Lexikon der Mathematik: Schur, Issai
Mathematiker, geb. 10.1.1875 Mohi- lev am Dnjepr, gest. 10.1.1941 Tel Aviv.
Nach dem Schulbesuch in Libau (Lettland) studierte Schur an der Berliner Universität ab 1894 Physik, später Mathematik, und promovierte dort 1901 bei Frobenius. Nach der Habilitation 1903 wirkte er als Privatdozent, trat 1911 die Nachfolge von Hausdorff in Bonn als a. o. Professor an und kehrte 1916 in der gleichen Position an die Berliner Universität zurück. 1919 erhielt er dort ein Ordinariat und wurde 1935 unter dem Druck der Nationalsozialisten vorzeitig in den Ruhestand versetzt. 1939 emigierte er nach Palästina.
Schur war ein sehr vielseitig arbeitender Mathematiker. Sein Hauptforschungsgebiet bildete die Darstellungstheorie der Gruppen. In seiner Dissertation bestimmte er die polynomialen Darstellungen der allgemeinen linearen Gruppe GL(n, ℂ) über den komplexen Zahlen. Die dabei entwickelten Ideen und Methoden gelten noch heute als aktuell. Schur selbst griff 1927 die Probleme nochmals auf und gab für viele Ergebnise neue Beweise. 1905 begründete er die Theorie der Gruppencharaktere neu und verallgemeinerte bzw. vereinfachte die grundlegenden Resultate seines Lehrers Frobenius. Ein Jahr zuvor, 1904, hatte er sich den gebrochen linearen Darstellungen zugewandt und den Begriff der projektiven Darstellung einer Gruppe über einem algebraisch abgeschlossenen Körper der Charakteristik Null sowie den Schurschen Multiplikator eingeführt. 1911 behandelte er dann die Darstellungen der symmetrischen und der alternierenden Gruppe durch gebrochen-lineare Substitutionen und klassifizierte sie. Ab 1906 analysierte er auch erstmals systematisch das Verhalten irreduzibler Darstellungen von endlichen Gruppen über einem kommutativen Körper bei Körpererweiterungen.
Schur leistete zu weiteren Teilgebieten der Mathematik wichtige Beiträge. Seine Arbeiten zur Funktionentheorie (1917/18) bildeten später zusammen mit denen von Nevanlinna die Grundlage für die heutige Schur-Analysis. In der Gruppentheorie definierte er den Begriff der Verlagerung und wies nach, daß jede Erweiterung einer Gruppe durch eine zweite Gruppe zerfällt, wenn beide Gruppen teilerfremde Ordnungen haben. Außerdem gab er für mehrere Sätze neue Beweise, ohne wie bisher üblich auf die Theorie der Charaktere zurückzugreifen. Interessante Ergebnisse erzielte er in der Gleichungstheorie, in verschiedenen Gebieten der Zahlentheorie und der Matrizentheorie sowie über Kettenbrüche, Potenzreihen und Integralgleichungen. 1918 bis 1936 war Schur Mitherausgeber der „Mathematischen Zeitschrift“.
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