Kooperation: Warum sind wir hilfsbereit?
Nachdem im März 2011 mehrere Reaktorblöcke des japanischen Atomkraftwerks Fukushima Daiichi nach einem schweren Erdbeben und einer Tsunami-Flutwelle durch katastrophale Kernschmelze zerstört worden waren, erklärte sich ein junger Arbeiter freiwillig bereit, in die havarierte Anlage zurückzukehren und mitzuhelfen, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Wie er wusste, herrschten im Innern so hohe Strahlungswerte, dass er wohl niemals gesunde Kinder würde zeugen können. Dennoch drang er durch die Tore von Fukushima in die strahlenverseuchte Luft vor und machte sich ans Werk, ohne dafür mehr als den normalen bescheidenen Arbeitslohn zu erwarten. "Es gibt nur wenige unter uns, die diese Aufgabe erledigen können", erklärte der Arbeiter, der anonym bleiben wollte, im Juli 2011 der britischen Zeitung "The Independent". "Ich bin jung und unverheiratet, und ich halte es für meine Pflicht, dieses Problem zu lösen."
Das mag wie ein rarer Fall von beispielhaftem Heldentum anmuten, doch die Natur kennt viele Beispiele für selbstloses Verhalten. Die Zellen im Organismus stimmen sich ab, um ihre Teilung zu begrenzen und so die Entstehung von Krebs zu vermeiden; viele Arbeiterameisen opfern ihre Fruchtbarkeit, um ihrer Königin und der Kolonie zu dienen; Löwinnen säugen andere Jungen innerhalb des Rudels. Wir Menschen helfen einander in besonders vielfältiger Weise – von der Nahrungs- und Partnersuche bis zur Verteidigung des Territoriums. Selbst wenn die Helfer nicht unbedingt gleich ihr Leben aufs Spiel setzen, riskieren sie doch eine Verringerung des eigenen Reproduktionserfolgs zu Gunsten eines anderen Individuums.
Jahrzehntelang haben sich Biologen über das Phänomen Kooperation den Kopf zerbrochen und verzweifelt versucht, es mit der vorherrschenden Deutung der Evolution als Kampfs aller gegen alle zu vereinbaren. Als Charles Darwin die Evolution durch natürliche Zuchtwahl erklärte – wonach sich Individuen mit vorteilhaften Eigenschaften öfter fortpflanzen als ihre Artgenossen und deshalb mehr zur nächsten Generation beitragen –, nannte er diesen Wettstreit den "Kampf ums Dasein" (struggle for life). Wenn man diesen Ausdruck wörtlich nimmt und als Handlungsnorm auf die Spitze treibt, führt das rasch zu dem Schluss, man solle niemals einem Rivalen helfen, sondern hemmungslos lügen und betrügen, um voranzukommen. Um im Spiel des Lebens zu gewinnen, wäre jedes Mittel recht ...
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