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Pädagogik: Erziehung für den Führer

Um eine Generation aus Mitläufern und Soldaten heranzuziehen, forderte das NS-Regime von Müttern, die Bedürfnisse ihrer Kleinkinder gezielt zu ignorieren. Die Folgen dieser Erziehung wirken bis heute nach, meinen Bindungsforscher.
Eine Mutter mit ihren Kindern.

Sie wolle ihre Kinder ja lieben – doch irgendwie schaffe sie es einfach nicht. Renate Flens kommt mit einer Depression in die Praxis der Psychotherapeutin Katharina Weiß. Die Expertin vermutet schon bald, dass hinter den Problemen ihrer Patientin im Grunde die Frustration steckt, Menschen nicht nah an sich he­ranlassen zu können. Nach einer ausgiebigen Spuren­suche in Flens' Vergangenheit glauben die beiden Frauen schließlich, eine Schuldige dafür gefunden zu haben: die Ärztin Johanna Haarer, die zur Zeit des Nationalsozialismus in Ratgebern erklärte, wie man Kinder für den Führer erzieht. Dabei ist Renate Flens, die in Wirklichkeit anders heißt, gerade einmal in den 60ern – also erst nach dem Krieg geboren worden. Doch Haarers Bücher waren Bestseller. Auch im Deutschland der Nachkriegszeit fanden sich noch in fast jedem Haushalt Exemplare ihrer Werke. Von der Therapeutin darauf angesprochen, erinnerte sich auch Flens daran, ein Buch von Haarer im Regal ihrer Eltern gesehen zu haben. Und ein besonders perfider Aspekt von Haarers Erziehungsphilosophie könnte sogar von Generation zu Generation weitergegeben worden sein: Um sie zu guten Soldaten und Mitläufern zu machen, forderte das NS-Regime Mütter dazu auf, die Bedürfnisse ihrer Babys gezielt zu ignorieren. Sie sollten emotions- und bindungsarm werden. Wenn eine ganze Generation systematisch dazu erzogen worden ist, keine Bindungen zu anderen aufzubauen, wie kann sie es dann ihren Kindern oder Enkelkindern beibringen? ...

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  • Quellen

Ben-Dat Fisher, D. et al.: Intergenerational Predictors of Diurnal Cortisol Secretion in Early Childhood. In: Infant and Child Development 16, S. 151-170, 2007

Gleason, M. M. et al.: Indiscriminate Behaviors in Previously Institutionalized Young Children. In: Pediatrics 133, S. e657-e665, 2014

Grossmann, K. et al.: Maternal Attachment Representations as Related to Child-Mother Attachment Patterns and Maternal Sensitivity and Acceptance of Her Infant. In: Hinde, R. A., Stevenson-Hinde, J. (Hg.): Relationships within Families, S. 241-260, Oxford University Press, 1988

Haarer, J.: Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind. J. F. Lehmanns Verlag, München 1939

Hecker, T. et al.: Associations among Child Abuse, Mental Health, and Epigenetic Modifications in the Proopiomelanocortin Gene (POMC): A Study with Children in Tanzania. In: Development and Psychopathology 28, S. 1401-1412, 2016

Quindeau, I. et al.: Kindheiten im Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg: Das Zusammenwirken von NS-Erziehung und Bombenangriffen. In: BIOS, Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 25, S. 87-117, 2012

Verhage, M. L. et al.: Narrowing the Transmission Gap: A Synthesis of Three Decades of Research on Intergenerational Transmission of Attachment. In: Psychological Bulletin 142, S. 337-366, 2016

Yehuda, R. et al.: Holocaust Exposure Induced Intergenerational Effects on FKBP5 Methylation. In: Biological Psychiatry 80, S. 372-380, 2016

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