Hirnforschung: Der Gesichtscode
Als Studentin am California Institute of Technology hörte ich von den bahnbrechenden Experimenten von David Hubel und Torsten Wiesel. Die beiden hierfür mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Neurophysiologen hatten entdeckt, wie der primäre visuelle Kortex des Gehirns Kanten aus den von den Augen gelieferten Bildern extrahiert.
Demnach lässt sich mit Neurowissenschaft verstehen, wie neuronale Aktivitäten eine bewusste Wahrnehmung erzeugen. Ich kann kaum die Aufregung beschreiben, in die mich diese Erkenntnis versetzte. Ich hatte meinen Lebenstraum gefunden: zu untersuchen, wie die visuelle Wahrnehmung funktioniert und wie das Gehirn aus elektrischer Aktivität wahrgenommene Gegenstände codiert – und zwar nicht nur simple Linien, sondern auch schwer definierbare Objekte wie Gesichter. Die Frage lautete also: Welche Hirnregionen sind damit befasst und welche Muster neuronaler Impulse versetzen uns in die Lage, unsere Mitmenschen zu identifizieren?
Meine Entdeckungsreise begann im Aufbaustudium an der Harvard University, wo ich das stereoskopische Sehen erforschte: jenen Mechanismus, der aus den Unterschieden zwischen den Bildern der beiden Augen den Eindruck von Raumtiefe erzeugt. Dabei stieß ich auf eine Veröffentlichung der Neurowissenschaftlerin Nancy Kanwisher, damals am Massachusetts Institute of Technology, und ihrer Kollegen über bildgebende Untersuchungen von Gehirnen menschlicher Probanden. Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) hatte die Arbeitsgruppe eine Hirnregion aufgespürt, die auf Bilder von Gesichtern viel stärker reagierte als auf Darstellungen anderer Objekte. Das klang für mich geradezu absurd …
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