehnen und zeigen, daß der Graph
Ein anderes Beispiel liefert die Gleichung
Allgemein lassen sich alle Flächen der Gestalt (1) nach dieser Methode kompaktifizieren, und der Satz von Riemann besagt:
Jede kompakte Riemannsche Fläche ist konform äquivalent zu einer Riemannschen Fläche der Gestalt (1).
Man definiert eine globale Uniformisierung einer Riemannsche Fläche \( {\mathcal R} \) als eine universelle Überlagerungsabbildung Φ : \( {\mathcal P} \) → \( {\mathcal R} \) einer einfach zusammenhängenden Riemannschen Fläche \( {\mathcal P} \) auf \( {\mathcal R} \). Für die Riemannsche Fläche \( {\mathcal R}_1 \) der Gleichung (2) ist eine globale Uniformisierung durch \( {\mathcal P} \) = ℂ und die Abbildung
Der folgende Uniformisierungssatz verallgemeinert den Riemannschen Abbildungssatz:
Jede Riemannsche Fläche \( {\mathcal R} \)besitzt eine Uniformisierung \(\Phi :{\mathcal{P}}\to {\mathcal R} \), wobei \({\mathcal{P}}\)eine der folgenden drei Flächen ist: Die Riemannsche Zahlenkugel \(\overline{{\mathbb{C}}}\), die komplexe Ebene ℂ oder der offene Einheitskreis \(D=\{z\in {\mathbb{C}};|z|\lt 1\}\).
Ist \( {\mathcal R} \) selbst einfach zusammenhängend, so ist Φ eine konforme Äquivalenz.
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