Metzler Lexikon Philosophie: Qualität
Beschaffenheit, Bestimmtheit, Eigenschaft von Dingen und Gegenstand der Sinneswahrnehmung. Die antike Physik und Ontologie behandelt die Q. als ein Strukturelement der dinglichen Welt, ihrer materiellen Grundlage und der in ihr vorfindlichen Prozesse. Die Erkenntnistheorie geht von der Einwirkung der Q.en auf die Sinnesorgane in der Wahrnehmung aus. In der allgemeinen Logik unterscheidet man die Bejahung (Affirmation) und Verneinung (Negation) als Q.en des Urteils, denen Kant das unendliche Urteil als drittes qualitatives Element in der transzendentalen Logik hinzugefügt hat (KrV B 95, 98). Als verborgene, »okkulte« Q.en galten Bestimmtheiten und Wirkungen oder deren Ursachen, die nicht unmittelbar wahrnehmbaren, übernatürlichen und spirituellen Kräften zugesprochen wurden, z.B. der Magnetismus.
Bei Aristoteles ist Q. als dritte Kategorie das, auf Grund dessen etwas als irgendwie beschaffen genannt wird (Kategorien 8 b 25 ff.). Er unterscheidet ohne Anspruch auf Vollständigkeit vier Arten von Q.en: (1) Habitus als weitgehend konstante Eigenschaft, z.B. das Wissen oder die Tugend, und Zustand als leicht veränderliche Bestimmtheit wie Wärme und Kälte, Krankheit und Gesundheit, (2) natürliche Vermögen, die ihrem Träger erlauben, etwas leicht zu tun bzw. nicht leicht zu erleiden, etwa besondere Anlagen, Fähigkeiten und Talente, (3) affektive Q. als Eigenschaft von Dingen, die die Sinneswahrnehmung von Farben, Tönen, Wärmeempfindungen usw. hervorruft, und als Leidenschaften in der Seele, schließlich (4) Figur als die Eigenschaft geometrischer Gestalten und Form als die Bestimmtheit physischer Gegenstände. – Die Scholastik erarbeitet eine über die antike Kategorienlehre hinausgehende Ontologie der Kategorien, in welcher der Q. ein von der Substanz unabhängiges Sein zugesprochen wird. Dies schien notwendig, um die Transsubstantiation in der eucharistischen Wandlung metaphysisch begründen zu können. – Locke unterscheidet unter Rückgriff auf Descartes und Boyle primäre und sekundäre Q.en. Primär sind solche Q.en, die ein Körper konstant beibehält und die nicht von ihm getrennt werden können. Dazu zählen Solidität, Ausdehnung, Gestalt, Bewegung oder Ruhe und Zahl. Sekundäre Q.en definiert er als Kräfte, welche ausgehend von den Primärqualitäten der Dinge die Sinneswahrnehmungen hervorrufen (An Essay Concerning Human Understanding, II 8, §§ 9 ff.). Objektiv gegeben seien nur die Primärqualitäten. Q.en bilden sodann den Ausgangspunkt seiner Erkenntnistheorie, insofern die qualitative Kraft der mit Primärqualitäten ausgestatteten Dinge die Ideen im menschlichen Geist erzeugt und in Verbindung mit der Reflexion zur Erkenntnis führt. – Hume bezweifelt den objektiven Charakter auch der Primärqualitäten und erklärt mit Berkeley alle Q.en als nur subjektiv gegeben. Er lehnt ebenfalls die Unterscheidung von Substanz und Q. ab, insofern Substanzen nichts anderes seien als Bündel bestimmter Q.en (A Treatise of Human Nature I 1, 6; I 4, 3 f.). – Nach Kant umfasst Q. als die auf die Gegenstände der Anschauung gerichtete, mathematische Gruppe der reinen Verstandesbegriffe oder Kategorien Realität, Negation und Limitation (KrV B 106). Er wendet sich gegen die vollständige Subjektivierung der Q.en durch Hume, zumal alle Erscheinungen der Natur ihrer Verbindung nach unter den Kategorien stünden, »von welchen die Natur, als dem ursprünglichen Grund ihrer Gesetzmäßigkeit, abhängt« (KrV B 165). – Nach dem Gesetz des dialektischen Materialismus vom Umschlag der Quantität in Q. können qualitative Änderungen nur stattfinden »durch quantitativen Zusatz oder quantitative Entziehung von Materie oder Bewegung (sog. Energie)« (MEW 20, S. 349).
Literatur:
- Aristoteles: Kategorien. Kap. 8
- D. Hume: A Treatise of Human Nature
- I. Kant: Kritik der reinen Vernunft
- J. Locke: An Essay Concerning Human Understanding II 1, II 8
- K. Marx/F. Engels: Anti-Dühring (Werke Bd. 20). Berlin 1962
- Thomas von Aquin: Summa theologiae I 28, 2 c; I-II, 49, 2 c.
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