Metzler Lexikon Philosophie: Ästhetik
(griech. aisthesis: Wahrnehmung, Empfindung), wörtlich die Lehre vom sinnlich Erscheinenden oder von der Wahrnehmung. Als Bezeichnung für eine philosophische Disziplin seit Baumgarten und Kant: Lehre vom Schönen und der Erfahrung des Schönen, im engeren Sinne Lehre vom Kunstschönen und dessen Erfahrung. Im Bereich der Ä. im engeren und im weiteren Sinne sind mehrere wissenschaftliche Disziplinen tätig. Neben der hier thematischen philosophischen Ä. z.B. die psychologische Ä. und die Kunstsoziologie (z.B. als Soziologie der Geschmacksbildung). Das Aufgabengebiet der philosophischen Ä. lässt sich auf verschiedenen Ebenen gliedern: Neben der Ä. der Kunst steht die der Natur; innerhalb der Kunstästhetik sind zu unterscheiden: Produktions-, Werk- und Rezeptionsästhetik. Kant unterscheidet in der »Kritik der (ästhetischen) Urteilskraft« eine Genielehre von einer Geschmackslehre. Während die Geschmackslehre die Beurteilung des Schönen zum Thema hat, geht es bei der Lehre vom Genie um die Prinzipien der Hervorbringung des Schönen. Zum Geschmack gehört die Fähigkeit, an schönen Gegenständen ein »interesseloses Wohlgefallen« zu entwickeln; zum Genie dagegen gehört »Geist« als die Fähigkeit, das »Gemüt« durch ästhetische Ideen zu beleben. Für Hegel hat es die philosophische Ä. nur mit dem Kunstschönen zu tun, und zwar insbesondere mit dessen Beziehung zum Absoluten. Das Schöne wird daher bei Hegel thematisch als das »sinnliche Scheinen der Idee«. Das für die philosophische Ä. relevanteste Problem ist traditionell die Frage nach der Beziehung zwischen dem Schönen und der Wahrheit. Kants Lehre von der Autonomie des Schönen und von der ästhetischen Idee als Pendant zur Vernunftidee trennt das Erleben des Schönen systematisch von dem an wissenschaftliche Strenge gebundenen Erkennen. Für das idealistische Denken Hegels ist dagegen charakteristisch, dass ihm das Schöne gerade nur insoweit bedeutsam erscheint, als in ihm das Wahre in sinnlicher Gestalt zugänglich wird. In der Kunstphilosophie des von Hegel beeinflussten Th. W. Adorno wird der Kunst ebenfalls ein besonderer Bezug zur Wahrheit zugesprochen: Kunst ist für Adorno ihrem Grundzuge nach Gesellschaftskritik, und ihre Wahrheit ist die Wahrheit der Utopie. Die schöpferische Kraft der künstlerischen Phantasie ist daher gebunden. Sie verwirklicht sich im Entwurf von Alternativen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. In der Ä. der Moderne und Postmoderne hat die Wahrheitsfrage im Allgemeinen jedoch schrittweise an Bedeutung verloren. An ihre Stelle ist mit der wachsenden Dominanz des Historismus und Relativismus im Wesentlichen die Vorstellung getreten, im schönen Kunstgegenstand drücke ein Individuum sich selber, seine spezifische Sicht der Welt, seine besonderen, an seine eigene Existenz gebundenen Werte aus. Der hierfür geltende Wahrheitsbegriff ist der einer streng subjektiv zu verstehenden Wahrheit: Kunst gilt in diesem Sinne im Gegensatz zur Wissenschaft als persönlich. Sie ist eher Ausdruck individueller Erfahrungen und Zustände, Hoffnungen und Wünsche als Darstellung überindividueller Wirklichkeit.
Literatur:
- Th. W. Adorno: Ästhetische Theorie. Frankfurt 1970
- A. G. Baumgarten: Aesthetica (1750–1758, Reprint Hildesheim 1961)
- A. Gethmann-Siefert: Einführung in die Ästhetik. München 1995
- G. W. F. Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik (1835)
- I. Kant: Kritik der Urteilskraft (1790)
- F. Koppe: Grundbegriffe der Ästhetik. Frankfurt 1983
- F. v. Kutschera: Ästhetik. Berlin 1988
- W. Tatarkiewicz: Geschichte der Ästhetik. Basel 1979 ff.
RL
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