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Achtsamkeit: »Dezentrierung« im Kopf

Wie hilft Achtsamkeit, mit emotionalen Belastungen umzugehen? Eine neue Studie zeigt: Entscheidend ist die Fähigkeit, die eigenen Gedanken und Gefühle mit Distanz zu betrachten.
Junge Frau macht Achtsamkeitsübungen an einem See am Morgen
Bei dem Erfolg von Achtsamkeitsübungen spielt Dezentrierung eine wichtige Rolle. (Symbolbild)

Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, belastende psychische Zustände wie Angst und Depressivität zu mindern. Doch wie genau funktioniert das? Eine aktuelle Studie liefert dazu neue Hinweise: Offenbar spielt die so genannte Dezentrierung eine Schlüsselrolle. Das berichtet ein Team um Zhenzhen Wang von der Peking-Universität.

Dezentrierung beschreibt die Fähigkeit, Gedanken und Gefühle von außen zu betrachten – der interne Beobachter rückt dabei sozusagen aus dem Zentrum heraus. So soll man zu der Erkenntnis gelangen, dass geistige Vorgänge nur vorübergehend sind und nicht so wichtig, wie sie uns in vielen Situationen erscheinen. Durch Übung kann man lernen, mit Hilfe dieser Distanzierung beispielsweise negative Gefühls- und Denkspiralen zu durchbrechen.

Für ihre Untersuchung arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit rund 700 Erwachsenen zusammen, die zuvor über eine starke emotionale Belastung geklagt hatten. Die Hälfte der Probandinnen und Probanden landete zunächst auf einer Warteliste, die andere Hälfte nahm an einem acht Wochen dauernden Achtsamkeitskurs teil. Das Onlineprogramm sah tägliche Lektionen vor, die mit einer Audioanleitung in Eigenregie bearbeitet werden sollten, darunter etwa Übungen zum achtsamen Atmen. Außerdem umfasste die Intervention wöchentliche virtuelle Treffen mit dem Kursleiter und weiteren Teilnehmenden sowie Hausaufgaben, etwa das Führen eines Emotionstagebuchs.

Personen, die dieses Achtsamkeitstraining absolvierten, berichteten anschließend von geringeren Angst- und Depressionssymptomen. Wie gut die Probanden dabei die Dezentrierung gelernt hatten, stellte sich als entscheidender Faktor heraus: Wem es besser gelang, sich von seinen Gedanken und Emotionen zu distanzieren und diese aus einer beobachtenden Haltung heraus wahrzunehmen, der profitierte hinsichtlich der seelischen Gesundheit am stärksten. Gemessen wurde das anhand der Zustimmung zu Aussagen wie »Ich kann unangenehme Gefühle beobachten, ohne mich von ihnen mitreißen zu lassen«.

Dezentrierung sei daher ein möglicherweise essenzieller Mechanismus für die heilsame Wirkung von Achtsamkeit auf den Geist, vermuten die Studienautoren. Auch bei anderen Behandlungsverfahren spiele diese Betrachtungsweise eine Rolle, etwa bei der dialektisch-behavioralen Therapie oder bei Interventionen, die vor allem auf Akzeptanz des Status quo basieren. Vermutlich könne es daher hilfreich sein, unabhängig von Achtsamkeitsmeditationen an einer dezentrierenden Haltung zu arbeiten.

  • Quellen
Psychotherapy Research 10.1080/10503307.2024.2426562, 2024

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