Lexikon der Physik: Interstellare Materie
Interstellare Materie
Gunnar Radons, Mannheim
Der Raum zwischen den Sternen ist keinesfalls leer. Er wird von riesigen Gas- und Staubwolken ausgefüllt, die als Dunkelwolken das Licht der dahinter stehenden Sterne blockieren oder als Emissionsnebel bzw. Reflexionsnebel direkt sichtbar werden. Molekülwolken blockieren nicht nur das Licht der Sterne, sondern erweisen sich als Geburtsorte neuer Sterne. Der Blick in andere Wellenlängenbereiche des elektromagnetischen Spektrums zeigt zudem, daß selbst innerhalb des gleichförmig erscheinenden Gases Regionen mit stark voneinander abweichenden Eigenschaften existieren. Diese unterschiedlichen Gebiete der Milchstraße bieten die Möglichkeit eines tiefen Blickes in den Aufbau und die Geschichte der Milchstraße und zeigen gleichzeitig, daß die Milchstraße ein dynamisches System ist, das sich ständig weiterentwickelt.
Staub
Der interstellare Staub bildet einen Hauptbestandteil der interstellaren Materie. Im wesentlichen besteht er aus kleinen, oft länglich geformten Teilchen, deren Radien im Bereich zwischen 0,01 und 1 µm liegen. Im optischen Bereich macht sich der Staub besonders durch seine Auswirkungen auf das Sternlicht bemerkbar.
Durchquert das Licht eines Sterns eine interstellare Staubwolke, wird es abgeschwächt, da die Staubteilchen die elektromagnetische Strahlung absorbieren bzw. streuen. Dadurch sinkt die scheinbare Helligkeit eines Sterns um einen bestimmten Betrag Δm, der von der Gesamtmenge der Teilchen entlang des Sehstrahls abhängt. Diese interstellare Extinktion beeinflußt indirekte Methoden der Entfernungsbestimmung, in denen aus der Sternhelligkeit mittels des Entfernungsmoduls auf die Entfernung zurückgeschlossen wird. Ohne Berücksichtigung der Extinktion würden die Sterne systematisch in größere Entfernungen gerückt, wodurch die Stellarstatistik und dynamische Modelle der Milchstraße verfälscht würden.
Man bestimmt die Größe der Extinktion durch Sternzählungen im Gebiet einer Dunkelwolke, bei denen die Anzahl der Sterne pro Helligkeitsintervall festgehalten werden, und vergleicht diese Zählungen mit benachbarten Regionen der Wolke, in denen das Sternlicht nicht durch Staubwolken geschwächt wird. In den ungestörten Feldern erfaßt man mit zunehmender scheinbarer Helligkeit immer größere Volumina. Trägt man in den sogenannten Wolf-Diagrammen die Sternzahl über der Helligkeit auf (siehe Abb. 1 ), so steigt die Zahl der Sterne nahezu linear an. Wird das Sternlicht jedoch in einer Staubwolke geschwächt, knickt die Kurve im Vergleich zur Kurve der ungestörten Felder zunächst ab. Alle hinter der Wolke liegenden Sterne werden um den gleichen Helligkeitsbetrag geschwächt, so daß die Extinktionskurve schließlich wieder ansteigt, aber um den Betrag der Extinktion verschoben ist.
Mit dieser Methode lassen sich jedoch nur Staubwolken erfassen, deren Größe einigen hundert Parsec beträgt. Kleinere Staubwolken, die einen Durchmesser von nur wenigen Parsec besitzen, werden zumeist als sogenannte Globulen sichtbar, wenn sie sich vor einem helleren Hintergrund, wie etwa einem Emissions- oder Reflexionsnebel, befinden.
Besonders in Dunkelwolken kann die Extinktion so groß sein, daß alles Licht der dahinter liegenden Sterne verschluckt wird. Diese Wolken machen sich dann als scheinbar leere Gebiete innerhalb der Ebene der Milchstraße bemerkbar (siehe Abb. 2 ). Der interstellare Staub ist jedoch nicht nur in Wolken konzentriert, sondern durchsetzt die Scheibe der Milchstraße mehr oder weniger homogen. Daher unterliegt das gesamte Sternlicht einer allgemeinen Extinktion, deren Betrag sich aus dem Vergleich von photographisch und geometrisch ermittelten Entfernungen bestimmen läßt. Sie beträgt im optischen Bereich zwischen 0,7 und 1,6 mag je kpc.
Die Streuung des Lichts in einer Staubwolke führt jedoch nicht nur zu einer Schwächung, sondern auch zu einer Verfärbung des Lichts. Aufgrund der Größe der Staubteilchen ist die Streuung wellenlängenabhängig, wobei gemäß dem Rayleigh-Gesetz kurzwelliges Licht stärker geschwächt wird als langwelliges Licht. Dies führt zu einer Rötung des Lichts von weit entfernten Sternen, die durch den Vergleich der Spektren eines verfärbten und eines nicht verfärbten Sterns ermittelt werden kann. Der daraus bestimmte Farbexzeß ist entfernungsabhängig, da die Rötung um so stärker ist, je weiter der Sehstrahl durch den interstellaren Staub führt. Man muß daher zunächst alle gemessenen Farbexzesse auf gleiche Teilchenzahlen umrechnen und erhält so die interstellare Verfärbungskurve, die den allgemeinen Verlauf der Streuung wiedergibt (siehe Abb. 3 ). Diese Kurve weist im Ultraviolettbereich ein deutliches Extinktionsmaximum bei etwa 220 nm auf, das von länglichen Siliziumnadeln hervorgerufen wird, und fällt im optischen Bereich nahezu linear ab. Im Infrarotbereich befinden sich zudem eine Reihe von Absorptionslinien und -banden.
Die Extinktion des Sternlichts weist oft in unterschiedlichen Richtungen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung unterschiedlich starke Beiträge auf, was einer linearen Polarisation entspricht, deren Intensität mit dem Farbexzeß ansteigt. Während jedoch die Polarisation immer mit einer Extinktion des Lichts verbunden ist, gilt nicht unbedingt der umgekehrte Fall, denn die Beiträge zur Polarisation durch unterschiedliche hintereinanderliegende Wolken können sich gegenseitig aufheben, während sich die Extinktionsbeiträge immer addieren. Auch zirkulare Polarisation wird bisweilen in Staubwolken beobachtet, deren Beitrag im Vergleich zur linearen Polarisation allerdings gering ist. Ein andere Quelle der Polarisation findet man in Reflexionsnebeln, in denen das Licht nahegelegener Sterne am Staub gestreut wird. Hierbei nimmt der Polarisationsgrad in der Regel mit der Entfernung vom Stern ab.
Befinden sich in der Nähe eines Reflexionsnebels ein oder mehrere helle Sterne, so wird deren Licht vom Staub einer Wolke zurückgestreut. Daher entspricht das Spektrum eines Reflexionsnebels im wesentlichen demjenigen des beleuchtenden Sterns, ist allerdings durch die Wellenlängenabhängigkeit der Streuung sehr viel blauer. Der Begriff ›Reflexionsnebel‹ hat eher historische Gründe, da man früher annahm, das Licht der Sterne würde von den Nebeln zurückgeworfen. Die Nebel sind nicht ionisiert, daher beobachtet man Reflexionsnebel zumeist bei kühleren Sternen mit einem Spektraltyp unterhalb von B0. Die typische Ausdehnung eines Reflexionsnebels liegt in der Größenordnung von einem Parsec.
Die chemische Zusammensetzung des Staubs läßt sich nur indirekt ermitteln, wobei theoretische Modelle der Staubextinktion eine große Rolle spielen. In ihnen modelliert man die Zusammensetzung einer Staubwolke und die Größe der Staubteilchen, bis die berechnete Verfärbungskurve mit der beobachteten übereinstimmt. Für die Größenverteilung der Teilchen in solchen Modellen nimmt man allgemein einen Teilchenradius von 5 bis 250 nm an, wobei die Teilchenzahl proportional zu r-3,5 ist. Hinsichtlich der Chemie geht man davon aus, daß die Teilchen überwiegend aus Silikaten bestehen, die zu Absorptionsbanden bei 9,7 bzw. 18 µm führen. Weitere beobachtete Banden bei 3,1 µm bzw. 4,7 µm rühren von Wassereis und Kohlenmonoxid her, während die Absorptionsbanden bei 15,3 und 2,95 µm durch Kohlendioxid und Ammoniak verursacht werden.
Die thermische Verteilung der Staubteilchen hängt vom lokalen Strahlungsfeld, dem Absorptionsvermögen der Teilchen sowie ihrem Emissionsvermögen ab. Da das Verhältnis von Absorptions- zu Emissionsvermögen auch von der chemischen Zusammensetzung und der Größe der Teilchen abhängt, können bei gleichen physikalischen Bedingungen in unterschiedlichen Staubwolken auch unterschiedliche Temperaturen vorliegen. Man berechnet daher die Staubtemperatur aus dem Vergleich von beobachteten und berechneten spektralen Energieverläufen. Staubpartikel, die weitab von Sternen dem allgemeinen interstellaren Strahlungsfeld ausgesetzt sind, erreichen eine Temperatur von 15 bis 20 K. In der Nähe junger und heißer Sterne kann die Temperatur auch auf 30 bis 50 K ansteigen. Sehr kleine Staubkörner, die aus nicht mehr als einigen Dutzend Teilchen bestehen, können jedoch weit höhere Temperaturen um 1000 K erreichen, da hier mit der Absorption eines einzelnen UV-Quants eine große Änderung der inneren Energie verbunden ist.
Die räumliche Verteilung des interstellaren Staubs zeigt eine starke Konzentration zur galaktischen Ebene. Interstellare Cirren, die in Anlehnung an irdische Cirrus-Wolken benannten Staubwolken in der Milchstraße, zeigen aber, daß Staub auch in höheren galaktischen Breiten vorkommt. Da Gas und Staub sowohl morphologisch als auch dynamisch eng aneinander gekoppelt sind, nimmt die Staubverteilung etwa dieselbe Halbwertsbreite ein wie das Gas und die jungen Sterne, d.h. es bildet eine Scheibe mit einer Dicke von ca. 100 pc.
Die Entstehung der Staubteilchen findet mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Hüllen kühler Riesensterne statt; von dort werden sie durch Sternwinde in den interstellaren Raum getrieben. Auch in den dichten Gashüllen von Novae, Supernovae und Protosternen entstehen Staubkörner, die, einmal im freien Raum angelangt, als Kondensationskeime für dort vorhandene Gaspartikel dienen (Kondensation). Größere Staubteilchen können auch durch Kollision zweier kleinerer Partikel erzeugt werden, sofern diese sich nicht abstoßen, sondern aneinander haften bleiben. Details der Kondensationsprozesse können derzeit nur durch Modellrechnungen erschlossen werden, in denen u.a. die chemische Zusammensetzung, die Gas- und Staubdichte sowie die Energieverteilung der Teilchen vorgegeben werden.
Gas
Das interstellare Gas wird durch die Gesamtheit aller Atome, Ionen, Moleküle und freien Elektronen gebildet, wobei die Dichte des Gases im allgemeinen sehr gering ist und nur etwa ein Atom pro cm3 beträgt. Das neutrale Gas ist überall in der Milchstraße aufgrund der 21-cm-Linie im Radiobereich zu beobachten. Besonders in Sternentstehungsgebieten ist es auch in Form optisch dichter Molekülwolken bzw. als HI-Regionen im optischen Bereich sichtbar. Sobald dort junge Sterne entstanden sind, können sie das Gas ionisieren und geben Anlaß zur Entstehung der HII-Gebiete. Daneben tritt das interstellare Gas als warmes Zwischenwolkengas, als heißes Gas sowie als relativistisches Gas in Form der kosmischen Strahlung in Erscheinung. Molekülwolken, HI-Gebiete und das warme Zwischenwolkengas machen etwa 95 Prozent des interstellaren Gases aus, HII-Regionen und heißes Gas dominieren den restlichen Massenanteil.
HI-Regionen, die überwiegend aus neutralem Wasserstoff bestehen, treten im optischen Bereich nicht als selbstleuchtende Gebilde in Erscheinung. Statt dessen erkennt man das Gas anhand der Spektrallinien, die sie in Sternspektren verursachen. Während stellare Linien aufgrund der Radialgeschwindigkeit der Sterne gegenüber der Laborwellenlänge verschoben sind, nimmt die interstellare Linienabsorption nur in geringem Maße an dieser Verschiebung teil. Aufgrund der geringen Temperatur des interstellaren Gases sind diese interstellaren Linien sehr viel schärfer als stellare Linien. Im optischen Bereich beobachtet man insbesondere Linien des Natrium, Kalium und Calcium, aber auch Moleküllinien, die beispielsweise von Kohlenstoff oder Cyan herrühren. Im Ultravioletten findet man zudem die Lyman-Serie des Wasserstoffs, Kohlenstoffs, Stickstoffs, Sauerstoffs und verschiedener Metalle. Sofern die Ionisierungsenergie der Atome geringer ist als diejenige des Wasserstoff, können auch Linien ionisierter Atome auftreten. Im Radiobereich tritt der Wasserstoff durch die 21-cm-Linie in Erscheinung, die auf der Hyperfeinstrukturaufspaltung des Wasserstoffs beruht.
Die 21-cm-Linie wird aufgrund der thermischen Dopplerverbreitung der Linie auch zur Temperaturbestimmung des interstellaren Wasserstoffs genutzt. Dabei zeigt sich, daß die Temperatur der Wasserstoffwolken sehr unterschiedlich sein kann und etwa zwischen 50 und 200 K liegt, mit einem Mittelwert bei etwa 90 K. Es existiert auch eine warme Komponente des interstellaren Gases, die eine Temperatur von etwa 1000 K besitzt. Diese Temperaturen gelten auch für die übrigen im Gas enthaltenen Atome, da sich aufgrund von Stößen eine Gleichverteilung der kinetischen Temperatur einstellt.
Dennoch ist das interstellare Gas nicht im thermodynamischen Gleichgewicht, denn das interstellare Strahlungsfeld ist kein idealer schwarzer Körper. Die genaue Temperatur einzelner Wolken wird durch das Gleichgewicht von Heiz- und Kühlprozessen bestimmt. Zu den Heizprozessen gehört die Ionisation von Atomen wie Natrium, Kohlenstoff oder Calcium, deren freiwerdende Elektronen eine höhere kinetische Energie als die aus der Gastemperatur folgenden Energie besitzen. Diese überschüssige Energie verteilen die Elektronen durch elastische Stöße mit neutralen Atomen auf das Gas, bevor sie mit einem der relativ wenigen Ionen rekombinieren.
Die chemische Zusammensetzung des interstellaren Gases entspricht weitgehend der allgemeinen kosmischen Elementhäufigkeit, wobei jedoch lokale Abweichungen möglich sind (siehe Abb. 4 ). Ausnahmen bestehen besonders da, wo neben Gas auch große Staubmengen vorliegen.
Die aus 21-cm-Beobachtungen erschlossene großräumige Verteilung des Gases in der Milchstraße hat die Form einer Scheibe, deren Dicke etwa 200 pc beträgt. In der Gasverteilung zeichnet sich auch die Spiralstruktur der Michstraße ab.
Im Gegensatz zu den nichtleuchtenden HI-Regionen bilden die HII-Regionen selbstleuchtende Gaswolken, da das Gas vom Licht benachbarter Sterne ionisiert ist. Daher bezeichnet man sie auch häufig als Emissionsnebel bzw. Emissionsgebiete. Sie besitzen ein diffuses und wolkiges Aussehen mit nur geringer Regelmäßigkeit und sind oft von dunklen Gebieten, den sogenannten Globulen, durchsetzt. Als Sonderformen der HII-Regionen können planetarische Nebel und Hüllen um Novae angesehen werden. Das Spektrum der Emissionsnebel besteht aus einem Kontinuumsanteil, der im optischen Bereich im wesentlichen aus der Rekombination freier Elektronen mit ionisiertem Wasserstoff und Helium sowie von frei-frei-Übergängen der Elektronen herrührt. Daneben findet man Emissionslinien des Wasserstoffs, wobei im sichtbaren Bereich die Balmer-Linien (Balmer-Formel) dominieren. Weitere Spektrallinien beruhen auf verbotenen Übergängen, die Lebensdauern von einigen Stunden oder Tagen haben. Angeregt werden sie durch Stöße mit Gaspartikeln. Diese verbotenen Linien wurden noch in den zwanziger Jahren im Rahmen der Nebular-Hypothese als Indiz für ein unbekanntes Element gedeutet.
Die Temperatur in HII-Regionen kann durch spektrale Beobachtungen in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen erschlossen werden. So liefert das im Radiobereich liegende Kontinuum der frei-frei Übergänge die Energie der Elektronen und damit die kinetische Temperatur des Elektronengases. Daneben kann die kinetische Temperatur der Atome und Ionen aus dem Intensitätsverhältnis der Emissionslinien berechnet werden, die vom gleichen Element stammen und deren unterschiedliche Niveaus durch Stöße angeregt werden. Weitere Informationen liefern Emissionslinien, die durch Emission eines anderen Elements angeregt werden. Die so gemessenen Temperaturen in HII-Regionen liegen zwischen etwa 7000 und 12 000 K. Sie sind das Ergebnis des Zusammenwirkens von Heizungs- und Kühlprozessen, wobei die Heizung durch die Photoionisation des Wasserstoffs aufgrund eines oder mehrerer nahegelegener Sterne hoher Effektivtemperatur erfolgt. Die dabei freigesetzten Elektronen besitzen eine hohe Energie, die sie durch Stöße mit anderen Atomen rasch an das Gas abgeben. Die Kühlung erfolgt im wesentlichen durch Stoßanregung der verbotenen Linien, bei der die kinetische Energie in Strahlung übergeht, die schließlich die HII-Region verlassen kann.
Die Dichte in HII-Regionen beträgt in diffusen Emissiongebieten etwa 10-2 Elektronen je cm3, kann jedoch in kompakten Gebieten auf 104 bis 105 Elektronen je cm3 ansteigen.
Die Ausdehnung der HII-Region wird durch das Gleichgewicht zwischen den zur Verfügung stehenden Photonen und den Rekombinationen geregelt. Solange die Ionisation durch Photonen die Rekombination überwiegen kann, liegt der Wasserstoff vollständig ionisiert vor. Ist die Zahl der Ionisationen und Rekombinationen gleich groß, bildet sich der Rand der HII-Region aus, der im Vergleich zur Ausdehung des Gebiets relativ scharf ist. Die Ausdehnung wird als Strömgren-Radius bezeichnet und beträgt bei einer Wasserstoffdichte von einem Atom je cm3 und einem O5 Stern 25 pc, bei einem B1-Stern nur noch 5 pc. Bei einer höheren Gasdichte reduziert sich der Strömgren-Radius. Die Ausdehnung reduziert sich zusätzlich, wenn im Gas Staub eingelagert ist, der einen Teil der Lyman-Quanten absorbiert.
In den Molekülwolken des interstellaren Raums sind derzeit über achtzig Moleküle nachgewiesen, die überwiegend aufgrund ihrer Radiostrahlung entdeckt wurden. Diese entsteht, da Moleküle neben den Energieniveaus der Atome auch noch Rotationen anregen können, deren Energie im Radiobereich abgestrahlt wird. Die Identifikation der Moleküle erfolgt durch den Vergleich mit Laborspektren oder in selteneren Fällen durch theoretisch berechnete Spektren.
Die Dichte in Molekülwolken läßt sich nur indirekt bestimmen, da Wasserstoffmoleküle, die den größten Anteil der Wolke ausmachen, nicht im Radiobereich abstrahlen. Im Ultravioletten werden ihre Spektrallinien durch den Staub extingiert und sind nicht beobachtbar, während die Infrarotlinien aufgrund der hohen notwendigen Anregungsenergien nicht vorliegen. Man ermittelt die Dichte daher aus den Spektrallinien anderer Moleküle, zumeist Kohlenmonoxid oder Cyan, und nimmt ein konstantes Verhältnis der Anzahldichte dieser Moleküle zum Wasserstoff an. Daraus folgt, daß die Dichten in Molekülwolken zwischen etwa 100 und 106 Wasserstoffmolekülen je cm3 liegen, wobei auch Spitzenwerte bis zu 108 Molekülen erreicht werden.
Die Entstehung der Molekülwolken ist Gegenstand laufender Untersuchungen, die zum größten Teil in Form von Modellrechnungen stattfinden, da die extremen Bedingungen im Weltraum sich im Labor nicht oder nur sehr begrenzt herstellen lassen. Die Modelle zeigen, daß die Molekülbildung eher ein langsam ablaufender Prozeß ist, bei dem sich zunächst zwei Atome oder Radikale beim Stoß zu einem Molekül vereinigen und die freiwerdende Bindungsenergie abstrahlen. Die Effektivität dieser Reaktion wird wesentlich durch die Wahrscheinlichkeit des Strahlungsübergangs beeinflußt. Daher wird die Bildung von Molekülen deutlich erleichtert, wenn sich die Atome auf einem Staubteilchen befinden. Dann kann die Bindungsenergie strahlungslos auf den Staub übertragen werden und zudem dazu dienen, das Molekül vom Staub abzulösen.
Die kinetische Temperatur eines Molekülgases läßt sich aus der thermischen Verbreiterung der Spektrallinien herleiten. Die Resultate führen auf Temperaturen von etwa 10 bis 20 K.
Molekülwolken setzen sich chemisch aus den kosmisch sehr häufigen Elementen Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Silizium zusammen, wobei auch seltenere Elemente wie Schwefel, Phosphor und Chlor vertreten sind. Die ebenfalls häufigen Elemente Helium und Neon nehmen als Edelgase kaum an der Molekülbildung teil. Unter den mehratomigen Molekülen dominieren Kohlenstoffverbindungen, die selbst unter ungünstigen Bedingungen eine Vielzahl von Substanzen bilden können.
Die Ausdehnungen von Molekülwolken variieren in einem weiten Bereich von etwa 0,1 bis 100 pc. Riesenmolekülwolken enthalten dabei etwa 105 bis 106 Sonnenmassen und gehören damit zu den massereichsten Objekten der Milchstraße. Sie sind überwiegend in einem Ring anzufinden, dessen Innenrand einen Abstand von etwa 3 kpc vom galaktischen Zentrum hat und dessen Außenrand bei 8 kpc liegt. Hierin findet man die größte Konzentration von Molekülwolken bei etwa 5 kpc. Außerhalb dieses Gebietes sind nur wenige Molekülwolken anzutreffen. Wie HI-Gebiete sind Molekülwolken stark zur galaktischen Ebene konzentriert, zudem sind sie als Zentren der Sternentstehung vorrangig in den Spiralarmen anzutreffen.
Die heiße interstellare Komponente kann im Ultraviolettbereich von Sternspektren aufgrund der zusätzlichen ruhenden Spektrallinien hochionisierter Elemente wie OV, NIV oder SiIII beobachtet werden. Die Linienbreiten führen auf kinetische Gastemperaturen von 105 bis 106 K, wobei die Teilchendichten bei 10-3 Teilchen je cm3 liegen. Aufgrund der hohen Temperatur wird diese Gaskomponente auch als koronales interstellares Gas bezeichnet. Da das interstellare Strahlungsfeld nicht genügend Energie besitzt, um derartige hohe Temperaturen zu erzeugen, kommt für die Entstehung dieser Komponente nur ein dynamischer Prozeß in Frage. Man geht davon aus, daß es sich um die Überreste der heißen Blasen handelt, die sich bei Supernova-Explosionen bilden. Dies steht auch im Einklang mit Beobachtungen, die zeigen, daß die heiße Gaskomponente aufgrund des abnehmenden Drucks und der abnehmenden Dichte des normalen interstellaren Gases weit über die galaktische Ebene hinausreicht und auch noch in einigen kpc Entfernung vom galaktischen Äquator zu beobachten ist.
interstellare Materie 1: Schema eines Wolf-Diagramms.
interstellare Materie 2: Galaxie NGC 4565 im Virgo-Haufen. Die Dunkelwolken sind über die ganze Scheibe verteilt deutlich sichtbar. In der Mitte liegt die helle HII-Region.
interstellare Materie 3: Verlauf der interstellaren Extinktionskurve. Zu beachten ist, daß die Wellenlänge von links nach rechts abfällt. Die durchgezogene Linie zeigt den mittleren Verlauf der Extinktionskurve, die gestrichelte Linie den Verlauf der Verfärbung in Richtung der Sterne θ1 und θ2 Orionis. Eingetragen ist auch der Bereich des Spektrums, der in das V-Filter fällt, sowie die interstellare Extinktion A(V) in diesem Bereich.
interstellare Materie 4: Relative Elementhäufigkeit im interstellaren Gas in Richtung auf den Stern ζ Ophiuchi, bezogen auf die jeweilige Häufigkeit der Sonnenatmosphäre.
interstellare Materie 5: Der Orion-Nebel, die nächste und am besten untersuchte HII-Region
interstellare Materie 6: Der Pferdekopfnebel im Sternbild Orion ist ein auffälliges Beispiel einer Dunkelwolke vor dem Hintergrund einer diffusen HII-Region.
interstellare Materie 7: die Riesen-Molekülwolke im Sternbild Ophiuchus befindet sich in einer Entfernung von 230 pc und bedeckt am Himmel eine Fläche, die 300mal größer ist als der Vollmond.
interstellare Materie: Relative Häufigkeit einiger ausgewählter Moleküle in der Orion-Molekülwolke, bezogen auf die Häufigkeit von Kohlenmonoxid.
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CO | 1 | |
CH3OH | 5 · 10-3 | |
NH3 | 3 · 10-3 | |
CN | 3 · 10-4 | |
HCN | 3 · 10-4 | |
C2H | 3 · 10-4 | |
CH3OCH3 | 3 · 10-4 | |
CH3COOH | 1 · 10-4 | |
SO | 6 · 10-5 | |
CS | 5 · 10-5 | |
SO2 | 5 · 10-5 | |
HCO+ | 4 · 10-5 | |
H2CS | 3 · 10-5 | |
HNC | 1 · 10-5 | |
OCS | 1 · 10-5 | |
CH2CO | 1 · 10-5 | |
CH3CN | 1 · 10-5 | |
C4H | 4 · 10-6 | |
HC5N | 7 · 10-7 |
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