Medizin: Ein raffinierter Krankheitserreger
Als die Biochemikerin Rommie Amaro im März 2020 auf ihre neue Computersimulation eines Sars-CoV-2-Partikels starrte, war sie einen Moment lang verblüfft. Der Erreger, der die momentan grassierende Viruspandemie verursacht, trägt zahlreiche Stachelproteine oder Spike-Proteine (von englisch spike = Stachel) auf der Oberfläche. Die Simulation zeigte aber, dass diese Eiweiße von Zuckerverbindungen namens Glykanen beinahe völlig verhüllt sind. »Mit all den Glykanen drum herum kann man sie fast nicht erkennen«, wunderte sich Amaro, die an der University of California in San Diego arbeitet. Mit diesem Trick tarnen sich auch einige andere Viren vor dem menschlichen Immunsystem.
Im Jahr 2020 simulierten Amaro und ihre Kollegen den molekularen Aufbau der Sars-CoV-2-Oberfläche mit bis dahin unerreichter Genauigkeit, wobei sie sich auf Struktur- und genetische Daten stützten und die Bilddetails mit einem Supercomputer berechneten – Atom für Atom. Am 22. März 2020 publizierten sie ihr Werk auf Twitter. Binnen einer Stunde fragte ein Forscher zurück, was denn die nackte, unbeschichtete Schleife sei, die aus der Spitze des Stachelproteins rage.
Amaro hatte keine Ahnung. Doch zehn Minuten später meldete sich der Strukturbiologe Jason McLellan von der University of Texas in Austin zu Wort: Bei diesem Objekt handle es sich um die Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD), einen von drei Abschnitten des Stachelproteins, der an Rezeptormoleküle auf menschlichen Zellen dockt …
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