Lexikon der Physik: Klimaänderungen
Klimaänderungen
Thomas Wagner, Heidelberg
Zusammenfassung
Dieser Übersichtsartikel beschreibt die natürliche Variabilität sowie die systematischen Veränderungen des Erdklimas. Außer der Neugierde, die Entwicklung unseres Lebensraumes zu seiner heutigen Ausprägung zu verstehen, steht dabei im Vordergrund vor allem die berechtigte Sorge, ein vom Menschen verursachter Wandel des Klimas könnte unsere Lebensbedingungen in der Zukunft dramatisch verändern. Zur Einordnung der möglichen Entwicklung des Erdklimas beginnen wir diesen Artikel mit einem Rückblick auf das Klima in früheren Zeitabschnitten. Wir stellen die sogenannten "Klimaarchive" vor, anhand derer Information über das historische Erdklima gewonnen werden können. Die folgenden Kapitel dienen der Beschreibung der menschlichen Einflüsse auf das Klimasystem sowie der Beurteilung ihrer Wirkung auf das zukünftige Klima anhand von Klimamodellen. Abschließend diskutieren wir aktuelle Ergebnisse der Klimaforschung. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie signifikant schon heute ein anthropogener Einfluß auf das Erdklima nachzuweisen ist, und wie stark sich das Erdklima der Zukunft von unseren heutigen Lebensbedingungen unterscheiden wird.
Einführung und Übersicht
Das Klima beschreibt die langfristigen Mittelwerte der Witterung anhand von Klimaparametern wie z.B. Temperatur, Niederschlag oder Windstärke. Mit diesen Größen ist es möglich, die Lebensbedingungen eines Ortes, einer Gegend oder gar der gesamten Erde zu charakterisieren. Insbesondere läßt sich anhand ihrer zeitlichen Veränderungen der Wandel der Lebensbedingungen für Menschen, Flora und Fauna darstellen. Eine solche Beschreibung stellt zwangsläufig eine starke Beschränkung der vielfältigen Eigenschaften unserer komplexen Umwelt auf nur einige wenige Zahlenwerte dar. Gleichwohl steht damit eine geeignete und oftmals auch die einzige Methode zur Verfügung, Informationen über lange zurückliegende Zeitabschnitte zu gewinnen. So ist es möglich, frühere Klimazustände zu beschreiben oder aber für in der Zukunft liegende Perioden vorherzusagen. Für die vollständige Beschreibung des Klimas muß neben der Atmosphäre auch deren Wechselwirkungen mit anderen Komponenten des Klimasystems betrachtet werden. Dazu zählen die Wassergebiete der Erde (Hydrosphäre), die Eisgebiete (Kryosphäre), die Böden (Pedosphäre), die Gesteinsschicht (Lithosphäre) sowie die Flora und Fauna (Biosphäre). Im Gegensatz zu diesen internen Einflüssen wirken die externen Einflüsse einseitig auf das Klimasystem. Hierzu zählen beispielsweise die Stärke der solaren Einstrahlung oder der Vulkanismus.
Das Wissen über mögliche Klimaveränderungen dient dem Menschen dazu, seine Lebensbedingungen in der Zukunft kennenzulernen und zu bewerten. Dies ist gerade deswegen von großer Bedeutung, weil der Mensch viele klimarelevante Größen wie z.B. die stoffliche Zusammensetzung der Erdatmosphäre, die Verdunstungsrate oder die Reflektivität der Erdoberfläche stark und nachhaltig verändert hat. Die Anzeichen verdichten sich immer mehr, daß solche anthropogenen Einflüsse zu einer Klimaänderung und somit zu einem möglicherweise dramatischen Wandel unserer Lebensbedingungen führen werden oder schon geführt haben.
Paläoklimatologie – die Archive des Erdklimas
Um beurteilen zu können, ob sich beobachtete oder prognostizierte Klimaveränderungen innerhalb der natürlichen Variationsbreite des Erdklimas bewegen, ist es wichtig, die Entwicklung des Erdklimas während früherer Zeitabschnitte zu untersuchen. Dabei besteht jedoch das Problem, daß die sicherste Informationsquelle der Klimatologie, die systematische physikalische Messung von Klimadaten, nur kurz in die Vergangenheit zurückreicht. Die frühesten heute verfügbaren Messungen des Luftdruckes und der Lufttemperatur z.B. stammen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Klimatologisch verwertbare Daten, d.h. solche, die an mehreren Orten und über längere Zeitspannen gemessen wurden, liegen sogar erst ab Ende des 18. Jahrhunderts vor. Glücklicherweise steht in der indirekten Erfassung von Klimadaten mit Hilfe der Paläoklimatologie eine Möglichkeit zur Verfügung, unser Wissen über das Klima auch auf weit zurückliegende Zeitabschnitte auszuweiten. Diese Methode beruht auf der Analyse von Materialproben, deren Eigenschaften während vergangener Zeitabschnitte vom damals herrschenden Klima geprägt wurden. So lassen sich beispielsweise aus eingeschlossenen Luftblasen in Eisbohrkernen die Spurenstoffzusammensetzung der Atmosphäre und aus dem Sauerstoffisotopenverhältnis des Niederschlags Rückschlüsse auf die atmosphärische Temperatur extrahieren. Paläoklimatologische Methoden erlauben es, Informationen über das Erdklima bis vor etwa 4,3 Milliarden Jahren zu gewinnen (siehe Tab. 1). Dabei gilt allerdings generell, daß die Verfügbarkeit und die Genauigkeit der bestimmten Klimadaten abnehmen, je weiter die betreffenden Zeiträume zurückliegen. Auch ermöglichen paläoklimatologische Daten oftmals nur qualitative oder relative Aussagen, deren Genauigkeit nicht vergleichbar ist mit der moderner physikalischer Meßmethoden.
Die Atmosphäre der frühen Erde, natürliche Variationen des Erdklimas
Die Methoden der Paläoklimatologie erlauben uns einen weiten Blick zurück bis kurz nach der Entstehung unseres Planeten (siehe Tab. 1). Hier soll ein kurzer Überblick gegeben werden über die starken Veränderungen, die die Erdatmosphäre während dieser Zeit erfahren hat. Dazu wollen wir zuerst die stoffliche Zusammensetzung der Atmosphäre betrachten (Luft). Es wird heute angenommen, daß die ›Uratmosphäre‹ der Erde in den Weltraum ›entschwunden‹ ist, bevor sich während der Zusammenballung der planetaren Masse ein genügend starkes Gravitationsfeld entwickeln konnte. Man schließt dies daraus, daß die Konzentration von Edelgasen in der heutigen Erdatmosphäre äußerst gering ist im Vergleich zu deren typischem Vorkommen im Kosmos, zumal kein Prozeß bekannt ist, der diese Gase aus der Erdatmosphäre hätte entfernen können. Nach heutigem Wissensstand entwickelte sich eine zweite Uratmosphäre durch Ausgasen aus der komprimierten Planetenmaterie. Es wird angenommen, daß sich die Atmosphäre vor etwa 4,3 Milliarden Jahren hauptsächlich aus Stickstoff, Wasser, Methan (CH4), Kohlendioxid (CO2) und Ammoniak (H3N) zusammensetzte, sie aber keinen nennenswerten Anteil an Sauerstoff enthielt (siehe Abb. 1 ). Im Laufe der Zeit wurde das Kohlendioxid durch Gesteinsverwitterung aus der Atmosphäre entfernt, es bildete sich eine geringe Konzentration an Sauerstoff aus der photolytischen Spaltung von Wassermolekülen in der hohen Atmosphäre; der freigesetzte leichte Wasserstoff konnte in den Weltraum entweichen. Ein bedeutender Mechanismus zur Freisetzung atmosphärischen Sauerstoffs etablierte sich schließlich mit der Umstellung des Pflanzenstoffwechsels auf die Photosynthese. Während anfangs der entstandene Sauerstoff noch mit in den Ozeanen gelöstem Eisen reagierte und so der atmosphärische Sauerstoffgehalt gering blieb, stieg er vor etwa 2,5 Milliarden Jahren deutlich an, um schließlich vor etwa 1,5 Milliarden Jahren in etwa seine heutige Konzentration zu erreichen. Neben der Bedeutung des Sauerstoffs als Atmungsgas war seine Präsenz in der Erdatmosphäre auch die Voraussetzung zur Bildung der Ozonschicht (Ozon), die erst die Entwicklung höherer Lebensformen außerhalb des Ozeans ermöglichte. Allgemein wird angenommen, daß die Zusammensetzung der Erdatmosphäre, im Gegensatz etwa zu den Nachbarplaneten Mars und Venus, seit etwa 3,5 Milliarden Jahre durch die Biosphäre kontrolliert wird.
Außer über die stoffliche Zusammensetzung der frühen Erdatmosphäre lassen sich auch Informationen über andere Klimaparameter wie Temperatur und Niederschlag gewinnen. In Abb. 2 ist die Entwicklung der mittleren Lufttemperatur der Nordhemisphäre während der letzten Jahrmilliarde dargestellt, bestimmt aus paläoklimatologischen Daten. Es wird deutlich, daß die Temperatur der Erde in der Vergangenheit starken Schwankungen unterlag. Insbesondere traten häufig Perioden tiefer Temperaturen, sogenannte Eiszeitalter, auf, die ihrerseits wieder in Eiszeiten und Warmzeiten untergliedert waren. Gegenwärtig befindet sich das Erdklima in einer solchen Warmzeit während des letzten Eiszeitalters, des sogenannten Quartären Eiszeitalters, das das Klima der letzten Million Jahre bestimmte. Tatsächlich war das Erdklima in der Vergangenheit häufiger von warmen Zeitabschnitten als von Eiszeitaltern geprägt. Die Temperaturen während eines solchen Warmklimas waren um bis zu 10 °C höher als die der heutigen ›Warmzeit‹, insbesondere aber war auf der Erde jegliches Eis geschmolzen und der Wasserspiegel der Ozeane lag um etwa 80 Meter höher als heute.
Häufig wird versucht, aus der Untersuchung der Klimaschwankungen der Vergangenheit generelle Fragen bezüglich der Stabilität des Klimas zu beantworten, etwa ob sich unter (angenommenen) konstanten externen Einflüssen ein bestimmter stabiler Zustand des Klimasystems einstellt, dem das Klimasystem auch nach Störungen immer wieder zustrebt. Ein solches Klima wird als transitives Klima bezeichnet. Können bei konstanten externen Einflüssen allein durch interne Variationen innerhalb des Klimasystems mehrere quasistabile Klimazustände eintreten, so spricht man von einem fast-transitiven Klima. Kennt das Klima dagegen überhaupt keinen stabilen Zustand, so wird es als intransitiv bezeichnet. Es wird davon ausgegangen, daß der (bisher noch nie eingetretene) Klimazustand einer völlig vereisten Erde einen transitiven Klimazustand darstellt. Das derzeitige Klima hingegen wird meist als fast-transitiv eingestuft.
In diesem Zusammenhang soll noch die Gaia-Hypothese erwähnt werden, wonach sich das irdische Klima während der letzten 3,5 Milliarden Jahre durch die Wechselwirkung mit Flora und Fauna immer zu einem Optimum für diese Lebensformen hin entwickelt habe. Im Rahmen dieser Hypothese ist insbesondere von Interesse, ob und in welchem Maß der Mensch heute in der Lage ist, das Erdklima über die Möglichkeiten eventueller ›Gaia-Reparaturmechanismen‹ hinaus zu verändern.
Ursachen natürlicher Klimaschwankungen
Die während der Entwicklung der Erde beobachteten Klimaschwankungen beruhen auf der Veränderung einer Vielzahl von Einflüssen auf das Klimasystem. In Tab. 2 ist eine Übersicht gegeben. Die extraterrestrischen und auch einige terrestrische Einflüsse, die sogenannten externen Einflüsse, wirken einseitig auf das Klimasystem. Eine Vielzahl der terrestrischen Ursachen für Klimaschwankungen stellen hingegen interne Einflüsse dar. Da ihre Variation über Rückkopplungsmechanismen andere Klimaeinflüsse verändern kann, ist ihre Wirkung auf das Klimasystem vergleichsweise schwer zu quantifizieren. Eine besondere Klasse stellen noch solche externen Einflüsse wie Vulkanismus oder der Einschlag kosmischer Boliden dar, die nur statistisch vorhersagbar sind. Im folgenden sollen als Beispiele die Einflüsse der Sonnenaktivität, der Erdbahnparameter und des Vulkanismus auf das Erdklima näher beschrieben werden.
Die auf die Erde treffende regional und jahreszeitlich gemitteltesolare Strahlung, die Solarkonstante, beträgt rund 1370 Watt pro Quadratmeter. Die Solarkonstante schwankt während eines etwa elfjährigen Zyklus, der für das Klima jedoch kaum relevant ist. Im Gegensatz dazu wird angenommen, daß längerfristige Variationen der solaren Aktivität trotz ihrer geringen Amplitude (aber verstärkt durch interne Rückkopplungseffekte) das Klima signifikant beeinflussen können. Insbesondere gilt als wahrscheinlich, daß die sogenannte "kleine Eiszeit" um etwa 1600 bis 1800 im Zusammenhang mit einem Minimum der solaren Aktivität steht, auf die vom Rückgang der Anzahl der Sonnenflecken während dieser Zeit geschlossen wird.
Die Intensität der auf der Erde eintreffenden solaren Strahlung unterliegt nicht nur wegen der Variation der solaren Aktivität, sondern auch aufgrund der Veränderung der Erdbahnparameter gewissen (periodischen) Schwankungen. Zum einen variiert der Zeitpunkt von Perihel und Aphel, dem sonnennächsten bzw. sonnenfernsten Punkt der Erdumlaufbahn, mit einer Periode von etwa 21 000 Jahren. Weiterhin verändert sich die Neigung der Erdachse gegenüber der Erdumlaufbahn (zwischen 21,8 ° und 24,4 °) mit einer Periode von etwa 40 000 Jahren. Schließlich unterliegt auch die Exzentrizität der Erdumlaufbahn einer Variation mit einer Periode von etwa 96 000 Jahren. Die Perioden aller drei sich verändernder Erdbahnparameter finden sich in der Temperaturhistorie wieder, wie sie beispielsweise aus Tiefseebohrkernen bestimmt wurde.
Während der Erdgeschichte gab es immer wieder starke Vulkanausbrüche. Die Folgen finden sich z.B. als Staubablagerungen in bestimmten Schichten von Tiefseebohrkernen. Die Klimawirksamkeit von Vulkanen besteht darin, daß die in die Atmosphäre geschleuderten Staubpartikel und Aerosole (atmosphärische Aerosole) den Strahlungshaushalt der Atmosphäre beeinflussen. Bei starken Eruptionen können Staub und Asche bis in die Stratosphäre, manchmal sogar bis in die Mesosphäre, gelangen. Dort können sie während verhältnismäßig langen Zeiträumen (typischerweise 1 bis 3 Jahre) verweilen und die Sonnenstrahlung reflektieren und absorbieren. Als Folge erreicht weniger Energie die Erdoberfläche und die untere Atmosphäre kühlt ab. In der Klimageschichte gibt es einige Beispiele für das Zusammentreffen von Kälteperioden und starker Vulkantätigkeit. Es wird beispielsweise auch vermutet, daß die während der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts beobachteten relativ hohen Temperaturen mit der vergleichsweise geringen Vulkantätigkeit im Zusammenhang stehen könnten.
Der Einfluß des Menschen auf das Erdklima
Der Mensch ist Teil der Biosphäre und nimmt durch seine bloße Existenz natürlicherweise Einfluß auf das Klimasystem. So war das Seßhaftwerden des Menschen vor einigen tausend Jahren und der damit verbundene Übergang vom Nomadentum zu Ackerbau und Viehzucht von erheblichem Einfluß auf das Klima, weil er mit der Rodung von Waldflächen verbunden war. Die ersten systematischen großflächigen Rodungen fanden dann zur Zeit des Römerreiches im Mittelmeerraum statt; in Deutschland hat zwischen 800 und 1200 n.Chr. der Waldanteil vom 90 % auf 20 % abgenommen. Eine neue Qualität hatte die anthropogenen Beeinflussung des Klimasystems schließlich im Laufe der industriellen Revolution. Neben der weiteren Veränderung der Erdoberfläche etwa durch das Stadtwachstum und die Versiegelung der Böden begann der Mensch nun auch, die stoffliche Zusammensetzung der Erdatmosphäre global zu verändern. Beispielsweise kann aus Eisbohrkernen die Zunahme an Kohlendioxid und Methan während der letzten 200 Jahre nachgewiesen werden. Insbesondere gelangen durch den Menschen sogar neue, künstliche Verbindungen wie zum Beispiel die FCKWs in die Atmosphäre. Die anthropogene Veränderung der stofflichen Zusammensetzung der Erdatmosphäre beeinflußt neben den chemischen vor allem auch die physikalischen Eigenschaften des Klimasystems. Prominente Beispiele hierfür sind z.B. das Ozonloch über dem Südpolargebiet und die Veränderung des Strahlungshaushaltes der Atmosphäre durch die anthropogene Emission von Treibhausgasen. Ein Überblick über diese und weitere Eingriffe des Menschen in das Klimasystem findet sich in Tab. 3.
Klimaveränderungen in der Zukunft oder schon heute?
Schon 1896 postulierte der schwedische Physikochemiker Arrhenius eine mögliche Veränderung des Klimas durch die anthropogene Freisetzung von Kohlendioxid. Heute besteht kein Zweifel mehr an der Klimawirksamkeit von Kohlendioxid sowie anderer anthropogen freigesetzter Treibhausgase (Treibhauseffekt). Ebenfalls unumstritten ist, daß eine erhöhte Einstrahlung auf die Erdoberfläche eine Erhöhung des atmosphärischen Wasserdampfgehaltes zur Folge hat (Luftfeuchtigkeit). Bei einer Erhöhung der Temperatur wird außerdem, neben dem möglichen Abschmelzen der Polkappen, schon allein die thermische Ausdehnung des Wassers der Ozeane zu einem Anstieg des Meeresspiegels führen. Gleichwohl liegen die vorhergesagten systematischen Veränderungen des Klimas bisher in der Größenordnung der natürlichen Schwankungen, so daß ein signifikanter Nachweis zur Zeit noch äußerst schwierig ist. Sollte sich der während der letzten Jahrzehnte beobachtete sowie von Klimamodellen vorhergesagte Anstieg der mittleren bodennahen Temperaturen in den nächsten Jahren fortsetzen, so ist mit einem baldigen Überschreiten der Signifikanzgrenze zu rechnen. Bevor wir auf die Modellierung des Erdklimas näher eingehen, soll noch auf die Häufungen einer Vielzahl von Phänomenen hingewiesen werden, wie z.B. extremer Wettersituationen, die mit einer Klimaveränderung in Verbindung gebracht werden. Tab. 4 gibt einen Überblick über solche Beobachtungen.
Die einzige Möglichkeit, Einblick in das Klima der Zukunft zu gewinnen, stellen Computersimulationen des Klimasystems dar. Ein genereller Überblick über die verschiedenen Modelltypen wird im Essay Atmosphäre gegeben. Zur Klimavorhersage werden derzeit sogenannte gekoppelte globale Zikulationsmodelle ("Global Circulation Models", GCM) von Atmosphäre und Ozeanen verwendet. Dabei werden sowohl die Atmosphäre, als auch die Ozeane durch ein eigenes globales Modell beschrieben, beide Modelle aber bezüglich Stoff- und Energieaustausch miteinander gekoppelt. Ein gängiges Problem solcher Modelle besteht jedoch in einer zeitlichen Drift, die künstlich durch eine sogenannte Flußkorrektur unterdrückt werden muß. Derzeit werden die ersten Modelle getestet, die ohne eine solche Flußkorrektur auskommen. Dennoch besteht derzeit eine Vielzahl weiterer Einschränkungen:
- Häufig besitzen GCMs kein interaktives Chemie-Modell.
- Die horizontale Auflösung ist noch sehr grob (typischerweise 100 bis 500 km), kleinskalige Prozesse wie z.B. die Bewölkung müssen parametrisiert werden.
- Typischerweise besitzen GCMs keine interaktive Kopplung an Modelle der Pedo-, Litho- und Hydrosphäre. Die Ergebnisse separater Modelle für diese Teile des Klimasystems dienen lediglich als Randbedingungen.
- Rückkopplungsprozesse sind häufig nur unzureichend implementiert, z.B. die Wolken-Strahlungs-Rückkopplungen.
- Es existiert ein sogenanntes Kaltstartproblem: Aufgrund der Beschränkung der Rechenkapazitäten wird häufig nur ein kurzer Zeitabschnitt modelliert, dessen Anfangsbedingungen selbst schon von anthropogenen Veränderungen beeinflußt waren. Zu diesen Zeiten war z.B. das Gleichgewicht zwischen Atmosphäre und Ozean schon gestört.
- Selbst die Beschreibung des heutigen Klimas durch Klimadaten ist noch sehr lückenhaft. Speziell fehlen detaillierte Kenntnisse über die Ozeane, z.B. deren Tiefenzirkulation. Es hat sich gezeigt, daß Klimamodelle sehr empfindlich gegenüber einer Variation der Anfangsbedingungen reagieren.
- Es bestehen naturgemäß große Unsicherheiten bezüglich der Szenarien für die zukünftigen Emissionen von Spurengasen sowie der übrigen anthropogenen Einflüsse auf das Klimasystem.
Trotz dieser Einschränkungen ist es schon jetzt möglich, wesentliche Aussagen über das zukünftige Klima zu machen. Insbesondere sind heutige Klimamodelle schon in der Lage, die natürliche Variabilität gut zu simulieren. Auch stimmen schon eine Vielzahl verschiedener Klimamodelle in ihren Prognosen bezüglich einer Erwärmung der Atmosphäre innerhalb der nächsten 100 Jahre von 1 bis 5 °C überein. In Abb. 3 ist ein Vergleich der beobachteten sowie der simulierten bodennahen Lufttemperatur während der letzten 150 Jahre dargestellt wie sie vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg für das IPPC-Szenario "business as usual" berechnet wurde (IPPC: Intergovernmental Panel on Climate Change). Beide Kurven zeigen übereinstimmend eine Zunahme der Temperatur während der letzten 25 Jahre um etwa 0,3 °C, die Simulation berechnet darüber hinaus eine Zunahme von etwa 3 °C bis zum Jahr 2100. Das Klimaänderungssignal kann dann als signifikant angesehen werden, wenn sich die Kurven der Temperaturänderung sowie des Kontrollexperiments inklusive ihrer Fehlerbereiche nicht mehr überlappen. Dies wird für etwa um das Jahr 2020 erwartet. Doch schon heute haben die Hamburger Forscher eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür berechnet, daß der beobachtete globale Temperaturanstieg menschengemacht ist. Weitere Klimavorhersagen beinhalten eine zu erwartende Zunahme der Verdunstungsrate und der Niederschläge sowie einen Anstieg des Meeresspiegels. Viele Klimaforscher rechnen auch mit einer Zunahme extremer Wettersituation, z.B. starker Regenfälle, starker Stürme, großer Fluten, ausgeprägter Dürren sowie Warm- und Kaltperioden. Es scheint so, als ob diese Vermutungen durch viele Ereignisse der vergangenen zwei Jahre, die im Zusammenhang mit dem bisher stärksten ENSO(El Niño Southern Oscillation)-Ereignis stehen, bestätigt worden seien.
Literatur
[1] C. Schönwiese, Klimaänderungen, Berlin-Heidelberg-New York, 1995.
[2] W. Roedel, Physik unserer Umwelt, die Atmosphäre (2.Aufl.), Berlin-Heidelberg-New York, 1994.
[3] T. E. Graedel, P. J. Cruzten: Atmospheric Change, New-York, 1993.
[4] G. Brasseur, S. Solomon: Aeronomy of the Middle Atmosphere, Dordrecht, 1986.
[5] E. P. Röth: Ozonloch, Ozonsmog, Grundlagen der Ozonchemie, Mannheim 1994.
[6] J. J. Houghton, L. G. Meiro Filho, B. A. Callander, N. Harris, A. Kattenberg, K. Maskell: Climate Change 1995, Contribution of WGI to the Second Assessment Report of the Intergovernmental Panel of Climate Change, Cambridge University Press, 1996.
Klimaänderungen 1: Die Spurenstoffzusammensetzung der Erdatmosphäre während der letzten 4,3 Milliarden Jahre.
Klimaänderungen 2: Mittlere, bodennahe Temperatur der nördlichen Hemisphäre während der letzten Jahrmilliarde.
Klimaänderungen 3: Vergleich der beobachteten (gestrichelte Linie) sowie der simulierten (durchgezogene Linie) bodennahen Lufttemperatur während der letzten 150 Jahre, berechnet vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg für das IPPC-Szenario "business as usual" (IPPC: Intergovernmental Panel on Climate Change). Schattiert dargestellt sind die Unsicherheiten der modellierten Temperaturen sowie der Temperaturen des Kontrollexperimentes.
Klimaänderungen 1: Überblick über Paläoklimatologische Methoden.
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Bändertone als Sedimente aus Gletscherabflüssen | Sedimentation | Kontinente (soweit glazial beeinflußt) | Sommertemperatur, Niederschlag | 5 kJ | 1 J | |
Gebirgsgletscher | Schichtung, Isotopenverhältnisse, Partikeldeposition, Gaseinschlüsse | Kontinente (vergletscherte Gebirgsregionen) | Niederschlag, Vulkantätigkeit, Gaskonzentration (insbes. CO2, CH4) | 10 kJ | 1 J | |
Baumringe | Jahreszuwachs, Dichte, Isotopenverhältnisse | Kontinente (mittlere und boreale Breiten) | Temperatur, Bodenfeuchte, Sonnenaktivität | 10 kJ | 1 J | |
Geschlossene Seebecken | Merkmale für Seespiegelhöhe | Kontinente (mittlere und subtropische Breiten) | Verdunstung, Temperatur, Niederschlag | 50 kJ | 1 J | |
Inlandeis (polare Eisschilde) | Schichtung, Isotopenverhältnisse, Partikeldeposition, Gaseinschlüsse | Antarktis, Grönland | Niederschlag, Vulkantätigkeit, Gaskonzentration (insbes. CO2, CH4) | 200 kJ | 1 J | |
Fossile Pflanzenpollen | Häufigkeit von Pollenarten | Kontinente (außerpolare Breiten) | Temperatur, Bodenfeuchte, Wind | 200 kJ | 100 J | |
Küstenlinien der Ozeane | Küstenmerkmale | Weltozean (eustatisch stabile Regionen) | Volumen der Kontinenetalvereisung, Temperatur | 400 kJ | – | |
Fossile Böden und Schotter | Bodenarten | Kontinente (außerpolare Regionen) | Temperatur, Niederschlag | 5 MJ | 100 J | |
Ozeanische Sedimente | Isotopenverhältnisse, Art der Sedimentation, Beimengungen | Weltozean (bei hinreichend regelmäßiger Sedimentation) | Meeresoberflächen- temperatur, Salzgehalt, Meereisbedeckung | 10 MJ | 500 J | |
Mineralogisch- petrographische Phänomene | Vorkommen von Mineralien | heutige Kontinente | Temperatur, Niederschlag | 1 GJ | – | |
Geomorphologische Phänomene | Moränen oder andere "Zeugen" für Gletscherbewegungen | heutige Kontinente | Temperatur, H2O- und CO2-Gehalt der Atmosphäre | 4,2 GJ | – |
a Häufig beinhalten die Informationen bezüglich der verschiedenen Klimaelemente nur sehr grobe Aussagen, etwa im Sinne von "relativ kaltes bzw. warmes" Klima.
bDie bestmögliche Zeitauflösung wird für viele Methoden nur in besonderen Fällen erreicht, häufig ist sie dagegen deutlich größer.
Klimaänderungen 2: Die wichtigsten natürlichen Ursachen für Klimaveränderungen. Interne Einflüsse auf das Klimasystem sind kursiv geschrieben.
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Zusammensetzung der Atmosphäre | Langfristiger Trend der Sonnenaktivität | |
Atmosphärische Zirkulation | Kurzfristige Variation der Sonnenaktivität | |
Ozeanzirkulation | Variation der Erdbahnparameter | |
Eis- und Schneebedeckung | Einschlag von Meteoriten und Meteoren | |
Bewölkung | Gezeitenkräfte | |
Vegetation | ||
Vulkanismus | ||
Kontinentaldrift, Gebirgsbildung |
Klimaänderungen 3: Anthropogene Veränderungen und ihre Wirkung auf das Klimasystem.
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Brandrodung | Veränderung der Erdoberfläche, Emission von Spurengasen, z.B. CO2, CO, NOx1, CH4, CH3Cl und Aerosolen. | |
Ackerbau | Veränderung der Erdoberfläche, Emission von Spurengasen, z.B. CH4, N2O, NH3. | |
Viehzucht | Emission von Spurengasen, z.B. CH4, NH3, H2S. | |
Verbrennung fossiler Energieträger | Emission von Spurengasen, z.B. CO2, SO2, NOx1, CO, HCl und Aerosolen. | |
Mülldeponierung | Emission von Spurengasen, z.B. CO2, CH4. | |
Künstliche Bebauung | Veränderung der Erdoberfläche (z.B. Veränderung der Albedo, der oberflächennahen Luftströmungen sowie des Wasserhaushalts). | |
Industrielle Prozesse | Emission einer Vielzahl von zum Teil künstlichen Spurenstoffen sowie Aerosolen. | |
Flugverkehr | Emission von Spurengasen, z.B. CO2, SO2, NOx1, direkte Veränderung der Bewölkung. | |
Regulierung von Binnengewässern | Veränderung des Wasserhaushalts. |
1NOx = NO + NO2
Klimaänderungen 4: Veränderungen von Phänomenen wie z.B. extremer Wettersituationen, die mit einer Klimaveränderung in Zusammenhang stehen könnten. Die hochgestellten Zahlen bezeichnen die Informationsquellen, die am Ende des Artikels aufgelistet sind.
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– Zunahme der Temperatur in 3,5 km Höhe um 0,07 °C pro Dekade während der letzten 19 Jahre. | |
– Zunahme der global gemittelten Niederschläge um 2,4 mm / pro Dekade seit 1900. | |
– Schrumpfung der Thermosphäre um 8 km während der letzten 40 Jahre. | |
– Zunahme des mittlereren Bedeckungsgrades des Himmels durch Kondensstreifen auf mittlerweile 1,1 % über Europa und 1,8 % über Nordamerika. | |
– 1996 / 97 stärkstes ENSO-Ereignis (El Niño-Southern Oscillation) seit dem Beginn der Beobachtungen. | |
– Starke Zunahme der Häufigkeit von Orkantiefs (mit einem Luftdruck von unter 950 Hektopascal) in der nördlichen Westwinddriftzone von 1899 bis 1994 bei gleichzeitiger Abnahme des mittleren Kerndrucks. | |
– Verringerung der Eisdecke der Arktis um 2 m während der letzten 20 Jahre. | |
– Abbruch eines 200 km2 großen Stückes vom "Larsen B-Schelfeis" in der Antarktis. | |
– Verdrei- bis Vervierfachung der Sturmschäden während der letzten 30 Jahre. | |
– 1997 war wie 9 der 11 Vorgängerjahre wärmstes Jahr des Jahrhunderts, 1998 war das wärmste Jahr der letzten 600 Jahre. | |
– Anstieg der mittleren Temperaturen von 5 400 Wetterstationen zwischen 1961 und 1985: Die Tageshöchsttemperaturen stiegen während dieses Zeitraumes um +0,88 °C, die Tiefsttemperaturen um +1,86 C. | |
– Zunahme der Flutkatastrophen. | |
– Zunehmende Häufigkeit von Tornados in den USA. | |
– Abnahme der Niederschläge in Mittelmeerraum seit Ende des 19. Jh. |
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