Lexikon der Neurowissenschaft: Reichardt
Reichardt, Werner, deutscher Physiker, Kybernetiker und Neurowissenschaftler ( siehe Abb. ), *30.1.1924 Berlin, †18.9.1992 Tübingen. Nach umfassender physikalischer Ausbildung bei führenden Physikern wurde er durch B. Hassenstein auf biologische Probleme wie das Bewegungssehen des Käfers aufmerksam und untersuchte dieses Problem mittels systemtheoretischem Ansatz (Systemtheorie). 1955 holte ihn der Physikochemiker K.F. Bonhoeffer nach Göttingen. Von dort aus wurde unter seiner Leitung und unter Mitarbeit von Hassenstein am Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen eine "Forschungsgruppe Kybernetik" gegründet, die durch Reichardts Initiative 1968 in das Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik umgewandelt wurde. Aufgrund seiner Untersuchungen über das Sehsystem der Fliegen und dessen Einfluß auf die Flugorientierung entwickelte er für die Theorie der Bewegungswahrnehmung ein "Korrelationsmodell". Durch Verwendung systemtheoretischer Ansätze zur Aufklärung der objektinduzierten Kurskontrollreaktion beim Ansteuern und Verfolgen einer "Figur" innerhalb des Gesichtsfelds deckte er ein generelles neuronales Verrechnungsprinzip auf, das auch im visuellen System des Menschen nachweisbar ist. Damit bahnte er den Weg zum Verständnis des kognitiven Prozesses der Figur-Hintergrund-Unterscheidung. Reichardt genoß hohes internationales Ansehen und war 1960/61 Mitbegründer der International Brain Research Organization. Werke (Auswahl): "Autocorrelation, a Principle for the Evaluation of Sensory Information by the Central Nervous System" (1961), "Functional Characterization of Neural Interactions Through an Analysis of Behavior" (1979), "Figure-Ground Discrimination by Relative Movement" (mit T. Poggio, K. Hausen, 1983).
W. Reichardt
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