Metzler Lexikon Philosophie: Zen
Abkürzung des Wortes »zenna«, der jap. Lesart von chin. »chan na«, das wiederum die lautliche Übertragung des Sanskrit-Wortes »dhyana« (Sammlung des Geistes, Versenkung) ist. Diese Praxis der Versenkung, deren Ursprung aus dem Indischen (Yoga) stammt, wurde der chin. Überlieferung zufolge durch Bodhidharma (ca. 470–543), dem ersten chin. Zen-Patriachen, von Indien nach China gebracht. Die erste Kenntnisnahme des Buddhismus in China geht auf das 1. Jh. n. Chr. zurück. Die folgende Zeit der Rezeption war durch eine zunehmende Übersetzungstätigkeit geprägt, wobei man vor allem auf taoistische Begriffe und Konzepte (Dao, Wu Wei) zurückgriff. Dies führte zu einer Auseinandersetzung zwischen Buddhismus und Daoismus (Lao-zi, Zhuang-zi), wodurch die Diesseits-bezogenheit des Buddhismus in besonderer Weise betont wurde. Die Schule des Zen- Buddhismus ist eine Frucht der Begegnung und Durchdringung von Buddhismus und Daoismus in China. Der Zen-Buddhismus hatte seine Hauptentwicklungszeit in China vom 6. – 13. Jh. und in Japan vom 13. – 18. Jh.
Zen-Buddhismus ist dem Anspruch nach weder Religion noch Philosophie, sondern die Übung des Alltäglichen als Weg, wodurch die Wirklichkeit – so wie sie von sich her ist – gelebt und erfahren werden kann. Um dies zu realisieren, ist die Versenkungsübung (jap.: zazen) ein wichtiges Mittel, aber zugleich ist jede Tätigkeit im Alltag eine Möglichkeit das Erwachen (jap.: satori) zu realisieren. Ein chin. Meister charakterisierte Z. in vier kurzen Sprüchen: (1) »(Eine) besondere Überlieferung außerhalb der (orthodoxen) Lehre« (jap.: kyoge-betsuden); (2) »Unabhängigkeit von (heiligen) Schriften« (furyu-monji); (3) »unmittelbares Deuten (auf des) Menschen Herz/Geist (jikishininshin); (4) »Erwachen (zum eigenen) Wesen (und zum) Buddha Werden« (kensho-jobutsu). Z. lehnt jede Dogmatisierung und eine mögliche sprachliche Erfassung der Erfahrung des Erwachens ab. Die Übertragung des Z. ist somit wesentlich nicht an Sprache gebunden, sondern erfolgt unmittelbar von »Herz-Geist zu Herz-Geist« (jap.: ishin-denshin). Im Z. geht es nicht darum, die Wahrheit zu denken, sondern darum, die Wahrheit jeweils unmittelbar und konkret zu zeigen und damit als Geschehen zu realisieren.
Mit dem Bekanntwerden des Zen-Buddhismus im Westen (zunächst vor allem vermittelt durch D. T. Suzuki, 1870–1966) und der Aufnahme der westlichen Philosophie in Japan (besonders des Deutschen Idealismus und der Phänomenologie) wurde die im Zen- Buddhismus überlieferte Erfahrung in neuer Weise auch für das philosophische Denken westlicher Prägung fruchtbar. Insbesondere in der japanischen Kyôto-Schule wurde die Spannung und die gegenseitige Durchdringung von Z. und Philosophie in vertiefter Weise entwickelt. In der westlichen Philosophie ist Heidegger und seine Schule und neuerdings auch die Philosophie Derridas in die Nähe zenbuddhistischer Erfahrungen gelangt.
Literatur:
- H. Buchner (Hg.): Japan und Heidegger. Sigmaringen 1989
- H. Dumoulin: Geschichte des Zen-Buddhismus. 2 Bde. Bern 1985/86
- K. Nishida: Über das Gute. Frankfurt 1989
- K. Nishitani: Was ist Religion? Frankfurt 1982
- S. Odin: Derrida and the Decentered Universe of Cha’an Buddhism. In: The Journal of Chinese Philosophy 17,1 (1990)
- R. Ohashi: Zen und Philosophie. Kontinuität und Diskontinuität. In: F. Wimmer (Hg.): Vier Fragen zur Philosophie in Afrika, Asien und Lateinamerika. Wien 1988
- D. T. Suzuki: Leben aus Zen. Bern/München 1987
- Ders.: Der westliche und der östliche Weg. Frankfurt 1986.
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