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Persönlichkeitstest: Andere Länder, andere Antworten

Persönlichkeitstests nach dem Fünf-Faktoren-Modell sind weit verbreitet. Ihre Aussagekraft ist allerdings auf vergleichsweise reiche demokratische Industrieländer beschränkt.
Menschen unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe

Mit dem Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit versuchen Forscher vorherzusagen, ob jemand kriminell werden könnte und wer für welchen Job geeignet ist. Verlässliche Antworten erhält man auf die Testfragen allerdings überwiegend in jenen Ländern, die gemeinhin als weiß, gebildet, industrialisiert, reich und demokratisch (white, educated, industrialized, rich and democratic: WEIRD) gelten. Zu diesem Schluss gelangte ein Team um Rachid Laajaj von der Universität de Los Andes in Bogota. Der Ökonom und seine Kollegen warnen in der Fachzeitschrift »Science Advances« deshalb davor, die Testfragen ohne Anpassung auch in einkommensschwächeren Ländern zu verwenden.

Für die Studie werteten sie Umfragedaten aus Interviews und Onlinefragebogen von mehr als 90 000 Teilnehmern aus 23 Ländern aus. Demnach sind vor allem persönliche Interviews beispielsweise aus den Philippinen, Ghana und Vietnam nicht geeignet, die fünf großen Persönlichkeitsdimensionen Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit zu erfassen. Unter anderem ließen sich einzelne Fragen (»Items«), die in den reichen Ländern gewissenhafte Menschen kennzeichnen, in ärmeren Ländern eher den Dimensionen Offenheit und Verträglichkeit zuordnen.

An grundsätzlichen kulturellen Unterschieden in der Persönlichkeit oder der Persönlichkeitsstruktur scheint das allerdings nicht zu liegen. Denn anhand der Onlinefragebogen ließen sich in allen Ländern außer Sri Lanka und Mazedonien die Persönlichkeitsdimensionen und ihnen zugehörige Merkmale in gewohnter Manier ableiten. Die Wissenschaftler vermuten vielmehr, dass ein unterschiedliches Antwortverhalten im direkten Kontakt eine Rolle spielt. So tendieren Menschen im Gespräch vermehrt dazu, sozial erwünschte Antworten zu geben, und geringere kognitive Fertigkeiten verstärken diesen Effekt zusätzlich. Während man bei Versuchspersonen in Deutschland die Persönlichkeitsprofile gleichermaßen gut aus mündlichen und schriftlichen Fragen ableiten konnte, eignete sich bei einer Studie mit 330 kolumbianischen Bauern keine der beiden Umfragearten.

Die Autoren vermuten, dass es sich um ein generelles Problem handelt: Nicht für alle Merkmale, die in den USA miteinander zusammenhängen, gilt das genauso in Entwicklungsländern. In den USA etwa lässt neben der emotionalen Stabilität eines Menschen vor allem seine Gewissenhaftigkeit auf ein höheres Gehalt schließen. In den meisten Entwicklungsländern hingegen spielte neben emotionaler Stabilität die Offenheit für neue Erfahrungen eine größere Rolle. Am entscheidendsten war dort jedoch, mehr noch als in den WEIRD-Ländern, die geistige Leistungsfähigkeit der Teilnehmer.

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