News: Angehungerter Zucker
Die Zivilisationskrankheit Diabetes greift weltweit immer stärker um sich - trifft Europäer dabei aber merkwürdigerweise seltener als andere. Was schützt die Bewohner des alten Kontinents?
Vielleicht sind weltweit heute tatsächlich nur rund 150 Millionen Menschen an Typ-2-Diabetes erkrankt – wahrscheinlich kommen aber, je nach Güte des Gesundheitssystems der unterschiedlichen Staaten, auf jeden diagnostizierten Fall ein bis acht unerkannte. Sicher ist hingegen, dass die Zahl der Erkrankten in Zukunft stetig ansteigen wird: Um 2010 wird Diabetes wohl mit wahrscheinlich einer halben Milliarde Krankheitsfälle eines der gravierendsten globalen Gesundheitsprobleme sein.
Die Auslöser einer Diabetes-Typ-2-Erkrankung sind vielfältig. Gemeinsam ist allen Erkrankten nur, dass ihr Körper nicht mehr ausreichend in der Lage ist, den Befehl des Hormonsignals Insulin zum Zuckerabbau zu befolgen. Folglich ist der Glucosespiegel im Blut krankhaft chronisch erhöht, was letztlich eine Reihe unangenehmer bis gefährlicher Spätfolgen verursacht. Ursache der Krankheit können unterschiedliche genetische Defekte sein, entscheidend sind aber oft nicht allein solche fehlerhaften Gene, sondern auch die Lebensumstände der Erkrankten: Sie essen häufig, viel und nahrhaft und sorgen für wenig körperlichen Ausgleich.
Das klingt vertraut. Demnach sollte also die Ausbreitung von Typ-2-Diabetes in den immer ähnlicher werdenden urban geprägten Zivilisationshochburgen der "Ersten Welt" statistisch gleichförmig verlaufen – in allen Bevölkerungsschichten Amerikas, Asiens und Europas, die sich dort jeweils den zivilisatorischen Gewohnheiten und Forderungen der modernen Gesellschaft unterwerfen müssen.
Genau dies ist aber nicht der Fall, wie nun Jared Diamond von der University of California in Los Angeles erneut bestätigte: Er verglich die Diabetes-Häufigkeit unter 30 unterschiedlichen ethnischen Gruppen aus verschiedenen Regionen und Kulturkreisen der Erde. Tatsächlich sind in Europa Diabetes-Erkrankungen deutlich seltener als in vergleichbaren Regionen Nordamerikas oder den Industriezentren Australiens und Asiens.
Besonders verbreitet ist die Erkrankung dagegen bei Volksstämmen, deren jüngere Geschichte von häufiger Nahrungsknappheit geprägt war, die dann aber relativ plötzlich am Überfluss der Zivilisationsgesellschaft teilhaben konnten. Dazu zählen kleinere, in sich geschlossene Gruppen wie die Bewohner der Nandu-Inseln im Südpazifik oder die Pima-Indianer der südwestlichen USA – genauso aber auch größere Ethnien wie die asiatischen Einwanderer in die Ballungszentren der Vereinigten Staaten oder urban umgeprägte Aborigines in Australien.
Offenbar hatte sich hier eine Diabetes fördernde Gen-Zusammensetzung häufiger erhalten – so genannte thrifty genes, eine bestimmte genetische Disposition der "Insulin-Resistenz", die den Ausbruch der Krankheit begünstigen kann. Um nicht im Laufe der Jahrhunderte ausselektiert worden zu sein, müsste sie diesen Ethnien aber, neben den diabetischen Nachteilen, auch einen entscheidenden evolutiven Vorteil beschert haben – und zwar offenbar gerade in Zeiten, in denen auf eine stetig ausreichende Nahrungsversorgung kein Verlass ist.
So könne es vielleicht sein, erklärt Diamond, dass die Genträger sich auf unvorhersehbar wechselnde Nahrungsverfügbarkeit besser einstellen konnten – notwendig etwa in oft vom Hungertod bedrohten Jäger- , Sammler- und Kleinbauernkulturen. Hungersnöte selektierten dann die Genträger weiter gezielt heraus. Werden solcherart geprägte Ethnien dann in moderne Industriegesellschaften mit ihren Risikofaktoren Nahrungsüberfluss und Bewegungsarmut geworfen, dann ist der historische Vorteil der thrifty genes passé, während gleichzeitig der Diabetes fördernde Nachteil bleibt und kräftig ausschlägt.
Nun litten auch viele Europäer in vergangenen Jahrhunderten Hunger – besonders betroffene Gruppen aber flohen, so Diamond, vermehrt nach Übersee und brachten die während ihrer Hungervergangenheit nutzbringende Diabetes-Disposition mit sich in die heutigen europäischstämmigen Ethnien Australiens und Nordamerikas. Tatsächlich leiden diese heute häufiger an Diabetes. Was einst in Europa verblieb, stellt sich Diamond nun als eher reich und weniger stark vom Hungertod bedroht vor: Diesen Menschen brachte ein thrifty gene immer schon nur Nachteile. Frühe Diabetes-Epidemien im alten Europa – im 18. Jahrhundert grassierte in den deutschen Staaten tatsächlich eine "honigsüße Harnruhr" – hätten das europäische Diabetes fördernde Gen-Erbe dann vielleicht weiter dezimiert und eine Vererbung auf nachfolgende Generationen erschwert.
Die Auslöser einer Diabetes-Typ-2-Erkrankung sind vielfältig. Gemeinsam ist allen Erkrankten nur, dass ihr Körper nicht mehr ausreichend in der Lage ist, den Befehl des Hormonsignals Insulin zum Zuckerabbau zu befolgen. Folglich ist der Glucosespiegel im Blut krankhaft chronisch erhöht, was letztlich eine Reihe unangenehmer bis gefährlicher Spätfolgen verursacht. Ursache der Krankheit können unterschiedliche genetische Defekte sein, entscheidend sind aber oft nicht allein solche fehlerhaften Gene, sondern auch die Lebensumstände der Erkrankten: Sie essen häufig, viel und nahrhaft und sorgen für wenig körperlichen Ausgleich.
Das klingt vertraut. Demnach sollte also die Ausbreitung von Typ-2-Diabetes in den immer ähnlicher werdenden urban geprägten Zivilisationshochburgen der "Ersten Welt" statistisch gleichförmig verlaufen – in allen Bevölkerungsschichten Amerikas, Asiens und Europas, die sich dort jeweils den zivilisatorischen Gewohnheiten und Forderungen der modernen Gesellschaft unterwerfen müssen.
Genau dies ist aber nicht der Fall, wie nun Jared Diamond von der University of California in Los Angeles erneut bestätigte: Er verglich die Diabetes-Häufigkeit unter 30 unterschiedlichen ethnischen Gruppen aus verschiedenen Regionen und Kulturkreisen der Erde. Tatsächlich sind in Europa Diabetes-Erkrankungen deutlich seltener als in vergleichbaren Regionen Nordamerikas oder den Industriezentren Australiens und Asiens.
Besonders verbreitet ist die Erkrankung dagegen bei Volksstämmen, deren jüngere Geschichte von häufiger Nahrungsknappheit geprägt war, die dann aber relativ plötzlich am Überfluss der Zivilisationsgesellschaft teilhaben konnten. Dazu zählen kleinere, in sich geschlossene Gruppen wie die Bewohner der Nandu-Inseln im Südpazifik oder die Pima-Indianer der südwestlichen USA – genauso aber auch größere Ethnien wie die asiatischen Einwanderer in die Ballungszentren der Vereinigten Staaten oder urban umgeprägte Aborigines in Australien.
Offenbar hatte sich hier eine Diabetes fördernde Gen-Zusammensetzung häufiger erhalten – so genannte thrifty genes, eine bestimmte genetische Disposition der "Insulin-Resistenz", die den Ausbruch der Krankheit begünstigen kann. Um nicht im Laufe der Jahrhunderte ausselektiert worden zu sein, müsste sie diesen Ethnien aber, neben den diabetischen Nachteilen, auch einen entscheidenden evolutiven Vorteil beschert haben – und zwar offenbar gerade in Zeiten, in denen auf eine stetig ausreichende Nahrungsversorgung kein Verlass ist.
So könne es vielleicht sein, erklärt Diamond, dass die Genträger sich auf unvorhersehbar wechselnde Nahrungsverfügbarkeit besser einstellen konnten – notwendig etwa in oft vom Hungertod bedrohten Jäger- , Sammler- und Kleinbauernkulturen. Hungersnöte selektierten dann die Genträger weiter gezielt heraus. Werden solcherart geprägte Ethnien dann in moderne Industriegesellschaften mit ihren Risikofaktoren Nahrungsüberfluss und Bewegungsarmut geworfen, dann ist der historische Vorteil der thrifty genes passé, während gleichzeitig der Diabetes fördernde Nachteil bleibt und kräftig ausschlägt.
Nun litten auch viele Europäer in vergangenen Jahrhunderten Hunger – besonders betroffene Gruppen aber flohen, so Diamond, vermehrt nach Übersee und brachten die während ihrer Hungervergangenheit nutzbringende Diabetes-Disposition mit sich in die heutigen europäischstämmigen Ethnien Australiens und Nordamerikas. Tatsächlich leiden diese heute häufiger an Diabetes. Was einst in Europa verblieb, stellt sich Diamond nun als eher reich und weniger stark vom Hungertod bedroht vor: Diesen Menschen brachte ein thrifty gene immer schon nur Nachteile. Frühe Diabetes-Epidemien im alten Europa – im 18. Jahrhundert grassierte in den deutschen Staaten tatsächlich eine "honigsüße Harnruhr" – hätten das europäische Diabetes fördernde Gen-Erbe dann vielleicht weiter dezimiert und eine Vererbung auf nachfolgende Generationen erschwert.
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