Infektionskrankheiten: Angriff aus dem Osten
Häufig als harmlose Erkältung unterschätzt schlägt Jahr für Jahr die Grippe zu und fordert weltweit ihre Opfer. Von welchem Winkel der Erde aus bricht das wandlungsfähige Virus, gegen das immer wieder neue Impfstoffe kreiert werden müssen, zu seinen globalen Feldzug auf?
Müdigkeit, Husten, Kopf- und Halsschmerzen – es beginnt oft harmlos. Auch das hohe Fieber, begleitet von Frösteln und Schweißausbrüchen, lässt zunächst auf eine schlichte "Erkältung" schließen. Harmlos ist die Grippe jedoch keineswegs: Jahr für Jahr erkranken an ihr bis zu 15 Prozent der Weltbevölkerung, schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, die jährlich drei bis fünf Millionen schwere Grippefälle registriert. 250 000 bis 500 000 Menschen überleben die Infektion nicht; auch in Deutschland hinterlässt eine gewöhnliche Grippeepidemie mindestens 5000 Tote.
Dabei lässt sich gegen das Übel durchaus etwas tun: Eine Grippeschutzimpfung – die übrigens keineswegs gegen Erkältungsviren hilft – bewahrt neun von zehn Geimpften vor einer schweren Erkrankung; weltweit schützt sie 300 Millionen Menschen.
Doch leider hält die Impfung nicht lange vor. Das Influenzavirus erweist sich als derart wandlungsfähig, dass der Impfstoff aus der letzten Saison bei einer neuen Epidemie nichts mehr taugt. Deshalb treffen sich alljährlich im Februar und im September die Experten der WHO, um zu beraten, welche Virusstämme wahrscheinlich im nächsten Jahr zuschlagen werden. Gegen diese soll dann ein Impfstoff entwickelt und schnellstmöglich produziert werden. Meist liegen die Fachleute dabei richtig – mitunter aber auch nicht.
Dieses alljährliche Versteckspiel vor den Impfstoffen gelingt dem Virus, indem es die Proteine auf seiner Oberfläche, Hämagglutinin und Neuraminidase, ständig verändert. Es benötigt sie, um menschliche Zellen zu entern, andererseits erkennt das menschliche Immunsystem an ihnen den Eindringling.
Aus welchem Versteck schlägt der Übeltäter Jahr für Jahr zu? Das versuchten zwei Arbeitsgruppen unabhängig voneinander herauszufinden. Die Forscher um Andrew Rambaut von der University of Edinburgh und Edward Holmes von der Pennsylvania State University untersuchten hierfür 1302 Proben mit Viren der Subtypen H3N2 sowie H1N1, die in zwölf Jahren gesammelt worden sind. Die Proben stammten einerseits aus dem US-Bundesstaat New York, andererseits aus Neuseeland, so dass zwei weit auseinander liegende Gebiete auf der Nord- und Südhalbkugel abgedeckt waren [1].
Wie sich zeigte, schienen sich die beiden Subtypen regelrecht abzuwechseln: Während H1N1 zuschlug, legte H3N2 eine Pause ein – und umgekehrt. Außerdem traten die Infektionswellen auf den Hemisphären jeweils zeitversetzt auf. Die Veränderungen der Hämagglutinin- und Neuraminidase-Gene und das zeitliche und örtliches Auftreten der Mutanten deuteten auf eine Ursprungsregion hin, von der sich die Viren ausgebreitet haben. Wo dieser Ort liegt, konnten die Forscher nicht herausfinden, sie vermuten ihn in den Tropen.
Demnach beginnt der jährliche Seuchenzug irgendwo in Ost- oder Südostasien. Hier zirkulieren das ganze Jahr über Influenzaviren, die meist während der Regenzeit örtlich begrenzte Grippeausbrüche verursachen.
"Grippeepidemien scheinen von jahreszeitlichen Faktoren wie Winter oder Regenzeit angetrieben zu werden", erläutert Smith. "Deshalb können Epidemien in Städten wie Bangkok oder Kuala Lumpur, die nur 1000 Kilometer voneinander entfernt sind, mit einer Verzögerung von sechs Monaten auftreten. Es gibt zahlreiche solcher Variabilitäten in Ost- und Südostasien, so dass es für eine Epidemie in einem Land viele Möglichkeiten gibt, eine weitere Epidemie in einem benachbarten Land auszulösen – so wie ein Staffelläufer den Stab weitergibt."
Sollte sich das Szenario der Grippebrutstätte im asiatischen Raum als richtig erweisen, hätten es Impfstoffproduzenten ein wenig leichter: Mit einer genauen Analyse der hier grassierenden Virusvarianten ließe sich leichter vorhersagen, welche Version sich für den nächsten weltweiten Seuchenzug wappnet. Ein passender und rechtzeitig hergestellter Impfstoff könnte vielen Menschen das Leben retten.
Dabei lässt sich gegen das Übel durchaus etwas tun: Eine Grippeschutzimpfung – die übrigens keineswegs gegen Erkältungsviren hilft – bewahrt neun von zehn Geimpften vor einer schweren Erkrankung; weltweit schützt sie 300 Millionen Menschen.
Doch leider hält die Impfung nicht lange vor. Das Influenzavirus erweist sich als derart wandlungsfähig, dass der Impfstoff aus der letzten Saison bei einer neuen Epidemie nichts mehr taugt. Deshalb treffen sich alljährlich im Februar und im September die Experten der WHO, um zu beraten, welche Virusstämme wahrscheinlich im nächsten Jahr zuschlagen werden. Gegen diese soll dann ein Impfstoff entwickelt und schnellstmöglich produziert werden. Meist liegen die Fachleute dabei richtig – mitunter aber auch nicht.
Dieses alljährliche Versteckspiel vor den Impfstoffen gelingt dem Virus, indem es die Proteine auf seiner Oberfläche, Hämagglutinin und Neuraminidase, ständig verändert. Es benötigt sie, um menschliche Zellen zu entern, andererseits erkennt das menschliche Immunsystem an ihnen den Eindringling.
Eine Epidemie in einem Land hat viele Möglichkeiten, eine weitere Epidemie in einem benachbarten Land auszulösen – so wie ein Staffelläufer den Stab weitergibt"
(Derek Smith)
Virologen nummerieren die verschiedenen Virussubtypen nach diesen hoch variablen Proteinen einfach durch: Die Zählung beginnt mit ersten beschriebenen Subtyp H1N1, der die "Spanische Grippe" von 1918/19 mit vielleicht 50 Millionen Toten ausgelöst hat. H5N1 hat dagegen als Vogelgrippeerreger Karriere gemacht, während H3N2 seit der Pandemie von 1968 als häufigster Grippeerreger gilt. (Derek Smith)
Aus welchem Versteck schlägt der Übeltäter Jahr für Jahr zu? Das versuchten zwei Arbeitsgruppen unabhängig voneinander herauszufinden. Die Forscher um Andrew Rambaut von der University of Edinburgh und Edward Holmes von der Pennsylvania State University untersuchten hierfür 1302 Proben mit Viren der Subtypen H3N2 sowie H1N1, die in zwölf Jahren gesammelt worden sind. Die Proben stammten einerseits aus dem US-Bundesstaat New York, andererseits aus Neuseeland, so dass zwei weit auseinander liegende Gebiete auf der Nord- und Südhalbkugel abgedeckt waren [1].
Wie sich zeigte, schienen sich die beiden Subtypen regelrecht abzuwechseln: Während H1N1 zuschlug, legte H3N2 eine Pause ein – und umgekehrt. Außerdem traten die Infektionswellen auf den Hemisphären jeweils zeitversetzt auf. Die Veränderungen der Hämagglutinin- und Neuraminidase-Gene und das zeitliche und örtliches Auftreten der Mutanten deuteten auf eine Ursprungsregion hin, von der sich die Viren ausgebreitet haben. Wo dieser Ort liegt, konnten die Forscher nicht herausfinden, sie vermuten ihn in den Tropen.
Hier kann das internationale Team um Derek Smith von der britischen University of Cambridge weiterhelfen. Die Forscher hatten den genetischen Wandel von etwa 13 000 Hämagglutinin-Molekülen des Subtyps H3N2 untersucht, der zwischen den Jahren 2002 und 2006 weltweit zuschlug. Damit gelang es den Wissenschaftlern, einen Stammbaum des Erregers aufzustellen [2].
Demnach beginnt der jährliche Seuchenzug irgendwo in Ost- oder Südostasien. Hier zirkulieren das ganze Jahr über Influenzaviren, die meist während der Regenzeit örtlich begrenzte Grippeausbrüche verursachen.
Durch den weltweiten Verkehr geht auch das Virus auf Reisen: Es breitet sich zunächst Richtung Australien und Neuseeland aus, erreicht innerhalb von sechs bis neun Monaten Europa und Nordamerika und gelangt schließlich nach einem weiteren halben Jahr nach Südamerika. Hier verschwindet es dann von der Bildfläche.
"Grippeepidemien scheinen von jahreszeitlichen Faktoren wie Winter oder Regenzeit angetrieben zu werden", erläutert Smith. "Deshalb können Epidemien in Städten wie Bangkok oder Kuala Lumpur, die nur 1000 Kilometer voneinander entfernt sind, mit einer Verzögerung von sechs Monaten auftreten. Es gibt zahlreiche solcher Variabilitäten in Ost- und Südostasien, so dass es für eine Epidemie in einem Land viele Möglichkeiten gibt, eine weitere Epidemie in einem benachbarten Land auszulösen – so wie ein Staffelläufer den Stab weitergibt."
Sollte sich das Szenario der Grippebrutstätte im asiatischen Raum als richtig erweisen, hätten es Impfstoffproduzenten ein wenig leichter: Mit einer genauen Analyse der hier grassierenden Virusvarianten ließe sich leichter vorhersagen, welche Version sich für den nächsten weltweiten Seuchenzug wappnet. Ein passender und rechtzeitig hergestellter Impfstoff könnte vielen Menschen das Leben retten.
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