Lexikon der Neurowissenschaft: Altruismus
Altruismusm [von italienisch altrui = ein anderer; Adjektiv altruistisch], fremddienliches Verhalten, uneigennütziges Verhalten,gemeinnütziges Verhalten, Gemeinnutz, Beistandsverhalten,E altruism, uneigennütziges Verhalten eines Individuums (= Geber oder Donor) zum Wohl anderer (= Empfänger oder Rezipient) mit Erhöhung der Fortpflanzungschancen des Empfängers auf Kosten des Gebers. Als klassisches Beispiel gilt der Verzicht auf eigene Nachkommen, z.B. von Arbeiterinnen in Insektenstaaten, die auf Kosten ihres eigenen Fortpflanzungserfolgs ihre Schwestern bzw. Halbschwestern großziehen, oder altruistische Verhaltensweisen im Rahmen der Fürsorge zwischen Eltern und Nachkommen. Die Herausbildung von altruistischen Verhaltensweisen wurde vor allem durch die Theorien der Gruppenselektion, der Verwandtenselektion und des reziproken Altruismus zu erklären versucht. Sozial lebende Tiere haben nach der Gruppenselektion Überlebensvorteile, wenn sie auch nicht verwandte Individuen unterstützen und somit dem Erhalt der Gruppe dienen. Ein derartiges Verhalten diene nach dieser Theorie der Arterhaltung insgesamt. Dieses Konzept gilt heute jedoch überwiegend als überholt. Die Verwandtenselektion oder Sippenselektion beruht auf der Annahme, daß durch die Unterstützung von Verwandten gemeinsame Genkomplexe eher an nachkommende Generationen weitergegeben werden können als über eigenen Nachwuchs. Das Ausmaß an altruistischem Verhalten sollte sich nach dem Grad der Verwandtschaft richten, d.h. nach der Menge gemeinsamer Gene. Der eigentliche Grund wäre somit ein indirektes eigennütziges oder egoistisches Verhalten. Die Theorie des reziproken Altruismus(Reziprozitäts-Theorie, Wechselseitigkeits-Theorie) nimmt eine abwechselnde, zeitversetzte gegenseitige Unterstützung als Grund für altruistische Verhaltensweisen an, durch die die beteiligten Individuen einen Vorteil erzielen. Es kann sich hierbei um verwandte und nicht verwandte Individuen handeln. Voraussetzung ist, daß sich die Beteiligten kennen und Gelegenheit haben, die eingegangenen Verpflichtungen auch erwidern zu können. Reziproker Altruismus wird zum Teil in der neueren Literatur jedoch nicht als altruistisch im eigentlichen Sinne bezeichnet, d.h. als uneigennütziges Verhaltens zum Wohle eines anderen, sondern zu kooperativen Verhaltensweisen gerechnet – insbesondere, wenn es sich um nicht verwandte Individuen einer Tierart handelt (Kooperation, tit for tat, Gefangenendilemma). Beispiele für nicht auf Kooperation beruhenden Altruismus auch nicht Verwandten gegenüber sind in erster Linie für den Menschen belegt, wobei hier die Bereitschaft zu altruistischem Verhalten durch Erziehungsstil und Vorbildverhalten der Bezugspersonen beeinflußt wird. Die Fähigkeit zu Mitgefühl und Empathie wird hierbei als eine Voraussetzung angesehen. Kultur, Soziobiologie, Sprache.
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