Ökonomie: Finanzmathematik nach der Krise
Mathematische Formeln in der Finanzwirtschaft sehen manchmal so aus wie physikalische Gesetze und werden sogar mit ähnlichen Argumenten hergeleitet, sind aber etwas völlig anderes. Vor allem verlieren sie gelegentlich ihre Gültigkeit und müssen durch neue ersetzt werden, weil das Verhalten der Menschen, das diesen Formeln zu Grunde liegt, sich ändert. Das geschieht immer dann, wenn sehr viele Leute neue Erfahrungen machen und daraufhin ihre Erwartungen an die Zukunft revidieren.
Eine solche, sehr einschneidende Erfahrung ist die jüngste Finanzkrise, die mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 ihren spektakulären Höhepunkt fand. In ihrem Gefolge mussten etliche bis dahin allgemein akzeptierte Berechnungsverfahren verworfen und neu gefasst werden. Mittlerweile steht die Software, die dem täglichen Geschäft der Banken zu Grunde liegt, auf völlig neuen theoretischen Füßen.
Zum besseren Verständnis bietet sich ein Vergleich mit einem früheren und daher inzwischen besser durchschauten Paradigmenwechsel in der Finanzwelt an. Die Black-Scholes-Formel von 1973, welche die Finanzwelt so einschneidend veränderte, dass ihre Entdeckung bereits 1997 mit einem Wirtschaftsnobelpreis gewürdigt wurde (Spektrum der Wissenschaft 12/1997, S. 24), beruht auf einer Analogie zwischen dem Marktgeschehen und einem physikalischen Diffusionsprozess. In beiden Fällen berechnet sich ein globaler Effekt durch Mittelung über sehr viele kleine unabhängige Einzelereignisse: Stöße zwischen Molekülen bei der Diffusion, einzelne Käufe und Verkäufe bei der Entwicklung eines Aktienkurses. Daraus ergibt sich eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die zukünftigen Zustände des Systems und aus dieser insbesondere ein fairer Preis für eine Aktienoption ...
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