Teilchenphysik: Am Anfang war: eine Flüssigkeit!
Brandaktuelle Nachrichten über die Eigenschaften des Materiezustands kurz nach dem Urknall verwirren.
In der freien Enzyklopädie Wikipedia steht unter dem Stichwort Flüssigkeit: "Eine Flüssigkeit ist ein Stoff im flüssigen Aggregatzustand. Der Zustand eines solchen Stoffes wird ebenfalls "Flüssigkeit" genannt – eine Flüssigkeit (Stoff) befindet sich also im Aggregatzustand der Flüssigkeit." Alles klar? Weiter heißt es: "Mit den Gasen werden die Flüssigkeiten zu den Fluiden zusammengefasst." Aha!?
Vielleicht hilft ja der Brockhaus weiter. Der meint unter anderem: "Im Unterschied zu Gasen können Flüssigkeiten ... wie Festkörper stabile Oberflächen annehmen." Prima! Das ist doch eine Abgrenzung, mit der wir etwas anfangen können.
Nun behaupten Physiker vom amerikanischen Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) am Brookhaven National Laboratory bei New York, sie hätten nicht nur (mehrfach) das umstrittene Quark-Gluon-Plasma nachgewiesen. Sie erklären ferner, dass es sich nicht – wie allseits vermutet – wie ein Gas verhält, sondern wie eine Flüssigkeit. Und zwar wie eine ideale!
Ja, was bedeutet denn das nun wieder? Was heißt denn hier "ideal"?
Da schauen wir doch mal auf den einschlägigen Webseiten zur Physik nach. Hier werden wir fündig: Ideale Flüssigkeiten besitzen keine innere Reibung, sind inkompressibel und haben keine Oberflächenspannung. Aha! Und was bewirkt die Oberflächenspannung normalerweise? Sie hält die Flüssigkeit – beispielsweise in einem Tropfen – zusammen und erzeugt eine Kraft, die ins Innere der Flüssigkeit wirkt.
Und was ist dann ein Plasma? Fachlexika geben dazu Auskunft: Ein Plasma ist ein Gemisch aus freien Teilchen eines – so wörtlich – Gases(!), welche sich durch ständige Wechselwirkung untereinander in verschiedenen Energie- beziehungsweise Anregungszuständen befinden. Manchmal spricht man sogar von einem eigenständigen, vierten Aggregatzustand.
So, jetzt sind wir schlauer: Die Physiker am RHIC haben – falls es denn eindeutig nachgewiesen wurde – nun offenbar ein Plasma gefunden, welches gar keines ist! Denn es verhält sich wie eine Flüssigkeit und nicht wie ein (Quark-Gluon-)Plasma, das explizit dadurch definiert ist, dass die ansonsten stark aneinander gebundenen Elementarbausteine sich nunmehr frei bewegen können. Für diese Erkenntnis der asymptotischen Freiheit erhielten die drei Teilchenphysiker David Gross, Frank Wilczek und David Politzer im vergangenen Jahr den Physik-Nobelpreis.
Diese von den RHIC-Forschern untersuchte Flüssigkeit, deren Charakteristik nach lehrbuchmäßiger Definition im Wesentlichen ja dadurch gegeben ist, dass sie eine Oberfläche ausbildet, soll gleichwohl nahezu "ideal" sein. Auf Grund fehlender Oberflächenspannung bildet sie eben keine Oberfläche aus und damit keine wie auch immer gearteten Tröpfchen.
Als Beweis zeigen die RHIC-Forscher unter anderem zwei animierte Filmchen, bei denen einmal durch grüne Streben Kräfte zwischen den Quarks und Gluonen eingezeichnet sind und einmal eben nicht. Ansonsten ist kaum ein Unterschied auszumachen.
Das ist alles hochspannend! Zumal ein solch exotischer Zustand zu Beginn des Universums bestanden haben soll – wenn auch nur wenige Bruchteile einer Sekunde.
Doch scheint es mir, als ob die Amerikaner bei der Untersuchung der Ursuppe einen Augenblick zu spät ihre Messfühler ausgestreckt haben, nämlich als die Kräfte zwischen den Quarks und den Gluonen bereits anfingen zu wirken. Das kann schon mal vorkommen. Schließlich besteht der Plasma-Zustand nach Angaben der Forscher ausschließlich 10-23 Sekunden lang. Diesen Augenblick kann man durchaus einmal verpassen.
Heiß ist die Geschichte allemal: Zwei Billionen Grad nämlich, wie die Wissenschaftler vom RHIC errechnet haben. Das ist gut 150 000 Mal so viel wie im Zentrum unserer Sonne.
Die Veröffentlichung der Ergebnisse kann aber auch einen weniger wissenschaftlichen Grund gehabt haben. So schreibt Mark Peplow von der Online-Redaktion des Nature-Magazins am Ende seines Beitrags: "Das Beschleunigerzentrum RHIC musste kürzlich harte Einschnitte in der staatlichen Forschungsförderung hinnehmen. Sie können daher ihre Versuche nur noch an zwölf statt an 30 Tagen im Jahr durchführen."
Darüber ist der Direktor der Hochenergieforschung am Brookhaven National Laboratory, Sam Aronsona, sichtlich traurig. Schließlich wollen die Physiker doch noch die Wärmekapazität, die Viskosität – die bei einer idealen Flüssigkeit bekanntlich nicht vorhanden sein sollte – sowie die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Schall in dieser Blase bestimmen. Das kann nun dauern.
Doch blicken wir zuversichtlich in die Zukunft, auf dass uns bald wieder neue Nachrichten aus der Welt der Quark-Gluon-Plasmen erreichen.
Vielleicht hilft ja der Brockhaus weiter. Der meint unter anderem: "Im Unterschied zu Gasen können Flüssigkeiten ... wie Festkörper stabile Oberflächen annehmen." Prima! Das ist doch eine Abgrenzung, mit der wir etwas anfangen können.
Nun behaupten Physiker vom amerikanischen Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) am Brookhaven National Laboratory bei New York, sie hätten nicht nur (mehrfach) das umstrittene Quark-Gluon-Plasma nachgewiesen. Sie erklären ferner, dass es sich nicht – wie allseits vermutet – wie ein Gas verhält, sondern wie eine Flüssigkeit. Und zwar wie eine ideale!
Ja, was bedeutet denn das nun wieder? Was heißt denn hier "ideal"?
Da schauen wir doch mal auf den einschlägigen Webseiten zur Physik nach. Hier werden wir fündig: Ideale Flüssigkeiten besitzen keine innere Reibung, sind inkompressibel und haben keine Oberflächenspannung. Aha! Und was bewirkt die Oberflächenspannung normalerweise? Sie hält die Flüssigkeit – beispielsweise in einem Tropfen – zusammen und erzeugt eine Kraft, die ins Innere der Flüssigkeit wirkt.
Und was ist dann ein Plasma? Fachlexika geben dazu Auskunft: Ein Plasma ist ein Gemisch aus freien Teilchen eines – so wörtlich – Gases(!), welche sich durch ständige Wechselwirkung untereinander in verschiedenen Energie- beziehungsweise Anregungszuständen befinden. Manchmal spricht man sogar von einem eigenständigen, vierten Aggregatzustand.
So, jetzt sind wir schlauer: Die Physiker am RHIC haben – falls es denn eindeutig nachgewiesen wurde – nun offenbar ein Plasma gefunden, welches gar keines ist! Denn es verhält sich wie eine Flüssigkeit und nicht wie ein (Quark-Gluon-)Plasma, das explizit dadurch definiert ist, dass die ansonsten stark aneinander gebundenen Elementarbausteine sich nunmehr frei bewegen können. Für diese Erkenntnis der asymptotischen Freiheit erhielten die drei Teilchenphysiker David Gross, Frank Wilczek und David Politzer im vergangenen Jahr den Physik-Nobelpreis.
Diese von den RHIC-Forschern untersuchte Flüssigkeit, deren Charakteristik nach lehrbuchmäßiger Definition im Wesentlichen ja dadurch gegeben ist, dass sie eine Oberfläche ausbildet, soll gleichwohl nahezu "ideal" sein. Auf Grund fehlender Oberflächenspannung bildet sie eben keine Oberfläche aus und damit keine wie auch immer gearteten Tröpfchen.
Als Beweis zeigen die RHIC-Forscher unter anderem zwei animierte Filmchen, bei denen einmal durch grüne Streben Kräfte zwischen den Quarks und Gluonen eingezeichnet sind und einmal eben nicht. Ansonsten ist kaum ein Unterschied auszumachen.
Das ist alles hochspannend! Zumal ein solch exotischer Zustand zu Beginn des Universums bestanden haben soll – wenn auch nur wenige Bruchteile einer Sekunde.
Doch scheint es mir, als ob die Amerikaner bei der Untersuchung der Ursuppe einen Augenblick zu spät ihre Messfühler ausgestreckt haben, nämlich als die Kräfte zwischen den Quarks und den Gluonen bereits anfingen zu wirken. Das kann schon mal vorkommen. Schließlich besteht der Plasma-Zustand nach Angaben der Forscher ausschließlich 10-23 Sekunden lang. Diesen Augenblick kann man durchaus einmal verpassen.
Heiß ist die Geschichte allemal: Zwei Billionen Grad nämlich, wie die Wissenschaftler vom RHIC errechnet haben. Das ist gut 150 000 Mal so viel wie im Zentrum unserer Sonne.
Die Veröffentlichung der Ergebnisse kann aber auch einen weniger wissenschaftlichen Grund gehabt haben. So schreibt Mark Peplow von der Online-Redaktion des Nature-Magazins am Ende seines Beitrags: "Das Beschleunigerzentrum RHIC musste kürzlich harte Einschnitte in der staatlichen Forschungsförderung hinnehmen. Sie können daher ihre Versuche nur noch an zwölf statt an 30 Tagen im Jahr durchführen."
Darüber ist der Direktor der Hochenergieforschung am Brookhaven National Laboratory, Sam Aronsona, sichtlich traurig. Schließlich wollen die Physiker doch noch die Wärmekapazität, die Viskosität – die bei einer idealen Flüssigkeit bekanntlich nicht vorhanden sein sollte – sowie die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Schall in dieser Blase bestimmen. Das kann nun dauern.
Doch blicken wir zuversichtlich in die Zukunft, auf dass uns bald wieder neue Nachrichten aus der Welt der Quark-Gluon-Plasmen erreichen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.