Paläontologie: Als Hirsche mit Vampirzähnen durch Deutschland streiften
Vor rund 15 Millionen Jahren schlug ein Meteorit in der Schwäbischen Alb ein – und hinterließ einen Krater mit vier Kilometer Durchmesser. Im Umkreis von hunderten Kilometern starb jegliches Leben. Doch rasch füllte sich die neu entstandene Senke mit Wasser, und der See lockte zahlreiche Lebewesen an. Nicht wenige davon starben an den Ufern oder im Gewässer; sie versanken im Schlamm und wurden zu Fossilien, die heute von der damaligen Artenfülle zeugen. Während des warmen Miozäns – dessen Klima hier zu Lande jenem der heutigen Everglades ähnelte – lebten beispielsweise Elefantenverwandte und Nashörner rund um das Steinheimer Becken, deren Überreste Paläontologen hier schon ausgegraben haben. Und ein weiteres besonderes Tier streifte durch die Wälder der Region, das eher an ein Fabelwesen erinnert. Wie Manuela Aiglstorfer vom Naturkundemuseum Stuttgart und ihre Kollegen in "PLoS One" bekannt gaben, existierten vor 14 Millionen Jahren Moschushirsche im Steinheimer Becken.
Diese nicht direkt mit den Hirschen verwandten Paarhufer zeichnen sich unter anderem durch markante obere Eckzähne des Männchens aus, die wie Hauer aus dem Maul herauswachsen. Verwandte Arten besiedeln heute noch dichte Bergwälder von Zentral- bis Ost- und Südostasien. Aiglstorfer und Co benannten die Spezies Micromeryx? eiselei zu Ehren von Dieter Eisele, der von 1972 bis 2002 Bürgermeister in Steinheim am Albuch war und die Ausgrabungen sowie die Errichtung des Meteorkrater-Museums in Sontheim unterstützt hat. Sie ist die zweite Moschushirschart, die bislang für Deutschland bekannt ist: Micromeryx flourensianus wurde ebenfalls in Steinheim ausgegraben. Die neu aufgetauchten Fossilien unterschieden sich allerdings deutlich von jenen ihrer Verwandten, so dass die Paläontologen von einer neuen Art ausgehen.
Mit ihren "Vampirzähnen" erlegen die Moschushirsche übrigens keine Beute: Sie dienen vielmehr dazu, den Weibchen bei der Brunft zu imponieren. Bei Gefahr können sich die kleinen Säugetiere damit jedoch auch verteidigen, und sie verletzten Angreifer bisweilen schwer mit diesen Hauern. Viele der heute lebenden Moschushirscharten gelten als gefährdet, weil der von ihnen produzierte Duftstoff in der Parfümindustrie und der traditionellen chinesischen Medizin hohe Preise erzielt.
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