Lexikon der Optik: Presbyopie
Presbyopie, Alterssichtigkeit, Altersweitsichtigkeit, Verminderung der Akkommodationsfähigkeit durch Alterungsvorgänge der Augenlinse. Eine P. liegt vor, wenn der maximale Akkommodationserfolg unter 4 dpt gesunken ist. Nachdem sich die Akkommodation während der frühesten Lebensphase entwickelt hat, verfügt ein Kleinkind über eine Akkommodationsbreite von mehr als 14 dpt. Diese nimmt bereits während der Kindheit und Jugend um rund 0,2 dpt pro Lebensjahr ab (Abb.). Diese Abnahme läßt sich zwischen dem 13. und 46. Lebensjahre durch folgende Gleichung beschreiben
Hier sind X das Lebensalter und Y die in diesem Alter zu erwartende Akkommodationsbreite.
Zu Beginn des 4. Lebensjahrzehntes beschleunigt sich die Abnahme der Akkommodationsbreite erheblich. Dieser Prozeß ist gegen Ende des 5. Lebensjahrzehntes weitgehend abgeschlossen. Die häufig beschriebene Akkommodationsbreite älterer Menschen von 0,5 bis 1,0 dpt ist nicht auf eine Akkommodationsfähigkeit, sondern auf die mit der senilen Miosis einhergehende große Abbildungstiefe des Auges zurückzuführen.
Mit zunehmendem Lebensalter werden aufgrund des appositionellen Linsenwachstums immer mehr neue Linsenfasern auf die bereits bestehende Linse aufgelagert. Dies führt zu einer Dickenzunahme der Linse, die zwischen dem 20. und 60. Lebensjahre rund 0,025 mm pro Jahr beträgt. Die Krümmungsradien der Linse ändern sich daher ebenfalls. Eine Folge der Dickenzunahme der Linse ist, daß die Ansatzstellen der vorderen Zonulafasern auf die Vorderseite der Linse wandern. Die Kräfte, die von Zonulafasern ausgeübt werden, die auf der Vorderseite der Linse inserieren, wirken dann im wesentlichen parallel zur Linsenkapsel und können daher keine Verformung der Linsenkapsel bewirken.
Durch die Verlagerung der Ansatzstellen auf der Linsenvorderfläche wären nun die Zonulafasern dauerhaft angespannt, wenn nicht ein Wachstum des Ziliarkörpers in Richtung Linse diese Veränderung kompensierte. Tatsächlich wird eine Zunahme von Ziliarmuskulatur von der Geburt an beobachtet. Ungefähr ab dem 40. Lebensjahre ist die Wirksamkeit dieses Kompensationsmechanismus jedoch erschöpft.
Wesentliche Veränderungen laufen im Inneren der Linse ab. Wegen der Zusammenlagerung vieler kleinerer Linsenproteine zu großen Proteinaggregaten, nimmt die Brechzahl der Linse ab, was zu einem verminderten Linsenbrechwert führt.
Die Linse verfügt über Kompensationsmechanismen, um diese Brechwertabnahme zu kompensieren. Die Linse eines Menschen von 35 Jahren ist stärker gekrümmt als die Linse eines Jugendlichen, wenn beide Personen einen Objektpunkt in gleicher Einstellentfernung beobachten. Die stärkere Krümmung der Linsenvorderfläche gleicht durch die daraus resultierende geometrisch-optische Brechwertzunahme den durch chemische Veränderungen hervorgerufenen Brechwertverlust der Linse aus. Weiterhin treten innerhalb der Linse Diskontinuitätszonen als zusätzliche brechende Flächen auf. Hierdurch wird der Linsenbrechwert erhöht. In der Mitte des 5. Lebensjahrzehntes beginnen diese Diskontinuitätszonen zu verschwinden, so daß eine weitere Brechwertabnahme der Linse die Folge ist.
Die elastischen Eigenschaften von Linsenkern und Linsenrinde gleichen sich einander an. In jungen Jahren besteht eine große Differenz zwischen den Elastizitätsmodulen von Linsenkern und Linsenrinde, die zu einer konusförmigen Gestalt der Linsenvorderfläche bei der Nahakkommodation führt. Der Linsenkern ist weicher als die Linsenrinde. Diese Konusbildung ist ab dem 45. Lebensjahr nicht mehr nachweisbar, da der Linsenkern verhärtet ist. Die Verformbarkeit der Linse nimmt ab.
Im Alter von 43 bis 45 Jahren hat die P. ein Stadium erreicht, in dem die Akkommodationsfähigkeit für die normale Arbeitsentfernung von 30 bis 35 cm nicht mehr ausreicht, ohne daß Unschärfe und Anstrengungsbeschwerden auftreten. Zur Abhilfe werden positive Brillengläser (Nahbrillen) oder positive Zusätze zur Fernkorrektion (Mehrstärken- oder Gleitsichtbrillengläser) verordnet (Brillengläser). Die Stärke des Nahzusatzes hängt vom Grad der Alterssichtigkeit ab sowie von der Arbeits- bzw. Leseentfernung und muß durch Akkommodationsmessung unter Berücksichtigung der Sehaufgabe genau ermittelt werden.
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