Hirnforschung: Alles Käse, oder was?
Duftbotschaften waren die ersten, mit denen die Ahnen der Menschheit umzugehen lernten - kein Wunder, dass auch heute noch der direkteste Weg zu unseren Gefühlen über die Nase führt. Dem Diktat der Gerüche sind unsere Gedanken aber dennoch alles andere als ausgeliefert. Vielleicht stimmt gar eher das Gegenteil?
Den Test können Sie selbst machen, die nötigen Materialien sind schnell besorgt. Kaufen Sie zunächst ein schon fast überreifes, hochpreisiges Spitzenprodukt Ihrer Lieblings-Käsetheke – vielleicht einen Appenzeller, oder etwas dieser Kategorie. Lagern Sie den Käse noch etwas, so gut zwei Tage. Verbinden Sie dann einem durch sanften Druck angeheuerten, jedenfalls aber völlig ahnungslosen Versuchskaninchen aus der näheren Bekanntschaft die Augen. Und lassen Sie es am Käse schnuppern – zweimal, während Sie selbst während der Duftprobe jeweils etwas anderes daherreden. Einmal, laut und deutlich, beispielsweise ein "Hmmmmm, lecker, nicht wahr? Käse! Mit Wein bestimmt toll zum Picknick, sobald die Sonne scheint". Und ein zweites Mal vielleicht "Puh. Ich sollte vielleicht einmal Aktivkohlesohlen in meine Schuhe einlegen. Stört's Dich sehr?"
Sie können den Test auch sein lassen – was ihr Opfer im einen und anderen Fall sagen wird, wenn Sie um eine nähere Einschätzung seines Geruchswahrnehmung bitten, ist ohnehin irgendwie voraussehbar. Trotz identischer Versuchsperson, gleichem Geruch und selbem Käse: Im einen Fall dürfte selige Zustimmung im Antlitz leuchten (wenn das Testsubjekt nicht gerade Käseallergiker ist), im anderen Fall ... wohl eher nicht.
Schon eine komische Sache, unsere Wahrnehmung: Eindeutig arbeitet unser Gehirn nicht mit absoluten Werten, wenn es einen Sinneseindruck aufnimmt und verarbeitet. Ivan de Araujo und seine Kollegen von der Universität von Oxford haben sich die Sache nun etwas genauer angesehen. Sie interessierte insbesondere das Zusammenspiel von geruchlicher und semantischer Information über einen wahrgenommenen Gegenstand. Spannend schien den Forschern dieser Vergleich insbesondere deshalb, weil Duftinformationen auf sehr basalen Verarbeitungsebenen in stammesgeschichtlich alten Gehirnregionen umgesetzt werden – der Einfluss, den Wörter auf uns haben aber aus deutlich höheren gehirneigenen Verwaltungsebenen eingespeist wird. Duft nehmen wir fast ohne Umweg über den Verstand unmittelbar auf und münzen ihn leicht in pure Emotion um, semantischer Input erfordert im krassen Kontrast dazu ausgeprägt kognitiv-assoziative Leistungen, bei denen unser Gehirn wohl zunächst einige subjektiv eingestellte Gedanken-Filter abarbeiten muss.
Emotion und Intellekt also. Und wer gewinnt, wenn beide mit widersprechenden Eindrücken im gehirneigenen Eindruck-Sortierer aufeinanderprallen? Etwa dann also, wenn ein eigentlich bekannter Geruch konterkariert wird durch eine dazu nicht passende sprachliche Information? De Arajos Team ging die Frage mit einem Experiment an, das fast so aussah wie unser obiger Käse-Schnuppertest – nur, dass die Forscher ihren Probanden gleichzeitig per funktioneller Magnetresonanztomografie in die arbeitenden Köpfe kuckten.
Dabei skalierten sie zunächst, was angenehme und unangenehme Gerüche im Gehirn auslösen: Sie offerierten den Probanden einmal den stechenden Duft von Octanol und ließen auf einem beim Test sichtbaren Bildschirm das Wort "schwelendes Plastik" aufleuchten – und boten ihnen andererseits eine ansprechenden Blütenduftstoff zusammen mit dem Wort "Blume". Wie angenehm die Probanden das Angebot fanden, zeigte sich im so genannten vorderen cingulären Kortex (ACC) sowie dem angrenzenden medial orbitofrontalen Kortex (OFC) des Gehirns: Die Region – schon bekannt dafür, bei allerlei Ungemach anzuspringen – war umso stärker aktiv, je unangenehmer die Probanden den Geruch wahrnahmen – beziehungsweise die als "Geruch" wahrgenommene Reizkombination aus höheren assoziativen und niedrigeren olfaktorischen Gehirnzentren.
Dann begann der eigentliche Versuch: Die Forscher bedufteten ihre Probanden mit einem nach Cheddar-Käse riechenden Pröbchen und präsentierten zugleich per Monitor entweder eine richtige oder aber eine falsche semantische Zusatzinfomationen – entweder das Wort "Cheddar" oder das Wort "Körpergeruch". Letzteres führte dann durchweg zu stärkerer Aktivität im ACC/OFC. Genau passend dazu werteten die nachher befragten Versuchsteilnehmer die Cheddar-Duftprobe auch als mehr oder weniger angenehm: Entscheidend war dabei nicht der tatsächliche Geruch, sondern die darüber erteilte (richtige oder falsche) semantische Information. Dies galt sogar, wenn die Forscher als Kontrollexperiment einfach geruchslose Luft anboten, dazu aber "Körpergeruch" einblendeten: Auch dies wurde im Gehirn als unangenehm vermerkt, wobei das allerdings automatisch auf den eigentlich schuldlosen Duft, nicht aber die negative Wortassoziation geschoben wurde.
Ohne ganz bewusstes Ausblenden von Zusatzinformationen können wir uns demnach wohl auf unsere Nase nicht verlassen. Gute Nachrichten für Marketingexperten: Uns ein billiges, X-beliebiges Parfüm für ein teures vorzumachen, geht im Zweifel mit ein paar griffigen Vokabeln – ein Rausch von Zedern und Sandelholz, ein fruchtigfrischer Traum aus Passionsfrucht und Bergamotte macht aus billigem Discountersprit unfehlbar Betörendes. Nun, reklametechnisch nichts ganz Neues. Guter alter Tipp also für den Konsumverweigerer und Selbstbestimmte: Im entscheidenden Moment Augen und Ohren verschließen. Und einfach blind und taub drauflos schnuppern.
Sie können den Test auch sein lassen – was ihr Opfer im einen und anderen Fall sagen wird, wenn Sie um eine nähere Einschätzung seines Geruchswahrnehmung bitten, ist ohnehin irgendwie voraussehbar. Trotz identischer Versuchsperson, gleichem Geruch und selbem Käse: Im einen Fall dürfte selige Zustimmung im Antlitz leuchten (wenn das Testsubjekt nicht gerade Käseallergiker ist), im anderen Fall ... wohl eher nicht.
Schon eine komische Sache, unsere Wahrnehmung: Eindeutig arbeitet unser Gehirn nicht mit absoluten Werten, wenn es einen Sinneseindruck aufnimmt und verarbeitet. Ivan de Araujo und seine Kollegen von der Universität von Oxford haben sich die Sache nun etwas genauer angesehen. Sie interessierte insbesondere das Zusammenspiel von geruchlicher und semantischer Information über einen wahrgenommenen Gegenstand. Spannend schien den Forschern dieser Vergleich insbesondere deshalb, weil Duftinformationen auf sehr basalen Verarbeitungsebenen in stammesgeschichtlich alten Gehirnregionen umgesetzt werden – der Einfluss, den Wörter auf uns haben aber aus deutlich höheren gehirneigenen Verwaltungsebenen eingespeist wird. Duft nehmen wir fast ohne Umweg über den Verstand unmittelbar auf und münzen ihn leicht in pure Emotion um, semantischer Input erfordert im krassen Kontrast dazu ausgeprägt kognitiv-assoziative Leistungen, bei denen unser Gehirn wohl zunächst einige subjektiv eingestellte Gedanken-Filter abarbeiten muss.
Emotion und Intellekt also. Und wer gewinnt, wenn beide mit widersprechenden Eindrücken im gehirneigenen Eindruck-Sortierer aufeinanderprallen? Etwa dann also, wenn ein eigentlich bekannter Geruch konterkariert wird durch eine dazu nicht passende sprachliche Information? De Arajos Team ging die Frage mit einem Experiment an, das fast so aussah wie unser obiger Käse-Schnuppertest – nur, dass die Forscher ihren Probanden gleichzeitig per funktioneller Magnetresonanztomografie in die arbeitenden Köpfe kuckten.
Dabei skalierten sie zunächst, was angenehme und unangenehme Gerüche im Gehirn auslösen: Sie offerierten den Probanden einmal den stechenden Duft von Octanol und ließen auf einem beim Test sichtbaren Bildschirm das Wort "schwelendes Plastik" aufleuchten – und boten ihnen andererseits eine ansprechenden Blütenduftstoff zusammen mit dem Wort "Blume". Wie angenehm die Probanden das Angebot fanden, zeigte sich im so genannten vorderen cingulären Kortex (ACC) sowie dem angrenzenden medial orbitofrontalen Kortex (OFC) des Gehirns: Die Region – schon bekannt dafür, bei allerlei Ungemach anzuspringen – war umso stärker aktiv, je unangenehmer die Probanden den Geruch wahrnahmen – beziehungsweise die als "Geruch" wahrgenommene Reizkombination aus höheren assoziativen und niedrigeren olfaktorischen Gehirnzentren.
Dann begann der eigentliche Versuch: Die Forscher bedufteten ihre Probanden mit einem nach Cheddar-Käse riechenden Pröbchen und präsentierten zugleich per Monitor entweder eine richtige oder aber eine falsche semantische Zusatzinfomationen – entweder das Wort "Cheddar" oder das Wort "Körpergeruch". Letzteres führte dann durchweg zu stärkerer Aktivität im ACC/OFC. Genau passend dazu werteten die nachher befragten Versuchsteilnehmer die Cheddar-Duftprobe auch als mehr oder weniger angenehm: Entscheidend war dabei nicht der tatsächliche Geruch, sondern die darüber erteilte (richtige oder falsche) semantische Information. Dies galt sogar, wenn die Forscher als Kontrollexperiment einfach geruchslose Luft anboten, dazu aber "Körpergeruch" einblendeten: Auch dies wurde im Gehirn als unangenehm vermerkt, wobei das allerdings automatisch auf den eigentlich schuldlosen Duft, nicht aber die negative Wortassoziation geschoben wurde.
Ohne ganz bewusstes Ausblenden von Zusatzinformationen können wir uns demnach wohl auf unsere Nase nicht verlassen. Gute Nachrichten für Marketingexperten: Uns ein billiges, X-beliebiges Parfüm für ein teures vorzumachen, geht im Zweifel mit ein paar griffigen Vokabeln – ein Rausch von Zedern und Sandelholz, ein fruchtigfrischer Traum aus Passionsfrucht und Bergamotte macht aus billigem Discountersprit unfehlbar Betörendes. Nun, reklametechnisch nichts ganz Neues. Guter alter Tipp also für den Konsumverweigerer und Selbstbestimmte: Im entscheidenden Moment Augen und Ohren verschließen. Und einfach blind und taub drauflos schnuppern.
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