Metzler Lexikon Philosophie: Positivismus
Bezeichnung für eine philosophische Position, die vor allem durch A. Comte mit Anspruch auf wissenschaftliche Methodik vorgetragen wurde. Der Term »positif« dient ihm als programmatische Forderung an die Philosophie, sich auf einen erkenntnistheoretischen Grundsatz des Faktischen und Nützlichen zu besinnen. Nützlich ist nach Comte nur die Wissenschaft, die sich an die Tatsachen hält. Faktisches gibt den Bestimmungsgrund für Nützliches ab. Damit zusammenhängend ergeben sich als weitere Erkenntnisgrundssätze die Gewissheit und die Genauigkeit des Wissens. Sie hängen davon ab, in welchem Maße die Menschen fähig sind, ihre Einbildungskraft den Tatsachen unterzuordnen. Comte formuliert in seinem Discours sur l'esprit positif die Leitlinien für eine positive Philosophie: (1) Der Objektbereich wissenschaftlicher Analysen ist durch die Tatsachen bestimmt und deren gesetzesmäßigen Zusasmmenhänge. Die Fragen der Metaphysik nach der Ursache und dem Wesen der Phänomene sind nur Scheinprobleme. (2) Die Gewissheit einer Erkenntnis wird nur als sinnliche Gewissheit erreicht, da sie die Möglichkeit intersubjektiver systematischer Beobachtung sicherstellt. (3) Die Wissenschaft hat sich auf die Beschreibung der Tatsachen zu beschränken und die Ergebnisse kontrollierter Beobachtung müssen auf Theorien rückbezogen werden. (4) Die Kenntnisse von gesetzesmäßigen Zusammenhängen ermöglichen die technische Verfügungsgewalt des Menschen über Natur und Gesellschaft – bei Comte mit dem Zusatz: im Sinne der Humanität und historischen Notwendigkeit. (5) Es gibt keine Identität von Realität und Bewusstsein, vielmehr ist unser Wissen prinzipiell unabgeschlossen. Die programmatische erkenntnistheoretische These des P. von Comte lautet: Eine nützliche, sichere, genaue und konstruktiv-wertvolle Erkenntnis kann sich nur auf der Basis des faktisch Realen, der Welt der Tatsachen begründen. – Als eine erkenntnistheoretische Position enthält der P. die Forderung, die Erkenntnis auf der Basis von unbezweifelbaren Daten, d.h. in Bezug auf sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung zu begründen. Das Sinnesdatum fungiert als unbezweifelbares Element für jede Erkenntnis. Eine prägnante Ausformung dieses Ansatzes findet sich in Machs Überzeugung, dass das unteilbar Einfache i. S. von sensuellen Erlebnissen die Basis möglicher Rekonstruktionen gültiger Erkenntnisse ausmache. Der P. radikalisiert die empiristische Grundthese, alles auf Erfahrung zu begründen, dahingehend, dass allein Erfahrung über die Wahrheit oder Falschheit eines Satzes entscheidet und dass alle wissenschaftlich zulässigen Sätze, d.h. jede empirisch-wissenschaftliche Erkenntnis sich restlos auf Erfahrung i.S. von Wahrnehmungserlebnissen zurückführen lassen muss. Die positiven Tatsachen unserer unmittelbaren Erlebnisse sind nach dieser Ansicht das einzige, was wir im empirischen Gebiet als vollkommen sicher bezeichnen können. Als positivistische Grundthese gilt: Alle wissenschaftlichen Aussagen müssen sich grundsätzlich in Aussagen über Erlebnisse umformen lassen. Das hat die Auffassung zur Konsequenz, dass Naturgesetze nur als zusammenfassende Berichte anzusehen sind. Sensualismus, Logischer Empirismus.
Literatur:
- A. Comte: Discours sur l’esprit positif (dt. Rede über den Geist des Positivismus. Hamburg 21966)
- E. Mach: Die Analyse der Empfindungen. Leipzig 41911
- Ders.: Erkenntnis und Irrtum. Darmstadt 61968
- K. Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Tübingen 1979. S. 42 ff
- H. Przybylski: Positivismus. In: HWPh
- M. Schlick: Die Kausalität in der gegenwärtigen Physik. In: Gesetz, Kausalität und Wahrscheinlichkeit. Wien 1948
- H. Schnädelbach: Erfahrung, Begründung und Reflexion. Versuch über den Positivismus. Frankfurt 1971.
PP
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