Metzler Lexikon Philosophie: Handlungserklärung
In Bezug auf die Erklärung von Handlungen lassen sich die kausale und die intentionale H. als gegensätzliche Positionen benennen. Die kausale H. gibt als notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass eine Person eine intentionale Handlung vollzieht, folgende Momente an: (1) Das Verhalten einer betreffenden Person ergibt das Resultat des Aktes (d.h. das Resultat wird erst durch das Verhalten bewirkt). (2) Es gibt ein Ziel, das die betreffende Person erreichen will, und von dem sie glaubt, dass es durch ihr Verhalten herbeigeführt wird. (3) Das Wollen der Person und die Annahmen bezüglich des Verhaltens als geeignetem Mittel verursachen das Verhalten der Person. Eine kausale H. zielt darauf ab, den Begriff der intentionalen Handlung in seine grundlegenden logischen Bestandteile zu zerlegen. Als Grundbegriffe gelten das »Verhalten«, das »Glauben«, das »Wünschen« und der Begriff der Kausalität. Die kausale H. zerlegt die Beschreibung eines intentionalen Aktes in drei Teile: eine Beschreibung des bloßen Verhaltens, d.h. der Körperbewegung, die ein Ergebnis ergibt; eine mentale Beschreibung der Annahmen und Wünsche; eine Feststellung des Inhalts, dass die Körperbewegung durch das mental Beschriebene (d.i. die Wünsche) verursacht wird. Dadurch wird zur Erklärung des Ereignisses »Körperbewegung« ein weiteres Ereignis, das sich gleichsam im Inneren des Handelnden zuträgt, festgestellt. – Eine komplexere kausale Theorie der H. wird von Davidson vorgetragen: H.en erfüllen das Kausalschema infolge einer singulären kausalen Prämisse, nach welcher das Verhalten der betreffenden Person durch eine gegebene positive Einstellung (gegenüber einem Handlungstypus) und durch die Annahme, dass eine konkrete Handlung von diesem Handlungstyp ist, verursacht worden ist. Diese kausale Prämisse impliziert, dass es eine gesetzesartige Erklärung dafür gibt, warum die gegebene Einstellung und die gegebene Annahme unter den vorliegenden Umständen das Verhalten des Betreffenden tatsächlich verursachte. Damit eine positive Einstellung eine Handlung kausal erklärt, ist es nach Davidson nur erforderlich, dass es im Prinzip ein allgemeines Gesetz gibt, das Ereignisse von der Art der betreffenden positiven Einstellung mit Ereignissen einer anderen Art (d.i. der konkreten Handlung) verknüpft. – Für die Position der intentionalen H., wie sie v. Wright vertritt, ist »Intentionalität« ein nicht weiter reduzierbarer Begriff. Die intentionale oder teleologische H. basiert auf zwei Annahmen: (1) ein Wissen, dass mit einem bestimmten Verhalten (einer Tätigkeit) ein Ergebnis erreicht werden kann; (2) der Absicht einer Person, mittels dieser Tätigkeit das intendierte Ergebnis zu erreichen. V. Wright erläutert die intentionale H. durch die Form des praktischen Schlusses: 1. Prämisse: die Person A beabsichtigt, ein Ereignis p herbeizuführen; 2. Prämisse: A glaubt, dass sie p nur herbeiführen kann, wenn sie eine Tätigkeit a ausführt; 3. Konklusion: Folglich macht sich A daran, a zu tun. Anhand dieses praktischen Schlusses demonstriert er, dass die H. keine kausale Erklärung sein kann, da die Konklusion aus den Prämissen logisch gefolgert werden kann. Für eine kausale Ursache (i.S. Humes) ist es dagegen charakteristisch, dass Ursache und Wirkung logisch voneinander unabhängig sind und dass sie nur zu einer Aussage über eine empirische Notwendigkeit führt. Der praktische Schluss zeigt auf, dass Intention und Handlung miteinander logisch verknüpft sind (was nicht heißt, dass die Prämissen notwendig die Handlung zur Folge haben müssen). Wenn der praktische Schluss als Konklusion eine wahre Behauptung darüber ergibt, was die betreffende intentionale Handlung ist, dann stellen die Prämissen dieses Schlusses auch eine teleologische Erklärung dieser Handlung dar. In einer solchen H. werden unterschiedliche Verhaltensweisen nicht unter Gesetze subsumiert, die das jeweilige Verhalten gesetzesmäßig mit Antecedensbedingungen verknüpfen, sondern unter ein Ziel, auf das das Verhalten gerichtet ist. Die Prämissen des praktischen Schlusses implizieren eine Aussage über einen intentionalen Akt ohne Rekurs auf irgendeine kausale oder gesetzesartige Aussage und erklären somit diesen Akt teleologisch, weil die Prämissen die Bedingungen niederlegen, mit Hilfe derer das betreffende Verhalten zu verstehen ist.
Literatur:
- K.-O. Apel: Die Erklären-Verstehen-Kontroverse in transzendentalpragmatischer Sicht. Frankfurt 1979
- D. Davidson: Handlung, Gründe und Ursachen. In: Handlung und Ereignis. Frankfurt 1985. S. 19 ff
- Th. Hausmann: Erklären und Verstehen. Frankfurt 1991. S. 189 ff
- G. Keil: Handeln und Verursachen. Frankfurt 2000
- H. Lenk (Hg.): Handlungstheorien – interdisziplinär. Bd. 2.1. München 1978
- F. Stoutland: Die kausale Theorie der Handlung. In: K.-O. Apel (Hg.): Neue Versuche über Erklären und Verstehen. Frankfurt 1978. S. 105 ff
- H. v. Wright: Erklären und Verstehen. Frankfurt 1974
- Ders.: Probleme des Erklärens und Verstehens von Handlungen. In: Conceptus 19 (1985). Nr. 47. S. 3–19.
PP
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