Schizophrenie: Wege aus dem Wahn
Frau Lincoln, wie sollte die ideale Therapie bei jemandem aussehen, der mit Verdacht auf Psychose das erste Mal in Behandlung kommt?
Man sollte sich viel Zeit nehmen, um die Problematik genau zu erfassen. Das bedeutet, dass man nicht nur eine Diagnose stellt, sondern auch schaut: Welche Faktoren haben zur Entwicklung der Störung beigetragen? Was hat die Person bisher zur Bewältigung versucht? Was hat ihr geholfen und was eher weniger? So versteht man nach und nach, wie es zu der Störung kam und was sie aufrechterhält. Anschließend ist es wichtig, mit dem Patienten die verschiedenen Therapiemöglichkeiten zu besprechen, um gemeinsam mit ihm und eventuell mit Angehörigen einen Behandlungsplan zu erstellen. Den Patienten in die Therapieplanung einzubeziehen, entspricht auch der S3-Leitlinie Schizophrenie, die verschiedene Kollegen und ich entwickelt haben. Dafür haben wir die empirische Datenbasis jedes Ansatzes überprüft und daraus Empfehlungen abgeleitet.
Welches Vorgehen sieht die Leitlinie vor?
Sie unterscheidet drei Säulen der Behandlung: eine medikamentöse, eine psychotherapeutische und eine soziotherapeutische, bei der es etwa um eine berufliche Wiedereingliederung geht. Alle drei Säulen sollen von Anfang an berücksichtigt und angegangen werden. Doch nach wie vor werden zu oft nur Medikamente verabreicht. Eine Psychotherapie kommt erst irgendwann später.
Kann Psychotherapie Menschen mit einer Psychose nachweislich helfen?
Erfreulicherweise gibt es ein breites Spektrum an Ansätzen, die für verschiedene Problembereiche evaluiert sind. Zum Beispiel Trainings, die bestimmte neuropsychologische Funktionseinbußen verbessern, etwa wenn jemand Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren oder sich Dinge zu merken. Diese Symptome können einem im Weg stehen, wenn man wieder in den Beruf einsteigen möchte. Andere Ansätze wie psychoedukative Familieninterventionen nehmen das soziale Umfeld des Patienten in den Fokus. Sie klären auch darüber auf, was eine Psychose überhaupt ist, und schaffen bei Betroffenen und Angehörigen mehr Verständnis für die jeweils andere Seite. Dabei lernen die Beteiligten: Wie spreche ich meine Wünsche an? Wie kann ich empathisch auf den anderen eingehen? Wie können wir besser mit Schwierigkeiten umgehen? Das Ziel ist vor allem, Rückfälle zu verhindern oder hinauszuzögern. Studien zufolge gelingt das den psychoedukativen Familieninterventionen gut. Die kognitive Verhaltenstherapie setzt hingegen an den Symptomen selbst an ...
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