Lexikon der Neurowissenschaft: Geschwind
Geschwind, Norman, amerikanischer Neurologe und Neurowissenschaftler ( siehe Abb. ), *8.1.1926 New York, †4.11.1984 Boston; nach dreijähriger medizinischer Ausbildung in London ab 1955 Arbeit am Boston City Hospital unter D. Denny-Brown und am MIT in Baltimore unter F.O. Schmitt; ab 1958 am Veterans´ Administration Hospital in Boston; ab 1966 Leiter des Department of Neurology der Universität Boston; ab 1968 Leiter der Harvard Neurological Unit am Boston City Hospital. Geschwind begann 1961 mit systematischen Untersuchungen über die verschiedenen Formen der Aphasie. In Tierexperimenten und Untersuchungen an Patienten bewies er die zu jener Zeit noch umstrittenen funktionellen Unterschiede zwischen den beiden Großhirnhemisphären (Asymmetrie des Gehirns) und die entscheidende Bedeutung des Corpus callosum (Balken) für die Einheit der höheren corticalen Funktionen. Durch neuropsychologische Studien an Gesunden und Patienten mit lokalen Hirnschädigungen, nach Split-Brain-Operationen (Split-Brain-Patient) oder Hemisphärektomie wies er nach, daß die Annahme einer einseitigen cerebralen Dominanz falsch war. Vielmehr besteht ein enges Zusammenwirken der beiden funktionell komplementären Hemisphären über das Corpus callosum, aus dem sich unterschiedliche Formen cerebraler Dominanz ergeben. Geschwinds Arbeiten führten somit zu einer schrittweisen Individualisierung der Verhaltensneurologie. Er wies Größen- und Strukturunterschiede zwischen der rechten und linken Temporalrinde nach, beschrieb ihre ontogenetische Entwicklung und deckte einen Zusammenhang zwischen der Händigkeit und immunologischen Abwehrvorgängen (Neuroimmunologie) auf. Durch seine Arbeiten hatte er großen Einfluß auf die Entwicklung der Neurowissenschaft. Werke (Auswahl): "Disconnexion Syndromes in Animals and Man" (1965), "Cerebral Dominance: The Biological Foundations" (mit A. Galaburda, 1984), "Cerebral Lateralization" (mit A. Galaburda, Arch. Neurol. 42, 1985).
N. Geschwind
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